Richtlinie 2000/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit (Siebte Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG)
Vorbemerkungen
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 137 Absatz 2,
auf Vorschlag der Kommission,
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses [ 1 ] ,
nach Konsultation des Ausschusses der Regionen,
gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags [ 2 ]
(1) Die Richtlinie 90/679/EWG des Rates vom 26. November 1990 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit (Siebte Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 88/391/EWG [ 3 ] ist wiederholt in wesentlichen Punkten [ 4 ] geändert worden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und der Klarheit empfiehlt es sich daher, die Richtlinie 90/679/EWG zu kodifizieren.
(2) Die Einhaltung von Mindestvorschriften, mit denen sich ein höheres Niveau an Sicherheit und Gesundheitsschutz im Rahmen des Schutzes der Arbeitnehmer gegen die Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe am Arbeitsplatz sicherstellen lässt, ist ein zwingendes Erfordernis, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu gewährleisten.
(3) Die vorliegende Richtlinie ist eine Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit [ 5 ] . Die Bestimmungen der genannten Richtlinie finden daher - unbeschadet strengerer oder spezifischer Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie - in vollem Umfang auf dem Gebiet der Gefährdung der Arbeitnehmer durch biologische Arbeitsstoffe Anwendung.
(4) Durch Aufzeichnungen lassen sich genauere Kenntnisse über die durch die Exposition gegenüber biologischen Arbeitsstoffen bei der Arbeit bedingten Risiken gewinnen.
(5) Die Liste und die Einstufung der biologischen Arbeitsstoffe sind regelmäßig zu prüfen und unter Zugrundelegung neuer wissenschaftlicher Daten zu revidieren.
(6) Für einige dieser biologischen Arbeitsstoffe sind erzänzend Angaben zu ihrer Einstufung vorzusehen.
(7) Die Arbeitgeber haben sich ständig über den neuesten Stand der Technik zu informieren, um den Schutz für Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer wirksamer gestalten zu können.
(8) Zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der durch biologische Arbeitsstoffe gefährdeten Arbeitnehmer sollten vorbeugende Maßnahmen getroffen werden.
(9) Die vorliegende Richtlinie bildet eine konkrete Maßnahme im Rahmen der Verwirklichung der sozialen Dimension des Binnenmarkts.
(10) Die Kommission hat den Beratenden Ausschuss für Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz gemäß dem Beschluss 74/325/EWG des Rates [ 6 ] im Hinblick auf die Erstellung von Vorschlägen auf dem fraglichen Gebiet anzuhören. Dieser Ausschuss ist für die Erstellung der der vorliegenden Richtlinie zugrunde liegenden Richtlinien angehört worden.
(11) Diese Richtlinie lässt die Pflichten der Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang VIII Teil B angegebenen Umsetzungsfristen unberührt -
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Art. 1 Ziel der Richtlinie
(1) 1Das Ziel dieser Richtlinie ist der Schutz der Arbeitnehmer vor der Gefährdung ihrer Sicherheit und Gesundheit, der sie aufgrund der Exposition gegenüber biologischen Arbeitsstoffen bei der Arbeit ausgesetzt sind oder sein können, einschließlich der Vorbeugung gegen eine solche Gefährdung.
2Sie legt spezielle Mindestvorschriften in diesem Bereich fest.
(2) Die Richtlinie 89/391/EWG findet auf den gesamten in Absatz 1 genannten Bereich - unbeschadet strengerer und/oder spezifischer Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie - in vollem Umfang Anwendung.
(3) Diese Richtlinie lässt die Richtlinie 90/219/EWG des Rates [ 7 ] und die Richtlinie 90/220/EWG des Rates [ 8 ] unberührt.
Art. 2 Definitionen
1Im Sinne dieser Richtlinie
b) |
sind Mikroorganismen alle zellularen oder nichtzellularen mikrobioligischen Einheiten, die zur Vermehrung oder zur Weitergabe von genetischem Material fähig sind; |
2Für biologische Arbeitsstoffe gilt entsprechend dem von ihnen ausgehenden Infektionsrisiko eine Unterteilung in vier Risikogruppen:
1. |
biologische Arbeitsstoffe der Gruppe 1 sind Stoffe bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie beim Menschen eine Krankheit verursachen; |
Art. 3 Anwendungsbereich - Ermittlung und Abschätzung der Risiken
(1) Diese Richtlinie gilt für Tätigkeiten, bei denen Arbeitnehmer im Rahmen der Ausübung ihres Berufes bioligischen Arbeitsstoffen ausgesetzt sind bzw. ausgesetzt sein können.
(2) 1Für jede Tätigkeit, bei der eine Exposition gegenüber biologischen Arbeitsstoffen auftreten kann, müssen die Art, das Ausmaß und die Dauer der Exposition der Arbeitnehmer ermittelt werden, damit alle Risiken für die Sicherheit oder die Gesundheit der Arbeitnehmer abgeschätzt und entsprechende Maßnahmen festgelegt werden können.
2Bei Tätigkeiten, die mit einer Exposition gegenüber mehreren Gruppen biologischer Arbeitsstoffe verbunden sind, werden die Risiken ausgehend von der Gefahr abgeschätzt, die von allen gefährlichen Arbeitsstoffen ausgeht, gegenüber denen eine Exposition stattfindet.
3Diese Abschätzung muss in regelmäßigen Abständen und auf jeden Fall bei jeder Änderung der Bedingungen, die sich auf die Exposition der Arbeitnehmer gegenüber biologischen Arbeitsstoffen auswirken können, erneut vorgenommen werden.
4Der Arbeitgeber muss den zuständigen Behörden auf Anforderung die dieser Abschätzung zugrunde liegenden Kriterien mitteilen.
(3) Bei der Risikoabschätzung nach Absatz 2 ist von allen verfügbaren Informationen einschließlich folgender Faktoren auszugehen:
a) |
der Einstufung der biologischen Arbeitsstoffe nach Artikel 18, die eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen oder darstellen können; |
c) |
den Informationen über Krankheiten, die sich ein Arbeitnehmer aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit zuziehen kann; |
Art. 4 Anwendung der einzelnen Artikel im Zusammenhang mit der Risikoabschätzung
(1) 1Die Artikel 5 bis 17 sowie Artikel 19 finden keine Anwendung, wenn sich aus den Ergebnissen der Risikoabschätzung nach Artikel 3 ergibt, dass es sich um eine Exposition und/oder eine mögliche Exposition gegenüber einem biologischen Arbeitsstoff der Gruppe 1 ohne erkennbares Gesundheitsrisiko für die Arbeitnehmer handelt.
2Anhang VI Nummer 1 sollte jedoch eingehalten werden.
(2) Zeigen die Ergebnisse der Risikoabschätzung nach Artikel 3, dass die Tätigkeit zwar nicht den absichtlichen Umgang mit einem biologischen Arbeitsstoff bzw. seine absichtliche Verwendung umfasst, jedoch zu einer Exposition der Arbeitnehmer gegenüber einem biologischen Arbeitsstoff führen kann, wie etwa während der Tätigkeiten im Sinne der informatorischen Liste in Anhang I, so finden die Artikel 5, 7, 8, 10, 11, 12, 13 und 14 Anwendung, es sei denn, sie erweisen sich aufgrund der Ergebnisse der Risikoabschätzung nach Artikel 3 nicht als erforderlich.
[ 1 ] |
ABl. C 75 vom 15. 3. 2000, S. 15. |
[ 2 ] |
Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 13. Juni 2000 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 17. Juli 2000. |
[ 3 ] |
ABl. L 374 vom 31. 12. 1990, S. 1. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 97/65/EG der Kommission (ABl. L 335 vom 6. 12. 1997, S. 17) |
[ 4 ] |
Siehe Anhang VIII Teil A. |
[ 5 ] |
ABl. L 183 vom 29. 6. 1989, S. 1. |
[ 6 ] |
ABl. L 185 vom 9. 7. 1974, S. 15. Beschluss zuletzt geändert durch die Beitrittsakte von 1994. |
[ 7 ] |
Richtlinie 90/219/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen (ABl. L 117 vom 8. 5. 1990, S. 1). Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 98/81/EG (ABl. L 330 vom 5. 12. 1998, S. 13). |
[ 8 ] |
Richtlinie 90/220/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (ABl. L 117 vom 8. 5. 1990, S. 15). Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 97/35/EG (ABl. L 169 vom 27. 6. 1997, S. 72). . |
[ 9 ] |
Gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c sind nichtproliferative diagnostische Laborarbeiten an SARS-CoV-2 in einer Einrichtung unter Anwendung von Verfahren durchzuführen, die mindestens der Sicherheitsstufe 2 entsprechen. Proliferative Arbeiten an SARS-CoV-2 sind in einem Hochsicherheitslabor der Sicherheitsstufe 3 mit Unterdruck zur Atmosphäre durchzuführen. |