HI10450434

Versicherungspflicht von Pflegepersonen in der Rentenversicherung

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Zusammenfassung

Name: LI9039611 Rz:

Begriff

Nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen sind bei einem bestimmten Mindestumfang der Pflegetätigkeit und unter bestimmten weiteren Voraussetzungen versicherungspflichtig in der Rentenversicherung. Diese ehrenamtliche Tätigkeit, die häufig im familiären Bereich stattfindet, ist oft mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden. Die betroffenen Pflegepersonen können deswegen oft keiner Erwerbstätigkeit nachgehen oder eine solche nur in einem reduzierten Umfang ausüben. Die aufgrund der Pflegetätigkeit eintretende Rentenversicherungspflicht soll die daraus resultierenden Nachteile bei den späteren eigenen Rentenansprüchen ausgleichen bzw. reduzieren.

Name: LI9039612 Rz:

Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Sozialversicherung: § 44 Abs. 1 und 2b SGB XI stellt in Bezug auf die soziale Sicherung der Pflegepersonen eine sog. Einweisungsvorschrift dar. Aus ihr kann entnommen werden, in welchen Bereichen des Sozialgesetzbuches Vorschriften zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen vorgesehen sind. Die konkreten Voraussetzungen zur Rentenversicherungspflicht der nicht erwerbsmäßigen Pflegepersonen sind in § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI geregelt. Ergänzende Erläuterungen enthält ein Gemeinsames Rundschreiben vom 13.12.2016 (GR v. 13.12.2016).

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1 Voraussetzungen der Versicherungspflicht

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1.1 Keine Erwerbsmäßigkeit der Pflegeperson

Versicherungspflichtig in der Rentenversicherung sind Personen in der Zeit,

  • in der sie einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB XI mit mindestens Pflegerad 2,
  • wenigstens 10 Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens 2 Tage in der Woche,
  • in seiner häuslichen Umgebung pflegen,
  • wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder der privaten Pflegepflichtversicherung hat. [ 1 ]

Dieser Personenkreis wird als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen bezeichnet.

Abgrenzung zur erwerbsmäßigen Pflege

Die Pflege wird erwerbsmäßig ausgeübt, wenn sie sich als Teil der Berufstätigkeit der Pflegeperson darstellt und dazu dient, ihren Lebensunterhalt ganz oder teilweise zu sichern. Erfasst werden alle Formen der professionellen Pflege.

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1.2 Zu pflegender Personenkreis

Voraussetzung für die Rentenversicherungspflicht ist die Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14, 15 SGB XI. Für die Beurteilung der Rentenversicherungspflicht gelten die allgemeinen Regelungen zur Beurteilung der Pflegebedürftigkeit. Rentenversicherungspflicht besteht nur, wenn mindestens der Pflegegrad 2 festgelegt worden ist.

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1.3 Erforderlicher Pflegeumfang

Die Rentenversicherungspflicht nicht erwerbsmäßig tätiger Pflegepersonen setzt einen zeitlichen Mindestumfang an Pflege voraus. Der wöchentliche Pflegeumfang muss regelmäßig mindestens 10 Stunden umfassen. Ferner ist Voraussetzung, dass die Pflege an regelmäßig mindestens 2 Tage in der Woche durchgeführt wird.

Name: LI9039613 Rz:

Praxis-Beispiel

Zeitlicher Umfang der Pflege

Die Pflegeperson pflegt einen Pflegebedürftigen (Pflegegrad 2) montags und mittwochs jeweils 6 Stunden. Der erforderliche Pflegeumfang beträgt mit 12 Stunden mehr als die geforderten 10 Stunden und wird auch an 2 Wochentagen ausgeübt. Der Mindestumfang der Pflege ist erreicht.

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1.3.1 Pflege durch mehrere Pflegepersonen

Die Rentenversicherungspflicht wird für jede Pflegeperson separat beurteilt. Pflegen mehrere Personen abwechselnd einen Pflegebedürftigen, kann für alle Pflegepersonen jeweils Rentenversicherungspflicht bestehen. Voraussetzung ist jeweils die Erfüllung der Mindestpflegezeit.

Name: LI9039614 Rz:

Praxis-Beispiel

Mehrfachpflege

Der Pflegebedürftige (Pflegegrad 5) wird von den Pflegepersonen A, B, und C gepflegt. Täglich ist eine Pflege für 10 Stunden erforderlich. Pflegeperson A übernimmt dies montags bis mittwochs, Pflegeperson B am Donnerstag und Pflegeperson C von freitags bis sonntags. Bei den Pflegepersonen A und C ist der Mindestpflegeumfang von mindestens 10 Stunden an mindestens 2 Tagen in der Woche erfüllt. Pflegeperson B erfüllt den Mindestpflegeumfang nicht, da die Pflege nur an einem Tag in der Woche erfolgt. Versicherungspflicht für Pflegeperson B ist deswegen ausgeschlossen.

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1.3.2 Pflege mehrerer Pflegebedürftiger

Der erforderliche Pflegeumfang kann auch durch die Pflege mehrerer Pflegebedürftiger erreicht werden, der sog. Additionspflege. Wichtig ist dann, dass die Pflegetätigkeit in der Summe regelmäßig mindestens 10 Stunden in der Woche ausgeübt wird und bezogen auf alle Pflegetätigkeiten an regelmäßig mindestens 2 Tage in der Woche ausgeübt wird. Im Ergebnis soll der Pflegeaufwand der Pflegeperson für mehrere Pflegebedürftige nicht zu einer anderen versicherungsrechtlichen Beurteilung führen, wie bei der Pflege eines Pflegebedürftigen.

Name: LI9039615 Rz:

Praxis-Beispiel

Additionspflege

Die Pflegeperson pflegt den Pflegebedürftigen A (Pflegegrad 3) montags und den Pflegebedürftigen B (Pflegegrad 2) mittwochs jeweils an 6 Stunden. Der erforderliche Pflegeumfang beträgt mit 12 Stunden mehr als die geforderten 10 Stunden und wird auch an 2 Wochentagen ausgeübt. Der Mindestumfang der Pflege ist durch die Additionspflege erreicht.

Mindestpflegeumfang bereits durch eine Pflegetätigkeit

Sofern der Mindestpflegeumfang bereits durch die Pflege eines Pflegebedürftigen erreicht wird, erstreckt sich die Versicherungspflicht auch auf daneben in geringerem Umfang ausgeübte Pflegetätigkeiten. Dabei ist unerheblich, ob die in geringerem Umfang ausgeübte Pflege an denselben Wochentagen ausgeübt wird, wie die Pflege, mit der bereits der Mindestpflegeumfang erfüllt wird.

Name: LI9039616 Rz:

Praxis-Beispiel

Addition bei Mindestpflegeumfang in einer Pflegetätigkeit

Die Pflegeperson pflegt den Pflegebedürftigen A (Pflegegrad 3) montags und mittwochs jeweils an 6 Stunden und den Pflegebedürftigen B (Pflegegrad 2) donnerstags an 5 Stunden. Der erforderliche Pflegeumfang wird bereits durch den Pflegeumfang bei dem Pflegebedürftigen A erreicht. Die Rentenversicherungspflicht erstreckt sich auch auf die Pflege des Pflegebedürftigen B, obwohl diese allein betrachtet den Mindestumfang nicht erreicht.

Übrige Voraussetzungen beachten

Eine Voraussetzung für die Addition der Pflegetätigkeiten ist jedoch immer, dass auch die übrigen Voraussetzungen für die Versicherungspflicht erfüllt sind.

Name: LI9039617 Rz:

Praxis-Beispiel

Additionspflege – übrige Voraussetzungen

Die Pflegeperson pflegt den Pflegebedürftigen A (Pflegegrad 3) montags und mittwochs jeweils an 6 Stunden und den Pflegebedürftigen B (Pflegegrad 1) donnerstags an 5 Stunden. Der erforderliche Pflegeumfang wird bereits durch den Pflegeumfang bei dem Pflegebedürftigen A erreicht. Die Rentenversicherungspflicht erstreckt sich aber nicht auf die Pflege des Pflegebedürftigen B, da hier nicht der erforderliche Pflegegrad festgestellt wurde.

Keine Mehrfachversicherung

Pflegt die Pflegeperson mehrere Pflegebedürftige, wird die Versicherungspflicht in allen Fällen insgesamt beurteilt. Eine Mehrfachversicherung ist nicht vorgesehen. Auswirkungen hat dies nur hinsichtlich der (mehrfach) zu entrichtenden Beiträge.

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1.3.3 Dauerhaftigkeit der Pflegetätigkeit

Die Rentenversicherungspflicht setzt eine gewisse Dauerhaftigkeit voraus, ohne dass der Gesetzeswortlaut diese Voraussetzung ausdrücklich benennt. Gelegentliche oder nur vorübergehende Hilfeleistungen im Bereich der häuslichen Pflege führen nicht zur Rentenversicherungspflicht. Dies gilt insbesondere für die ersatzweise ausgeübte Pflegetätigkeit bei Urlaub oder Krankheit der eigentlichen Pflegeperson.

Dauerhaft wird eine Pflege ausgeübt, wenn sie auf mehr als 2 Monate bzw. 60 Tage im Jahr (nicht Kalenderjahr) angelegt ist. Dies gilt auch bei immer wiederkehrenden kürzeren Pflegezeiträumen, die insgesamt diese Voraussetzung erfüllen.

Name: LI9039618 Rz:

Wichtig

Prüfung der Dauerhaftigkeit

Die Prüfung der Dauerhaftigkeit der Pflege ist bei Aufnahme der Pflegetätigkeit im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise vorzunehmen. Diese vorausschauende Beurteilung bleibt für die Vergangenheit auch maßgebend, wenn rückwirkend betrachtet die Voraussetzung nicht erfüllt ist. Eine Änderung ergibt sich in diesen Fällen nur für die Zukunft.

Die Anforderungen an die Dauerhaftigkeit der Pflege gelten bei Additionspflege für jede einzelne Pflegetätigkeit einer Pflegeperson.

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1.3.4 Umfang der Pflegetätigkeit

Bei der Feststellung des erforderlichen Umfangs der Pflegetätigkeit sind alle pflegerischen Maßnahmen in den in § 14 Abs. 2 SGB XI genannten Bereichen, einschließlich Hilfen bei der Haushaltsführung [ 2 ] , zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich um folgende Bereiche:

  • Mobilität,
  • kognitive und kommunikative Fähigkeiten,
  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen,
  • Selbstversorgung,
  • Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen,
  • Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.

Hierzu zählen neben der Verrichtungen im Bereich der körperbezogenen Pflegemaßnahmen und der Hilfen bei der Haushaltsführung auch pflegerische Betreuungsmaßnahmen.

Demnach ist z. B. die Hilfe zur Erfüllung kommunikativer Bedürfnisse, die Beförderung bzw. Begleitung eines Pflegebedürftigen von der Wohnung zur Einrichtung der Tages- oder Nachtpflege, zu kulturellen Veranstaltungen oder die Begleitung bei Besuchen von Freunden und Bekannten, für die Feststellung der Pflegestundenzahl ebenfalls anzurechnen.