LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 18.08.2016 - 5 Sa 61/16
Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsplatzschikane durch “Mobbing„. Unbegründete Schadensersatz- und Schmerzensgeldklage einer Altenpflegerin bei unzureichenden Darlegungen zur als “Mobbing„ zu bewertenden Mehrarbeit und Eignungsbeurteilung
Leitsatz (redaktionell)
1. “Mobbing„ ist kein Rechtsbegriff und damit auch keine mit einer Rechtsnorm vergleichbare selbständige Anspruchsgrundlage für Ansprüche einer Arbeitnehmerin gegen ihre Arbeitgeberin oder gegen Vorgesetzte oder Arbeitskollegen; macht eine Arbeitnehmerin konkrete Ansprüche wegen “Mobbings„ geltend, muss jeweils geprüft werden, ob in den von der Arbeitnehmerin genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz gemäß § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB begangen worden ist.
2. Die Darlegungs- und Beweislast für Handlungen, aus denen die Arbeitnehmerin Schmerzensgeld- und materielle Schadensersatzansprüche herleitet, trägt sie selbst als Klägerin; die Anforderungen an die Darlegungslast für Überstunden werden nicht dadurch geringer, dass die Arbeitnehmerin anstelle einer Vergütungsklage im Überstundenprozess wegen “überobligatorischer„ Mehrarbeit Mobbingvorwürfe erhebt und ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro verlangt, das ihr Jahreseinkommen erheblich übersteigt.
3. Eine unbestimmte Aussicht oder eine bloße Hoffnung auf Erlangung einer leitenden Position ist nicht geschützt; der Umstand, dass eine Vorgesetzte die Arbeitnehmerin für noch nicht geeignet hält, Leitungsaufgaben zu meistern, begründet keinen Mobbingvorwurf.
4. Im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen sind grundsätzlich nicht geeignet, die Tatbestandsvoraussetzungen einer Vertragspflichtverletzung oder einer unerlaubten Handlung zu erfüllen.
Normenkette
BGB § 253 Abs. 2, § 823 Abs. 1; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; EMRK Art. 8; BGB § 823 Abs. 2, § 826
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17. Dezember 2015, Az. 2 Ca 2094/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche wegen Mobbings.
Die Beklagte unterhält an den Standorten A-Stadt und K. zwei stationäre Altenpflegeheime sowie einen ambulanten Pflegedienst. Die 1986 geborene Klägerin wurde ab 15.08.2012 als examinierte Altenpflegerin zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 2.513,50 eingestellt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag heißt es ua:
"§ 1 Beginn und Art der Tätigkeit
1. Die Mitarbeiterin wird ab 15.08.2012 als ex. Altenpflegerin im Seniorenzentrum Villa am B. K. zu Hause eingestellt.
2. ...
3. Der Arbeitgeber behält sich vor, der Mitarbeiterin auch andere, ihrer Vorbildung und ihrer Fähigkeit entsprechende, gleichwertige und zumutbare Aufgaben zu übertragen oder sie an einem anderen Arbeitsplatz oder Tätigkeitsort zu versetzen, soweit dies unter Berücksichtigung ihrer Interessen zumutbar ist. ...
§ 2 Arbeitszeit
1. Die Parteien vereinbaren eine Mindestarbeitszeit von 40 Stunden die Woche. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit richten sich nach der allgemeinen betrieblichen Arbeitszeitregelung bzw. der Weisung des Arbeitgebers. Die Mitarbeiterin verpflichtet sich zu flexiblen Arbeitszeiten, wenn betriebliche Belange dies erfordern.
2. Darüber hinaus vereinbaren die Parteien eine Arbeit auf Abruf gemäß § 12 TzBfG in Höhe von maximal 10 Stunden pro Woche. Wird die Arbeit auf Abruf vom Arbeitgeber in Anspruch genommen, wird sie vergütet. Ansonsten bleibt es bei der Vergütung der Mindestarbeitszeit.
3. Die Mitarbeiterin ist verpflichtet, soweit dies betrieblich notwendig ist, auch über die Arbeit auf Abruf hinaus, Mehrarbeit und Überarbeit sowie Nachtschicht, Sonn- und Feiertagsarbeit im gesetzlich zulässigen Umfang zu leisten.
§ 3 Vergütung
1. Der Arbeitgeber zahlt der Mitarbeiterin eine Grundvergütung von € 2.340,00.
...
4. Mehr- und Überarbeit wird vorrangig durch Freizeit ausgeglichen.
..."
Die Klägerin war vom 13.12.2013 bis 13.02.2014 wegen einer akuten psychovegetativen Erschöpfung arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 16.04.2014 ist sie ununterbrochen arbeitsunfähig. Ihr Hausarzt diagnostizierte eine kombinierte Angst- und Depressionserkrankung, die Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie eine Anpassungsstörung (ICD F43.2). Die gesetzliche Rentenversicherung gewährte der Klägerin in der Zeit vom 25.11. bis 30.12.2014 eine stationäre medizinische Rehabilitation in einer Fachklinik. Die Klägerin wurde arbeitsunfähig entlassen. Sie bezog nach eigenen Angaben ab 27.04.2014 Krankengeld; seit dem 14.09.2015 wird ihr Arbeitslosengeld gewährt.
Mit ihrer am 26.06.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt sie von der Beklagten wegen Mobbings ein Schmerzensgeld iHv. mindestens € 50.000,00, die Differenzbeträge zwischen Krankengeld und regulärer Monatsvergütung als Verdienstausfallschaden sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche künftige Schäden. Von einer Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 17.12.2015 Bezug genommen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, ihr ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von € 50.000,00 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung jedoch nicht unterschreiten sollte,
- die Beklagte zu verurteilen, ihr die Differenz zwischen den erhaltenen Krankenbezügen während der Arbeitsunfähigkeit vom 13.12.2013 bis 13.02.2014 und ab dem 16.04.2014 und der regulären Monatsvergütung zu zahlen,
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aufgrund der von der Beklagten verursachten Schädigung ihrer Gesundheit entstehen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 17.12.2015 abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, es sei schon fraglich, ob der Klageantrag zu 1) iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt sei; der Antrag sei jedenfalls unbegründet. Die Klägerin habe eine kausale Gesundheitsschädigung durch die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Es sei unklar, was angesichts der konstitutionell labilen wie umgebungsbedingt zusätzlich geschwächten psychovegetativen Grundsituation der Klägerin noch und gerade arbeitgeberbedingt gesundheitsschädigend gewirkt haben soll. Im Übrigen sei eine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin nicht zu erkennen. Der Klageantrag zu 2) sei als unbezifferter Zahlungsantrag unzulässig. Auch der Klageantrag zu 3) auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden sei unzulässig. Die Klägerin hätte wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit des (weiteren) Schadenseintritts dartun müssen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts vom 17.12.2015 Bezug genommen.
Gegen das am 15.01.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 15.02.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 15.04.2016 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 15.04.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Sie macht geltend, ihr Klageantrag zu 1) sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 ZPO. Die zur Bemessung des Schmerzensgeldes wesentlichen Faktoren ergäben sich bereits aus dem erstinstanzlich dargelegten Sachverhalt. Ergänzend sei vorzutragen, dass sie zumindest über einen Zeitraum von zwei Jahren unter massiven psychischen und physischen Störungen gelitten habe. Diese führten zu erheblichen Auswirkungen auf ihr Sozialverhalten, ua. auf ihre private Beziehung zu ihrem damaligen Lebensgefährten. Es hätten sich Kontaktängste und Rückzugstendenzen gezeigt, ihr Sozialleben sei praktisch zum Erliegen gekommen. Sie habe sich im gesamten Zeitraum in laufender ärztlicher Behandlung befunden und auch eine Reha-Maßnahme durchführen müssen. Darüber hinaus sei auch von einer Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts auszugehen. Für jede der Positionen sei aufgrund der schwerwiegenden Folgen ein Betrag iHv. € 25.000,00 angemessen. Der Klageantrag zu 1) sei auch begründet. Entgegen der Wertung des Arbeitsgerichts seien ihre Krankheitsbehauptungen hinreichend substantiiert, insb. liege kein Widerspruch in den angeführten Arbeitsunfähigkeiten. Sie leide unter folgenden Erkrankungen:
- phobische Verarbeitung der Arbeitsplatzsituation
- Angst und depressive Störung
- Kontaktanlässe mit Bezug auf das Berufsleben
- schwere depressive Episode
- Kontaktanlässe mit Bezug auf Kindheitserlebnisse
Die Wertung des Arbeitsgerichts, dass sich eine akute Stirnhöhlenentzündung am 20.01.2014 mit den übrigen Diagnosen nicht vertrage, sei unzutreffend. Aus dem Kontext der Klageschrift sei klar ersichtlich, dass diese Erkrankung nicht in Bezug zu ihrer arbeitsplatzbedingten Erkrankung stehe, sondern lediglich einen einzelnen Vorfall thematisieren, bei dem sie aufgrund ihres Äußeren hierauf angesprochen worden sei. In sämtlichen medizinischen Unterlagen werde stringent auf eine psychische Erkrankung aufgrund der Arbeitsplatzsituation hingewiesen. Ohne die Belastungen am Arbeitsplatz wäre aufgrund der übrigen Gesundheitsbeeinträchtigungen keine Arbeitsunfähigkeit eingetreten. Insoweit habe das Arbeitsgericht auch die ärztliche Bescheinigung vom 21.11.2014 unzutreffend gewertet. Die Bescheinigung zeige auf, dass seit 13.12.2013 aufgrund einer akuten psychovegetativen Erschöpfung auf dem Boden einer beruflichen Überlastung eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe.
Die Beklagte habe ihr eine überobligatorische Arbeitsmenge zugewiesen. In den Monaten Juni und Juli 2013 habe sie ihre Vorgesetzte, Frau M., vertreten müssen. In der Vertretungszeit habe sich ihre Arbeitsbelastung nochmals gesteigert, das Arbeitsvolumen sei schlichtweg nicht zu erledigen gewesen. Anfang August 2013 habe Frau M. gerügt, dass sie ihren Aufgaben in der Vertretungszeit nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei; sie habe wohl die ihr nicht genehmen Aufgaben nicht erledigt. Auf Nachfrage habe Frau M. keine konkreten Angaben gemacht. Dieses Verhalten einer Vorgesetzten - nach einem überobligatorischen Arbeitseinsatz - stelle, insb. vor dem Hintergrund einer fehlenden Darlegung des vermeintlich korrekten Alternativverhaltens, eine Missachtung von Arbeitsergebnissen dar. Entgegen der Wertung des Arbeitsgerichts habe sie das Vorbringen der Beklagten zu ihren angeblichen Minusstunden in den Monaten Juni und Juli 2013 pauschal bestreiten dürfen. Sie habe keine Minusstunden, insb. nicht in den Monaten Juni und Juli 2013 erbracht. Die diesbezügliche Behauptung der Beklagten erfolge "ins Blaue" hinein. Tatsächlich habe sie regelmäßig unbezahlte Überstunden geleistet und insb. Verwaltungsaufgaben in ihrer Freizeit erledigt.
Entgegen der Wertung des Arbeitsgerichts sei sie während ihrer Tätigkeit am Standort K. einem ausgrenzenden Kommunikationsverhalten der Frau Sch. ausgesetzt gewesen. Es habe durchgehend ein zwingend notwendiger Kommunikationsbedarf mit Frau Sch. bestanden. Das Arbeitsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass die zwei Abteilungen (ambulanter Pflegedienst und stationäre Pflegeeinrichtung) organisatorisch strikt getrennt seien. Tatsächlich sei der Personaleinsatz auch abteilungsübergreifend erfolgt. So sei sie wegen Fachkräftemangels mehrmals, ua. am 23.10.2013, auch im Pflegeheim auf der Station eingesetzt worden.
Ende Oktober 2013 habe ihr die Mitarbeiterin Ma. mitgeteilt, dass sie [die Klägerin] von Frau M. und Herrn S. in einem Gespräch deutlich kritisiert worden sei. Es sei beanstandet worden, dass sie "Dinge einfordere und Ansprüche stelle". Es sei auffällig, dass ihr Frau M. ab Oktober 2013 immer weniger betriebliche Aufgaben zugewiesen habe, stattdessen habe sie wieder vermehrt Einsätze abgeleistet. Zu dieser Zeit sei ihr auch aufgefallen, dass Arbeitskolleginnen ihr gegenüber auf Distanz gegangen seien. So habe ihr bspw. die Mitarbeiterin X. Ende Oktober 2013 erklärt, weil es ständig Meinungsverschiedenheiten zwischen ihr und Frau M. gebe, habe sie wohl keine andere Möglichkeit, als das Unternehmen zu verlassen. Durch die arbeitsplatzmäßige Belastungssituation habe sie sich erschöpft gefühlt und am 07.11.2013 in ärztliche Behandlung begeben. Der Arzt habe eine Depression aufgrund einer Arbeitsplatzbelastung diagnostiziert. Sie habe jedoch auf die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verzichtet, weil sie versucht habe, sich "zusammenzureißen". Im Dezember 2013 habe sie Kenntnis davon erlangt, dass im Betrieb durch Vorgesetzte verbreitet worden sei, sie sei "gefährlich". Am 17.01.2014, also während ihrer Arbeitsunfähigkeit, sei sie von Frau M. in deren Büro bestellt worden. Frau M. habe ihr bekannt gegeben, dass sie aufgrund der Erkrankung, die Leitung nicht bekäme. Außerdem sei sie für eine leitende Funktion nicht erwachsen und reif genug. Die ihr übertragenen Aufgaben sowohl in K. als auch in A-Stadt müsse sie jedoch auch weiterhin verrichten. Am 21.01.2014 habe Frau Sch. gegenüber Frau G.-K. in Bezug auf ihre Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung geäußert: "Die hat dabei nichts zu suchen, die hat keine leitende Funktion und nichts zu sagen". Nach Beendigung ihrer Arbeitsunfähigkeit habe sie bemerkt, dass sich ihre Arbeitskollegen immer weiter von ihr distanzierten. Ihr sei von Arbeitskollegen zugetragen worden, man habe ihnen bedeutet, nicht mit ihr in Kontakt zu treten, "das wäre nicht gut für sie". Ebenfalls in dieser Zeit habe ihr die Arbeitskollegin S. eine Nachricht mit dem Inhalt geschrieben: "P3 haben dich im Visier und vertrauen dir nicht mehr".
Bei Betrachtung des Gesamtkomplexes zeige sich, dass sie systematisch schikaniert worden sei. Ihr seien im Laufe der Jahre 2012 und 2013 mit der Inaussichtstellung einer leitenden Tätigkeit immer mehr Aufgaben übertragen worden, die sie bei objektiver Betrachtung nicht hätte erfüllen können. Weil am Standort K. ab September 2013 ein dringender Personalbedarf bestanden habe, sei ihr dort eine leitende Position angetragen worden, ohne ihr in tatsächlicher Hinsicht die entsprechenden Kompetenzen zu übertragen. Ihr sei, wohl um sie zu einem überobligatorischen Einsatz anzuhalten, etwas in Aussicht gestellt worden, was die Beklagte ohnehin nie umsetzen wollte. Dies werde daran deutlich, dass sie zwar einerseits für den reibungslosen Ablauf des ihr übertragenen Bereichs verantwortlich gemacht worden sei, ihr andererseits jedoch die betrieblichen Mittel vorenthalten worden seien, das Ziel zu erreichen. Von ihr aufgestellte Dienstpläne seien von Frau Sch. ignoriert worden, gleichzeitig sei der Arbeitskollegin G.-K. untersagt worden, sie zu unterstützen. Spätestens mit der Verbreitung der Behauptung im Kollegenkreis, sie sei "gefährlich" sei die Grenze zu einer schweren Verletzung des Persönlichkeitsrechts überschritten. Hierbei handele es sich geradezu um den klassischen Fall einer Ausgrenzung. Diese Gesamtumstände habe das Arbeitsgericht nicht ausreichend gewürdigt. Insbesondere habe es keine Gesamtbetrachtung der Vorkommnisse vorgenommen, sondern im Wesentlichen eine Bewertung der Einzelvorfälle.
Ihr zweitinstanzlicher Klageantrag zu 2) sei zulässig, weil sie ihn beziffert habe. Der Antrag sei auch begründet. Ihr Schaden errechne sich aus der Differenz zwischen dem Bruttoverdienst, den sie bei der Beklagten von Mai 2014 bis März 2016 erzielt hätte (23 Mon. x € 2.513,50), und den Lohnersatzleistungen (Krankengeld vom 27.04.2014 bis 13.09.2015, Arbeitslosengeld vom 14.09.2015 bis 31.03.2016). Ohne die beeinträchtigenden Handlungen der Beklagten hätte sie keine Lohnersatzleistungen in Anspruch nehmen müssen, wodurch ihr ein Verdienstausfallschaden in Höhe des Differenzbetrages entstanden sei.
Auch der Klageantrag zu 3) sei zulässig. Das besondere Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass ihre Erkrankung noch nicht ausgeheilt sei, sie befinde sich weiterhin in fachärztlicher Behandlung. Der Antrag sei auch begründet. Die Situation am Arbeitsplatz sei ungeklärt, das Arbeitsverhältnis bestehe fort. Darüber hinaus sei sie nach wie vor auf Lohnersatzleistungen angewiesen, so dass ihr monatlich ein weiterer materieller Schaden entstehe.
Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,
das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17.12.2015, Az. 2 Ca 2094/15, abzuändern,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von € 50.000,00 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung jedoch nicht unterschreiten sollte,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie € 57.810,50 brutto abzüglich € 29.775,52 netto zu zahlen,
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aufgrund der von der Beklagten verursachten Schädigung ihrer Gesundheit entstehen.
Die Beklagte beantragt,
- die Berufung als unzulässig zu verwerfen,
- hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Berufung sei bereits unzulässig. Zum Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld (Klageantrag zu 1) sei eine argumentative Auseinandersetzung mit der Begründung des erstinstanzlichen Urteils, insb. zur Unschlüssigkeit des Vortrags für eine kausale Gesundheitsschädigung durch den Arbeitgeber wie auch für eine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht erfolgt. Stattdessen habe die Klägerin wiederum Schilderungen von Einzelereignissen aneinandergereiht, die nicht zur Schlüssigkeit ihrer Klage führten. Hinsichtlich des Klageantrags zu 2) auf Zahlung von Schadensersatz in bezifferter Höhe, sei die zweitinstanzliche Klageänderung unzulässig. Sie willige nicht in die Klageänderung ein, diese sei auch nicht sachdienlich.
Die Berufung sei zumindest unbegründet. Die Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld sei weiterhin unschlüssig. Die Klägerin sei nicht schikaniert oder diskriminiert worden. Sie habe im Juni 2013 insgesamt 2,3 Minusstunden angesammelt und im Juli 2013 19,45 Minusstunden. Die Arbeitsstunden habe die Klägerin selbst handschriftlich dokumentiert. Die Klägerin genüge auch zweitinstanzlich nicht den Anforderungen an ihre Darlegungslast. Es bestehe kein Kausalzusammenhang zwischen den von ihr behaupteten Belastungen am Arbeitsplatz und ihren Erkrankungen. In diesem Zusammenhang sei auf die Ausführungen im ärztlichen Entlassungsbericht der Reha-Klinik vom 10.12.2014 hinzuweisen, den die Klägerin vorgelegt habe:
"Im AVEM, einem Instrument zur interventionsbezogenen Diagnostik beruflichen Bewältigungsverhaltens erzielt Frau R. auf den Skalen "Distanzierungsfähigkeit", "Innere Ruhe und "Ausgeglichenheit", "Erfolgserleben im Beruf" und "Lebenszufriedenheit" unterdurchschnittliche und auf den Skalen "subjektive Bedeutsamkeit der Arbeit", "Beruflicher Ehrgeiz", "Verausgabungsbereitschaft", "Perfektionsstreben und "Resignationstendenz (bei Misserfolg)" überdurchschnittliche Testwerte.
Die Patientin ist mit einer Wahrscheinlichkeit von p = 92 Risikotyp A, der durch gesundheitsgefährdendes Verhaltens- und Erlebensmuster mit überhöhtem Engagement und geringer Distanzierung bezüglich Arbeitsproblemen, verminderter psychischer Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen und ein eingeschränkten Lebensgefühl kennzeichnend ist, zuzuordnen."
Vor diesem Hintergrund sei nicht zu verstehen, wie die Klägerin eine Kausalbeziehung zwischen einem Verhalten ihrer Vorgesetzten und ihrem Krankheitsbild sehe. Dies sei in Anbetracht der geschilderten zahlreichen Vorerkrankungen und der konstitutionellen Grundsituation der Klägerin auszuschließen. Der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch iHv. mindestens € 50.000,00 sei im Übrigen völlig überhöht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.