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LAG Düsseldorf Beschluss vom 14.11.2005 - 10 TaBV 46/05

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Ethikrichtlinie. Mitbestimmung, Gesamtbetriebsrat. Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats

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Leitsatz (amtlich)

1. Ethikrichtlinien einer US-amerikanischen Muttergesellschaft, die über die deutsche Arbeitgeberin in den Betrieben in Deutschland eingeführt werden, unterliegen dann der betrieblichen Mitbestimmung, wenn und soweit Mitbestimmungsrechte nach dem BetrVG berührt sind.

2. Führt die deutsche Arbeitgeberin diese Richtlinien deutschlandweit in ihren Betrieben ein, hat der Gesamtbetriebsrat das Mitbestimmungsrecht wahrzunehmen. Nach dem Selbstverständnis des Unternehmens kann die Ethikrichtlinie nur in allen Betrieben einheitlich eingeführt werden.

3. Ordnet die Arbeitgeberin an, dass ihr jeglicher Verstoß gegen die Ethikrichtlinie entweder über den Vorgesetzten, über eine anonyme Telefonhotline oder über ein Ethikbüro mitgeteilt werden muss, unterliegt dieses Verfahren der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Ob der Betriebsrat auch darüber mitbestimmen muss, bei welchen Verstößen eine Unterrichtung zu erfolgen hat, bleibt offen.

4. Bestimmt die Arbeitgeberin in der Ethikrichtlinie, dass die Arbeitnehmer von Lieferanten keine Geschenke und Zuwendungen entgegennehmen dürfen, hat der Gesamtbetriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, das auch die Frage umfasst, ob auch die gebräuchlichen Gelegenheitsgeschenke wie z.B. Kugelschreiber, einfacher Kalender, Feuerzeuge u.a. von diesem Verbot erfasst werden und wie sich der Arbeitnehmer insoweit verhalten soll.

5. Verbietet die Arbeitgeberin in der Ethikrichtlinie jegliche Belästigung von Mitarbeitern, ohne dass sich dieses Gebot ausschließlich auf sexuelle Belästigung beschränkt, unterliegt dieses Verbot der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats. Wird eine sexuelle Belästigung von einem Mitarbeiter nicht erkennbar abgelehnt, hat der Gesamtbetriebsrat jedenfalls bei den vorbeugenden Maßnahmen nach § 2 Abs. 1 BeschSchG ein Mitbestimmungsrecht. Es besteht kein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats bei der Anordnung der Arbeitgeberin, dass auf ihrem Betriebsgelände oder während der Arbeit ausnahmslos keine Gewalt ausgeübt oder angedroht wird.

6. Der Gesamtbetriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht im Hinblick auf die Anweisung in einer Ethikrichtlinie, die Mitarbeiter dürften nicht ohne Zustimmung der Arbeitgeberin Pressemitteilungen abgeben; es fehlt an dem für die Mitbestimmung notwendigen Regelungsspielraum.

7. Regelt die Ethikrichtlinie, dass nur berechtigte Personen Einblick in die Personal- und Krankenakte nehmen dürfen, besteht mangels Regelungsspielraum kein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats. Der Gesamtbetriebsrat kann nicht darüber mitentscheiden, wer Einblick nehmen darf.

8. Eine Ethikrichtlinie, die bestimmt, dass Mitarbeiter nicht mit jemandem ausgehen oder in eine Liebesbeziehung eingehen dürfen, der Einfluss auf die Arbeitsbedingungen nehmen kann oder deren Arbeitsbedingungen von der anderen Person beeinflusst werden können, verstößt gegen das Grundgesetz (Artikel 1 und 2 GG); sie ist unwirksam.

(Rechtsbeschwerde eingelegt beim BAG unter Aktenzeichen 1 ABR 1/06)

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Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1, § 50; GG Art. 1-2; BeschSchG § 2 Abs. 1

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Verfahrensgang

AG Wuppertal (Beschluss vom 15.06.2005; Aktenzeichen 5 BV 20/05)

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Tenor

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 15.06.2005 – 5 BV 20/05 – unter Zurückweisung im Übrigen dahingehend abgeändert, dass es wie folgt heißt:

1. Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung von bis zu 250.000,00 EUR (in Worten: zweihundertfünfzigtausend EURO) zu unterlassen, den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern i.S.d. § 5 BetrVG aufzugeben oder zu empfehlen, sich nach den nachfolgenden Abschnitten der ethischen Richtlinie des Verhaltenskodexes der Arbeitgeberin zu richten bzw. diese anzuwenden und/oder ein Poster mit einem Auszug oder einer inhaltlichen Zusammenfassung des Kodexes, der die nachfolgenden Abschnitte enthält, in den Räumlichkeiten der Betriebe der Arbeitgeberin auszuhängen oder sonst wie den Arbeitnehmern zugänglich zu machen bzw. die nachfolgenden Abschnitte des Verhaltenskodexes den Arbeitnehmern i.S.d. § 5 BetrVG gegenüber zur Anwendung zu bringen, ohne dass die Zustimmung des Gesamtbetriebsrates hier zu vorliegt oder durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist:

Abschnitt „Verantwortung der Mitarbeiter”, Seite 3 des Kodexes, vierter Spiegelstrich von oben (Bl. 16 d.A.)

gesamter Abschnitt „Wie Sie ethische Anliegen vorbringen” (Seite 5 des Kodexes, Bl. 18 d.A.)

gesamter Abschnitt „Geschenke und Zuwendung” (Seite 9 des Kodexes, Bl. 22 d.A.)

gesamter Abschnitt „Belästigung und unangemessenes Verhalten” (Seite 14, 15 des Kodexes, Bl. 27, 28 d.A.) mit Ausnahme des Satzes: „Außerdem toleriert X.-N. keine Gewalt und Androhung von Gewalt auf X.-N.-Gelände oder in Ausübung der Tätigkeit bei X.-N.”

5. Spiegelstrich des als Anlage AG 1 (Bl. 91 d.A.) zu den Akten gereichten Posters (Geschenke bzw. Gratifikationen dürfen nicht angenommen werden)

Der Absatz „Falls Sie Fragen haben…[bis] werden anonym und vertraulich behandelt” des als Anlage AG 1 (Bl. 91 d.A.) zu den Akten gereichten Posters.

2. Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung von bis zu 250.000,00 EUR (in Worten: zweihundertfünfzigtausend EURO) zu unterlassen, die Telefonhotlinie für globale Unternehmensethik (0000-000-0000) zu betreiben, ohne dass die Zustimmung des Gesamtbetriebsrates hierzu vorliegt oder durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist.

3. Die Rechtsbeschwerde wird für die Arbeitgeberin als auch für den Gesamtbetriebsrat zugelassen.

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Tatbestand

A.

Die Arbeitgeberin, die Firma X.-N. (nachfolgend: Arbeitgeberin), ist ein Handelsunternehmen mit in Deutschland z.Zt. 74 Filialen mit ca. 10.500 Arbeitnehmern. Der Antragsteller des Beschlussverfahrens ist der dort gebildete Gesamtbetriebsrat (nachfolgend: Gesamtbetriebsrat).

Die Firma X.-N. ist ein deutsches Tochterunternehmen der US-amerikanischen Firma X.-N.-Stores, Inc., die an der New York Stock Exchange gelistet ist. Nach Sec. 303 A Ziff. 10 des New York Stock Exchange's Listed Company Manuals sind die ihr unterfallenden Unternehmen zur Einführung und Veröffentlichung eines „Code of business conduct and ethics” verpflichtet, der Regelungen zur Verhinderung von und zum Umgang mit Interessenkonflikten, zur Verschwiegenheit, zu lauterem und fairem Geschäftsgebaren, zum Schutz von Unternehmenseigentum, zur Verpflichtung der Mitarbeiter zu gesetzeskonformen Verhalten und zur Ermutigung der Mitarbeiter, Gesetzesverstöße und Verstöße gegen den Kodex zu melden, enthält. Die Usamerikanische Muttergesellschaft hat daher für alle weltweit bei ihr beschäftigten Mitarbeiter einen Verhaltenskodex erarbeitet, der sodann in die deutsche Sprache übersetzt wurde. Der insgesamt 28-seitige Verhaltenskodex enthält Regelungen über das Verhalten der Mitarbeiter untereinander, Verantwortung gegenüber Unternehmen und Aktionären, Verantwortung gegenüber Lieferanten, Wettbewerbern, Kunden, Gemeinden und Behörden sowie Verantwortung hinsichtlich internationaler Geschäftspraktiken. Diese Ethikrichtlinie wurde von der Arbeitgeberin in die „X.-N.-Pipeline” und damit ins Internet eingestellt.

In diesem Kodex ist, soweit für das Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung, u.a. geregelt.

Seite 3 vierter Spiegelstrich von oben der Richtlinie:

Verantwortung der Mitarbeiter

Sie müssen die Möglichkeiten kennen, ethische Bedenken vorzubringen. Sie können sie bei einem X.-N.-Vorgesetzten vorbringen, oder sofern Sie dies vorziehen, durch eine vertraulich arbeitende, anonyme Hotline oder durch direkten Kontakt mit dem Ehtik-Büro. Die Möglichkeiten, Bedenken vorzubringen sind unten detailliert beschrieben. Wenn Sie ethische Bedenken vorbringen, aber das Anliegen nicht gelöst wird, sollten Sie es durch eine andere Stelle erneut vorbringen.

Seite 5 der Richtlinie:

Wenn Sie ein ethisches Anliegen haben

Eine der wichtigsten Aufgaben eines X.-N. Mitarbeiters ist die Verpflichtung, ein Anliegen über eine mögliche Verletzung der X.-N.-Richtlinie oder der Gesetze vorzubringen. Wenn Sie dieses Anliegen nicht vorbringen möchten, sollten Sie bedenken, dass es unserem Unternehmen und den Mitarbeitern schaden könnte, wenn wir Anliegen zur Ethik oder Richtlinien nicht vorbringen. Tatsächlich sind unsere Mitarbeiter verpflichtet, jede bekannte oder vermutete Verletzung der Gesetze, gültigen Bestimmungen, dieser Unternehmensethik oder einer X.-N. Richtlinie mitzuteilen.

Wie Sie ethische Anliegen vorbringen

Sie können ethische Anliegen oder mögliche Verletzungen dieser Unternehmensethik oder anderer X.-N. Richtlinien gemäß den nachfolgenden Methoden vorbringen:

Nutzen Sie die Politik der Offenen Tür. Die Offene Tür ist der direkteste Weg, ein Anliegen dem Vorgesetzten zu melden. Wenn Sie denken, Ihr direkter Vorgesetzter ist bei diesem Fehlverhalten beteiligt, bringen Sie das Fehlverhalten der nächst höheren Stelle vor, von der Sie annehmen, dass diese nicht involviert ist oder nutzen Sie einen der unten genannten Kanäle.

– oder –

Kontaktieren Sie das Ethik-Büro.

Telephon. X.-N. hat eine Ethik-Hotline, die es Ihnen ermöglicht, jegliche Verstöße auf einer vertraulichen und anonymen Basis vorzubringen.

Vereinigte Staaten, Kanada oder Puerto Rico: 0-000-X. ETHIC (0-000-000-0000).

Andere Länder: kostenlose Nummern, die in jedem Land bekannt gemacht wird.

E-Mail. Ethics@.

Postweg. X.-N. Stores, Inc.

Attn. Ethics Office

000 SW 0 th Street

C., AR 00000-0000.

Jeder Angestellter, der in gutem Glauben über eine Missachtung berichtet, braucht für diesen Bereich keinen negativen Konsequenzen zu fürchten.

Seite 9 der Richtlinie:

Geschenke und Zuwendungen

Es ist Ihnen nicht erlaubt, von einem Lieferanten, potentiellen Lieferanten oder einer anderen Person, von der Sie annehmen, dass diese Person dadurch Einfluss auf eine Geschäftsentscheidung oder Transaktion, bei der X.-N. involviert ist, gewinnen möchte, Geschenke und Zuwendungen zu fördern, anzufragen oder anzunehmen. Das gleiche gilt für die Abteilungen. Lieferanten dürfen X.-N. keine Gegenstände schenken, um damit Geldmittel für karitative Zwecke oder gemeinnützige Organisationen zu erhalten. Mitarbeiter dürfen auch keine Geschenke oder Zuwendungen von einem Kunden für Arbeiten annehmen, die der Mitarbeiter in einem Store erledigt hat, es sei denn, die regionale oder Nationale Richtlinie gestattet dies.

Beispiele für Geschenke oder Zuwendungen sind:

„kostenlose Waren”

Tickets für Sport- oder Unterhaltungsveranstaltungen Schmiergelder in Form von Geld oder Ware abgelaufene oder nicht länger genutzte Muster vom Lieferanten gezahlte Reisen Alkohol oder Lebensmittel/Essen Trinkgelder Persönliche Dienstleistungen oder Gefallen

Zu BEACHTEN:

Jedes Geschenk oder Zuwendung von einem Lieferanten muss unter Angabe dieser Richtlinie zurückgegeben werden.

Sofern Rückgabe unmöglich ist, geht das Geschenk in das Eigentum von X.-X. über.

Jedes Angebot über ein Geschenk oder eine Zuwendung ist dem Vorgesetzten zu melden.

Seite 13 der Richtlinie:

Pressemitteilungen

Es ist Ihnen ohne vorherige Zustimmung durch die Abteilung Unternehmenskommunikation (und bzgl. Aussagen mit finanziellem Inhalt durch die Finanzabteilung) nicht gestattet, im Namen von X.-N. Aussagen (schriftlich oder mündlich) gegenüber der Presse, Zeitungen oder anderen Quellen zu machen. Für weitere Informationen lesen Sie bitte die Richtlinie X.-N. Publik Relations, CA-10.

ZU BEACHTEN!

. Verweisen Sie bei Anfragen nach einer Mitteilung im Namen von X.-N. stets an die Abteilung Unternehmenskommunikation.

. Machen Sie keine Aussagen zu Anfragen ohne vorherige Zustimmung durch die Abteilung Unternehmenskommunikation.

Seite 14 der Richtlinie:

Belästigung und unangemessenes Verhalten

Belästigung jeder Art gegenüber Kollegen, Lieferanten, Kunden oder jeder anderen Person, die mit X.-N. in Geschäftsbeziehung steht, werden nicht toleriert. Belästigung ist großzügig definiert und schließt Verhalten ein, das eine negative Auswirkung auf die Arbeitsleistung hat, die Würde einer Person herabsetzt oder eine einschüchternde, feindliche oder anderweitig agressive Arbeitsumgebung schafft.

Verbale Äußerungen, Gesten und Blicke sowie körperliche Handlungen sexueller Natur gehören nicht an den Arbeitsplatz und können rechtswidrige sexuelle Belästigung darstellen. Beispiele sind hierfür:

Sexuelle Annäherung, Bitten um sexuelle Gefälligkeiten, Gossensprache, zweideutige Witze, Bemerkungen über den Körper oder die sexuellen Aktivitäten einer Person;

Zur Schaustellung von sexuell suggestiven Bildern oder Dingen, lüsterne oder anzügliche Blicke oder als sexuell deutbare Kommunikation jeder Art; oder

Unangemessenes Anfassen.

Außerdem toleriert X.-N. keine Gewalt oder Androhung von Gewalt auf X.-N.-Gelände oder in Ausübung der Tätigkeit bei X.-N..

ZU BEACHTEN!

Machen Sie keine beleidigenden oder beschimpfenden Bemerkungen. Wenn Ihre Kommentare oder Witze jemand anderen beleidigen, kann dies als Belästigung angesehen werden.

  • Wenn Sie durch die Wortwahl einer Person aufgebracht sind, sprechen Sie sie an. Erklären Sie warum die Bemerkung Sie getroffen hat und bitten Sie sie, dies zu unterlassen.
  • Vermeiden Sie Witze oder Kommentare, verwenden Sie keine Spitznamen, wenn Sie nicht sicher sind, ob diese korrekt sind.
  • Keine sexuellen Annäherungen gegenüber einem Kollegen oder einer anderen Person, mit der Sie zusammenarbeiten.
  • Bevorzugen Sie niemanden bei Leistungsbewertungen oder bei sonstigen Handlungen, weil Sie in persönlicher Beziehung zu dieser Person stehen.
  • Geben Sie unverzüglich Bericht über jede Art von Belästigung oder unangemessenes Verhalten.

Für weitere Informationen lesen Sie bitte die Richtlinie Belästigung/unangemessenes Verhalten, PD-19, und die Richtlinie Gewalt am Arbeitsplatz, PD 48, oder die entsprechenden nationalen oder regionalen Richtlinien.

Seite 16,17 der Richtlinie:

Privatsphäre

X.-N. schützt die Privatsphäre von Mitarbeitern gemäß den gültigen Gesetzen. Nur berechtigte Mitarbeiter und solche mit einem betrieblich-begründetem Anliegen sind berechtigt, die Personal- und Krankenakten des Unternehmens einzusehen. Personal- und Krankenakten sollten nur Informationen in Bezug auf das Arbeitsverhältnis enthalten. Alle Daten im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis und Kündigung sind vertraulich. Anfragen Dritter sind an die Rechtsabteilung weiterzuleiten.

X.-N. schützt auch persönliche Informationen, die wir über einzelne Kunden haben. Sie haben X.-N. Gepflogenheiten und Vorgehensweisen zu beachten, um die Vertraulichkeit der Informationen zu bewahren.

Seite 17 der Richtlinie: Private Beziehungen/Liebesbeziehungen

Von X.-N.-Mitarbeitern wird ein Verhalten verlangt, das Respekt, Vertrauen, Sicherheit und Effizenz am Arbeitsplatz fördert. Sie dürfen nicht mit Jemanden ausgehen oder in eine Liebesbeziehung mit Jemanden treten, wenn Sie die Arbeitsbedingungen dieser Person beeinflussen können, oder der Mitarbeiter Ihre Arbeitsbedingungen beeinflussen kann.

Beispiele für unerlaubtes Verhalten finden Sie in der Richtlinie Private Beziehungen/Liebesbeziehungen, PD-22, oder in der entsprechenden nationalen oder regionalen Richtlinie.

Seite 17 der Richtlinie:

Alkohol- und Drogenmissbrauch

X.-N. setzt sich für eine Drogen- und Alkoholfreie Arbeitsumgebung ein und hat eine strenge Richtlinie zu Alkohol- und Drogenmissbrauch.

Sofern gesetzlich erlaubt, verlangt X.-N. von allen Bewerbern für einen Arbeitsplatz als Teil des Einstellungsprozesses einen Drogentest. Jeder Bewerber, der positiv auf Drogen getestet wird, wird nicht angestellt. Sofern gesetzlich zulässig, wird von Ihnen ein Drogentest verlangt, wenn Beförderung in eine Managementposition ansteht, nach Arbeitsunfällen oder sofern ein begründeter Verdacht besteht, dass Sie unter Drogen stehen.

ZU BEACHTEN!

Suchen Sie professionelle Hilfe, wenn Sie eine Abhängigkeit feststellen, bevor dies negative Auswirkungen auf Ihre persönliche und berufliche Situation hat.

Für weitere Informationen lesen Sie bitte die Richtlinie Alkohol- und Drogenmissbrauch, PD-16, oder die entsprechende nationale oder regionale Richtlinie.

Mit den Lohnabrechnungen für den Monat Februar 2005 wurde den Arbeitnehmern eine vierseitige Zusammenfassung des moralischen Verhaltens bei X.-N. zugesandt. Zudem erhielten die Store-Manager von der Arbeitgeberin ein Ethikposter, welches am schwarzen Brett sowie im Personalbreich permanent zum Aushang kommt. Dort heißt es auszugsweise:

  • Alle Mitarbeiter müssen die bestehenden Gesetze beachten
  • Mitarbeiter müssen entsprechend ihrer geleisteten Arbeit vergütet werden
  • Geschenke bzw. Gratifikationen dürfen nicht angenommen werden
  • Unangemessenes Verhalten am Arbeitsplatz wird nicht geduldet.

Außerdem richtete die Arbeitgeberin entsprechend der X.-N.-Ethikrichtlinie eine Telefonhotline ein, bei der die Mitarbeiter anonym Verstöße gegen den Verhaltenskodex melden können und sollen. In der den Mitarbeitern ausgehändigten Zusammenfassung und auf dem Poster heißt es:

Falls Sie Fragen haben oder einen potenziellen Verstoß gegen die Richtlinie melden möchten:

  1. Nutzen Sie den Grundsatz der Offenen Tür bzw.
  2. Rufen Sie die eigens dafür eingerichtete Telefonhotline für Globale Unternehmensethik an.

Tel.: 0000-000-0000

E-Mail:ethics@.com

(alle Angaben werden anonym und vertraulich behandelt)

Der Gesamtbetriebsrat hat im ersten Rechtszug die Meinung vertreten, der Verhaltenskodex unterliege insgesamt seinem Mitbestimmungsrecht, jedenfalls habe er bei einer Vielzahl von Einzelregelungen des Verhaltenskodexes ein Mitbestimmungsrecht.

Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt,

  1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung von bis zu 250.000,00 EUR (i.W. Euro zweihundertfünfzigtausend) zu unterlassen, den Mitarbeitern aufzugeben oder zu empfehlen, sich nach den ethischen Richtlinien des Verhaltenskodexes der Arbeitgeberin zu richten bzw. diese anzuwenden und/oder ein Poster mit einem Auszug oder einer inhaltlichen Zusammenfassung des Kodexes in den Räumlichkeiten der Betriebe der Arbeitgeberin auszuhängen oder sonst wie Mitarbeitern zugänglich zu machen bzw. den Verhaltenskodex den Mitarbeitern gegenüber zur Anwendung zu bringen, ohne dass die Zustimmung des Gesamtbetriebsrats hierzu vorliegt oder durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist,
  2. der Arbeitgeberin aufzugeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung von bis zu 250.000,00 EUR (i.W. Euro zweihundertfünfzigtausend) zu unterlassen, die Telefonhotline für Globale Unternehmensethik (0000-000-0000) zu betreiben, ohne dass die Zustimmung des Gesamtbetriebsrats hierzu vorliegt oder durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist.

Die Arbeitgeberin hat die Zurückweisung der Anträge beantragt und zur Begründung ausgeführt, dass die Unternehmensethik lediglich eine Einführung in Prinzipien und Richtlinien vorgebe, die den Mitarbeitern dabei behilflich sein solle, selbst zu entscheiden, was bei Fragen oder Problemen zu tun sei. Die Mitarbeiter würden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie letztlich gehalten seien, sich auf ihr eigenes Urteil und Gespür für ethisches Verhalten zu verlassen, um sicherzustellen, dass sie jeweils das Richtige tun. Die Zusammenfassung der Unternehmensethik enthalte daher zunächst nur stark abstrahierte Vorstellungen vom Verhalten der Mitarbeiter. Ein Mitbestimmungsrecht sei nur dann betroffen, wenn verbindliche Verhaltensregeln für die Arbeitnehmer normiert würden. Bei dem Verhaltenskodex fehle es aber an einer ausreichenden Konkretisierung, die die angegriffenen Aussagen überhaupt zu einer verbindlichen Verhaltensregelung machen könnten. Im Übrigen verweise die Unternehmensethik an vielen Stellen ausschließlich auf eine ohnehin bestehende nationale, gesetzliche Regelung.

Insofern sei ein Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen. Weiterhin weise eine Vielzahl der Klauseln einen konkreten Arbeitsbezug auf. Auch insoweit scheide ein Mitbestimmungsrecht aus.

Hinsichtlich der Einrichtung einer Telefonhotline für Globale Unternehmensethik hat die Arbeitgeberin vorgetragen, dass dies eine zulässige Konkretisierung einer dem Arbeitnehmer obliegenden Nebenpflicht zur Schadensabwehr darstelle. Aus dem Gesichtspunkt der arbeitsvertraglichen Treuepflicht werde eine Pflicht des Arbeitnehmers gefolgert, ihm bekannt gewordene Informationen über einen möglichen Schaden an den Arbeitgeber weiterzuleiten.

Das Arbeitsgericht Wuppertal hat durch Beschluss vom 15.06.2005 dem Antrag des Gesamtbetriebsrats in insgesamt 10 Punkten stattgegeben und zwar bei den zitierten Abschnitten des Verhaltenskodexes auf den Seiten 3,5,9,13,14,16,17 und hinsichtlich des Punktes auf dem Poster „Geschenke bzw. Gratifikationen dürfen nicht angenommen werden” und dem dortigen Absatz „Falls Sie Fragen haben … (bis) werden anonym und vertraulich behandelt”. In weiteren 11 Punkten hat das Arbeitsgericht den Antrag des Gesamtbetriebsrates zurückgewiesen. Es hat der Arbeitgeberin aufgegeben, unter Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung in Höhe von bis zu 250.000 EUR in den 10 Punkten den Verhaltenskodex gegenüber Arbeitnehmern i.S. des § 5 BetrVG ohne Zustimmung des Gesamtbetriebsrats bzw. Spruch der Einigungsstelle auszuhängen oder sonst wie den Arbeitnehmern zugänglich zu machen. Außerdem hat das Erstgericht der Arbeitgeberin unter Androhung von Ordnungsgeld untersagt, die Telefonhotline für globale Unternehmensethik ohne Zustimmung des Gesamtbetriebsrats bzw. der Einigungsstelle zu betreiben.

Gegen diesen Beschluss hat sich die Arbeitgeberin mit ihrer Beschwerde gewandt. Sie meint, der Gesamtbetriebsrat sei nicht zuständig. Der Verhaltenskodex unterliege insgesamt nicht der Mitbestimmung. Der Gesamtbetriebsrat verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Im zweitinstanzlichen Kammertermin hat sich die Arbeitgeberin in einem Teilvergleich verpflichtet, den auf Seite 17 der Richtlinie genannten Punkt „Alkohol- und Drogenmissbrauch” nur unter Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats/Gesamtbetriebsrats einzuführen.