HI521906

Personalakten

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Zusammenfassung

Name: LI1099304 Rz:

Begriff

Unter Personalakte ist jede Sammlung von Urkunden und Vorgängen durch den Arbeitgeber zu verstehen, die Angaben zu den persönlichen und dienstlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers enthalten und in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen. Eine Personalakte liegt unabhängig davon vor, an welcher Stelle die Sammlung geführt wird und welche Form (normale Akte, Kartei, Speicherung von Daten mithilfe der elektronischen Datenverarbeitung) sie hat.

Name: LI1099305 Rz:

Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Arbeitsrecht: Konkrete gesetzliche Regelungen zur Führung von Personalakten bestehen nicht. Gelegentlich sind Vorgaben in Tarifverträgen enthalten – von Bedeutung ist das Personalakten-Einsichtsrecht gemäß § 3 Abs. 5 TVöD-AT. § 83 Abs. 1 BetrVG bzw. § 25 SprAuG regeln ein Einsichtsrecht des Arbeitnehmers. Datenschutzrechtliche Vorgaben ergeben sich aus der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO, insbesondere Art. 88) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), insbesondere aus § 26 BDSG.

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Arbeitsrecht

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1 Begriff der Personalakte

Eine Legaldefinition des Begriffs der Personalakte besteht nicht. Gesetzliche, aber auch tarifvertragliche Normen setzen den Begriff regelmäßig voraus (vgl. § 83 BetrVG, § 3 Abs. 5 TVöD-AT). Das BAG unterscheidet zwischen dem formellen und dem materiellen Personalaktenbegriff. [ 1 ] Personalakten im formellen Sinn sind danach die Schriftstücke, die der Arbeitgeber als "Personalakte" führt und die diesen als Bei-, Neben- oder Sonderakten zugeordneten Unterlagen. Kennzeichnend dafür ist, dass derartige Aktenbestände äußerlich erkennbar in Ordnern, Heftern oder Blattsammlungen geführt, entsprechend gekennzeichnet und nach der Art ihrer Registrierung oder Aufbewahrung als zueinander gehörend bestimmbar sind. [ 2 ] Weiter gefasst ist der Begriff der materiellen Personalakte. Dabei handelt es sich um den Gesamtbestand von Urkunden und Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters betreffen und die in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen. Sie sollen ein möglichst vollständiges, wahrheitsgemäßes und sorgfältiges Bild über diese Verhältnisse geben. [ 3 ]

Die Rüge eines Verhaltens, das mit dem Arbeitsverhältnis als solchem nichts zu tun hat, darf daher nicht in die Personalakten des Arbeitnehmers aufgenommen werden. Ansonsten könnten sich Nachteile für das Fortkommen des Arbeitnehmers ergeben aus Gründen, die das Arbeitsverhältnis als solches gar nicht betreffen. Dies würde der dargestellten Funktion der Personalakte des Arbeitnehmers nicht gerecht. [ 4 ]

Mit dem Begriff der materiellen Personalakte werden auch sämtliche mitarbeiterbezogene Unterlagen erfasst, die sich außerhalb der formal erkennbaren Personalakte befinden. Insbesondere kommt es nicht auf die Bezeichnung als Personalakte, ihre Erscheinungsform (verkörperlicht oder digital [ 5 ] ), die formale Zuordnung oder die Stelle/Abteilung, die die Unterlagen vorhält, an. § 83 BetrVG als maßgebliche gesetzliche Regelung und die Rechtsprechung legen durchweg diesen weiten Begriff der materiellen Personalakte zugrunde. [ 6 ] Nicht zu den Personalakten gehören ärztliche Dokumente (z. B. über Untersuchungen und Befunde des Betriebsarztes), die dem allgemeinen Zugriff des Arbeitgebers entzogen sind (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 ASiG) sowie Prozessunterlagen über zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anhängige gerichtliche Auseinandersetzungen. [ 7 ]

Personalakten können auch elektronisch und digital geführt werden. Es gelten dafür neben den genannten Abgrenzungen die weitergehenden Vorgaben und Regelungen des Datenschutzes im Arbeitsverhältnis sowie zum Umgang mit der Verarbeitung von Daten generell gem. Art. 12 f. DSGVO (dazu unten Abschn. 7).

Der Begriff der Personalakte hat unter dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO u. a. Bedeutung für die richtige Antragstellung im Fall der gerichtlichen Geltendmachung des Einsichtsrechts. Richtet sich der prozessuale Antrag des Arbeitnehmers lediglich auf Einsichtnahme "in die Personalakte", ist damit nur die formelle Personalakte gemeint. [ 8 ]

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2 Führung der Personalakte

Der Arbeitgeber ist arbeitsrechtlich gegenüber dem Arbeitnehmer nicht zur Führung einer Personalakte verpflichtet. Er wird jedoch kaum anders als durch Führung von Personalakten den arbeits-, handels-, gesellschafts- und steuerrechtlich gebotenen Pflichten nachkommen und z. B. die für Krankheitsfälle notwendige Abrechnung der Entgeltfortzahlung gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen vornehmen können. Die Art und Weise der Führung der Personalakte ist dem Arbeitgeber überlassen. Möglich ist die Führung in Papierform, aber auch als digitale Personalakte. Es besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine ganz bestimmte Gestaltung, z. B. eine Paginierung der Personalakte. [ 9 ]

Allerdings hat die Führung der Personalakte zwingend den Erfordernissen der Kontinuität, Vollständigkeit und Wahrheit zu genügen. [ 10 ] Die Führung einer digitalen Personalakte zwingt zur Beachtung weitergehender datenschutzrechtlicher Vorgaben (siehe dazu unten).

Dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers dient der Vertraulichkeitsgrundsatz. Der Arbeitgeber darf den Inhalt – auch auszugsweise – nur auf einer rechtlichen Grundlage oder mit der Einwilligung des Arbeitnehmers an Dritte weitergeben. Diese Pflicht trifft auch sämtliche Mitarbeiter, die Zugriff auf die Personalakte haben. Zudem muss der Kreis der Zugriffsberechtigten begrenzt gehalten werden.

Die Datenschutzvorschriften insbesondere der DSGVO führen zu erheblichen administrativen Mehrbelastungen beim Umgang mit Personalakten und den darauf bezogenen Rechten der Arbeitgeber. Arbeitgeber müssen ihre Prozesse im Bereich der Personalverwaltung dementsprechend fortlaufend anpassen.

Die Entscheidung über die Einführung und die inhaltliche Ausgestaltung der Führung von Personalakten unterliegt der zwingenden Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG. Die Einführung einer unternehmensweit einheitlichen, elektronischen Personalaktenführung fällt in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats. [ 11 ] Die Regelung eines permanenten Zugriffs des Betriebsratsvorsitzenden auf die Personalakten oder ein Bewerbungsmanagementtool verstößt gegen § 75 Abs. 2 BetrVG und ist unwirksam. [ 12 ] Die wiederholte eigenmächtige Einsichtnahme in Personalakten kann den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat rechtfertigen. [ 13 ]

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3 Inhalt

Für die Bestimmung von Reichweite und Grenzen des Inhalts der Personalakte sind die divergierenden Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu berücksichtigen und gegeneinander abwägen. [ 14 ] Die Personalakte soll ein möglichst vollständiges, wahrheitsgemäßes und sorgfältiges Bild über die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers geben. [ 15 ] Deshalb gehören zum Inhalt einer Personalakte alle die Person eines Arbeitnehmers betreffenden Unterlagen, die mit dem Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers in einem sachlichen Zusammenhang stehen (z. B. Personenstand, Berufsbildung, berufliche Entwicklung, Fähigkeiten und Leistungen, Arbeitsunfälle, Krankheitszeiten, Urlaubsvertretungen, Abmahnungen, Betriebsbußen und Beurteilungen [ 16 ] ). Zu den Personalakten gehören ferner: alle Bewerbungsunterlagen, einschließlich graphologischer Gutachten, Ergebnisse von Eignungstests, schriftliche Auskünfte Dritter und ärztliche Gutachten [ 17 ] , allerdings nicht die dem Arbeitgeber nicht zugänglichen Unterlagen des Betriebsarztes. Gesundheitsdaten, aber auch Daten eines BEM-Verfahrens müssen vor unbefugter Einsichtnahme besonders gesichert sein und der zugriffsberechtigte Personenkreis muss klein gehalten werden – wie der Arbeitgeber dies sicherstellt, hat er dabei selbst zu entscheiden. [ 18 ] Bei der Entscheidung, welche Unterlagen in die Personalakten aufgenommen werden dürfen, hat eine Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denen des Arbeitnehmers an seinem Persönlichkeitsrecht stattzufinden (z. B. keine Aufnahme eines Strafurteils wegen außerdienstlicher Verfehlung, die nicht im Führungszeugnis aufgenommen wird). [ 19 ] Prozessakten sowie Akten der Betriebsratstätigkeit sind gesondert und nicht als Teil der Personalakten aufzubewahren und besonders gegen den Zugriff Unbefugter zu sichern.

Im Hinblick auf den Inhalt der Personalakten sind die datenschutzrechtlichen Grenzen nach den Vorgaben der DSGVO zu beachten [ 20 ] – insbesondere muss der Inhalt den dort festgeschriebenen Grundsätzen der Datensparsamkeit und der Erforderlichkeit für das konkrete Arbeitsverhältnis genügen.

Der Arbeitgeber ist befugt, die nicht mehr aufbewahrungswürdig erscheinenden Unterlagen zu vernichten. Er ist dazu verpflichtet, wenn das Arbeitsverhältnis beendet oder nicht zustande gekommen ist, die Personalakten auch Angaben über die Privat- und Intimsphäre enthalten und der Arbeitgeber kein berechtigtes Interesse mehr an der Aufbewahrung der Unterlagen hat. [ 21 ]

Abmahnungen betreffen die dienstlichen Verhältnisse. Sie sind deshalb grundsätzlich in der Personalakte zu verwahren.

[ 1 ]
[ 2 ]
[ 3 ]
[ 4 ]
[ 5 ]

Vgl. LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 15.11.2012, 4 Ta 15/12.

[ 6 ]
[ 7 ]
[ 8 ]
[ 9 ]

BAG, Urteil v. 16.10.2007, 9 AZR 110/07; LAG Düsseldorf, Urteil v. 14.3.2018, 7 Sa 464/17: Zulässigkeit der Führung von Nebenakten, kein Anspruch auf Führung einer einheitlichen Personalakte.

[ 10 ]
[ 11 ]
[ 12 ]

Ebd., sowie LAG Köln, Beschluss v. 15.5.2020, 9 TaBV 32/19; zum Auskunftsanspruch des Betriebsrats im Hinblick auf sensible Daten BAG, Beschluss v. 9.4.2019, 1 ABR 51/17.

[ 13 ]
[ 14 ]
[ 15 ]
[ 16 ]

Vgl. zur tariflichen Leistungsbeurteilung und deren Aufnahme in die Personalakte BAG, Urteil v. 18.5.2016, 10 AZR 183/15.

[ 17 ]
[ 18 ]
[ 19 ]
[ 20 ]

Zur Unanwendbarkeit von § 26 BDSG aufgrund der neuesten Rechtsprechung des EuGH s. unten Abschn. 7.

[ 21 ]
[ 22 ]
[ 23 ]
[ 24 ]
[ 25 ]

BAG, Urteil v. 16.11.2010, 9 AZR 573/09; BAG, Urteil v. 12.7.2016, 9 AZR 791/14; LAG Thüringen, Urteil v. 28.5.2014, 6 Sa 213/13.

[ 26 ]
[ 27 ]
[ 28 ]
[ 29 ]

§ 3 Abs. 5 TVöD.

[ 30 ]

LAG Thüringen, Urteil v. 28.5.2014, 6 Sa 213/13.

[ 31 ]

Vgl. zum Begriff § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG.

[ 32 ]
[ 33 ]
[ 34 ]

BAG, Urteil v. 16.11.2010, 9 AZR 573/09; LAG Thüringen, Urteil v. 28.5.2014, 6 Sa 213/13.

[ 35 ]
[ 36 ]

Str., anders LAG Thüringen, Urteil v. 28.5.2014, 6 Sa213/13: Einsichtnahme mit dem Anwalt des Arbeitnehmers in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers unter Ausschluss der Anwesenheit des Arbeitgebers bzw. seiner Vertreter.

[ 37 ]
[ 38 ]

§ 120 Abs. 2 und 4 BetrVG.

[ 39 ]

Vgl. dazu auch LAG Hamburg, Urteil v. 30.5.2013, 8 Sa 109/12: Herleitung auch aus § 611 (jetzt: § 611a i. V. m § 241 Abs. 2 BGB, so auch LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 22.8.2018, 7 Sa 71/18.

[ 40 ]
[ 41 ]
[ 42 ]
[ 43 ]
[ 44 ]
[ 45 ]
[ 46 ]
[ 47 ]
[ 48 ]

Art. 6 Abs. 1b DSGVO.

[ 49 ]

Art. 6 Abs. 1c DSGVO.

[ 50 ]

Art. 6 Abs. 1f DSGVO.

[ 51 ]
[ 52 ]

Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO.

[ 53 ]
[ 54 ]

Art. 13 und Art. 14 DSGVO.

[ 55 ]

§ 83 Abs. 1 BetrVG, vgl. oben; nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO besteht zusätzlich ein Anspruch auf Kopie der erhobenen Daten.

[ 56 ]

Art. 16 und Art. 17 DSGVO.

[ 57 ]

§ 83 Abs. 2 BetrVG, vgl. oben.

[ 58 ]

LAG Hessen, Urteil v. 10.6.2021, 9 Sa 861/20.

[ 59 ]

Art. 15 Abs. 3 DSGVO.

[ 60 ]

Art. 16 DSGVO.

[ 61 ]

Art. 17 DSGVO.

[ 62 ]

Art. 18 DSGVO.

[ 63 ]

Art. 19 DSGVO.

[ 64 ]

Art. 20 DSGVO.

[ 65 ]

Art. 21 DSGVO.

[ 66 ]

Zur diesbzgl. Unanwendbarkeit von § 26 BDSG EuGH, Urteil v. 30.3.2023, C-34/21.

[ 67 ]

§ 823 Abs. 1 BGB.

[ 68 ]
[ 69 ]