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Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und bedarf nicht der Zulassung (§ 144 Abs. 1 SGG), da sie auf eine (behördliche) Feststellung gerichtet ist. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 SGG).

Die Berufung ist allerdings mangels Begründetheit der Klage unbegründet.

Zunächst ist die Klage zwar als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) zulässig, wobei dem Kläger bei der Geltendmachung der Feststellung eines Arbeitsunfalls ein Wahlrecht zwischen gerichtlicher und Verpflichtung zu behördlicher Feststellung zusteht (Urteil des Senats vom 9. März 2017 - L 6 U 2131/16 -, juris, Rz. 36).

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Feststellung des Ereignisses vom 19. Januar 2015 als Arbeitsunfall.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Betroffenen durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben und deshalb "Versicherte" sind. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 - B 2 U 5/15 R -, juris, Rz. 13 m. w. N.). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, juris, Rz. 17; Urteil des Senats vom 19. Juli 2018 - L 6 U 1695/18 -, juris, Rz. 27 ff.)

Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben Schutz gegen Gefahren zu gewähren, die sich durch die ihre Verbandszuständigkeit, den Versicherungsschutz und das Versichertsein der Verletzten begründenden Verrichtungen von im jeweiligen Versicherungstatbestand konkret umschriebenen Tätigkeiten realisieren können. Ihre Einstandspflicht besteht nur dann, wenn sich durch eine Handlung der Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung allgemein, sondern der jeweils durch die Handlung erfüllte Versicherungstatbestand schützen soll. Die Zurechnung des Schadens von Versicherten erfordert daher zweistufig die Erfüllung erstens tatsächlicher und zweitens darauf aufbauender rechtlicher Voraussetzungen. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss die Einwirkung und in gleicher Weise muss die Einwirkung den Gesundheitserstschaden oder - vorliegend nicht von Bedeutung - den Tod sowohl objektiv als auch rechtlich wesentlich verursacht haben.

Auf der ersten Stufe setzt die Zurechnung voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung objektiv (mit)verursacht wurde. Hierbei kommt es darauf an, dass die versicherte Verrichtung für das Unfallereignis und dadurch für den Gesundheitserstschaden oder den Tod eine (Wirk-) Ursache war (BSG vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R; vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, Rz. 31 ff; hierzu auch Ricke, WzS 2013, 241). (Wirk-) Ursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolgs gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache in diesem Sinne war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht (ex post) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen beantwortet werden (grundlegend BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 Rz. 55 ff; BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, Rz. 31 ff). Steht die versicherte Tätigkeit als eine der (Wirk-) Ursachen fest, muss sich auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller weiteren auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr darstellen. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der "Wesentlichkeit" der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll (BSG, Urteil vom 04. Dezember 2014 - B 2 U 18/13 R -, BSGE 118, 18-30, SozR 4-2700 § 101 Nr 2, Rz. 19 m. w. N.). Andere unversicherte Mitursachen können die rechtliche Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass sie die versicherte Wirkursache verdrängen, so dass der Schaden "im Wesentlichen" rechtlich nicht mehr dem Schutzbereich des jeweiligen Versicherungstatbestandes, sondern insbesondere dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr 44, Rz. 78). Die versicherten und die auf der ersten Zurechnungsstufe festgestellten unversicherten Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile sind in einer rechtlichen Gesamtbeurteilung anhand des zuvor festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten (BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 - B 2 U 10/12 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr 47, Rz. 18). Im Rahmen dieser Bewertung darf die Verursachung nicht als bloße statistische Größe missverstanden werden. Es ist nicht möglich, im Rahmen der Wesentlichkeitsprüfung einen Schwellenwert zu definieren (BSG, 30. 3. 2017, B 2 U 6/15 R, juris Rz. 26).

Nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben des Klägers zum Hergang des Ereignisses vom 19. Januar 2015, welche mit dem ärztlich dokumentierten Verletzungsmuster übereinstimmen und an denen der Senat keinen Anlass zu Zweifeln hat, holte der Kläger Zündkerzen aus dem Lager seines Betriebes, um sie in der im selben Gebäude gelegenen Werkstatt in ein Kundenfahrzeug zu verbauen. Auf dem Rückweg in die Werkstatt übersah er seinen auf dem Boden liegenden Hund und stolperte über ihn. Während er versuchte, den Sturz abzufangen, geriet er mit seiner rechten Hand in den Bereich des Mauls seines Hundes, welcher zubiss und die Hand des Klägers im Bereich des rechten Daumens verletzte.

Damit trat die Verletzung des Klägers während seiner als freiwillig versicherter Unternehmer (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII) ausgeübten Tätigkeit - Auto- und Reifenhandlung mit Autoreparaturdienst - und auch während einer (ausschließlich) seiner versicherten Tätigkeit dienenden Verrichtung, der Besorgung von Ersatzteilen aus dem Lager, ein. Ebenso liegt mit dem Hundebiss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vor, welches zu einem Gesundheitsschaden, der Bissverletzung der rechten Hand (ICD 10: T14.1), geführt hat.

Die versicherte Verrichtung, der Gang vom Lager in die Werkstatt, hat den Gesundheitsschaden auch objektiv mitverursacht, denn diese war conditio-sine-qua-non für das Stolpern, welches wiederum die Beißreaktion des Hundes ausgelöst hat. Der Gang war notwendige, sowie in tatsächlicher Hinsicht nicht lediglich nebensächliche Bedingung für den Ereignisverlauf.

Als unversicherte Mitursache steht daneben die durch die Anwesenheit des Privathundes des Klägers geschaffene Tiergefahr, welche in den Haftungsbereich des Klägers selbst als Tierhalter, mithin hier nicht als Unternehmer, fällt (vgl. § 833 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB). Diese spezifische Tiergefahr hat sich auch in einem Gesundheitsschaden, dem reflexhaften Biss als Ausdruck tierischer Unberechenbarkeit verwirklicht (Wilhelmi in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 833 BGB Rz. 4). Der Hund ist nach den klaren Angaben des Klägers privat gehalten und erfüllt nicht die Funktion etwa eines Wachhundes (sog. Luxustier, vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2009 - VI ZR 266/08, NJW 2009, 3233 Rz. 7). Es kann an dieser Stelle offenbleiben, ob die erstmals im Berufungsverfahren gemachten Angaben des Klägers, der Hund habe sich zur Verbesserung des Betriebsklimas in den Räumlichkeiten aufgehalten, zu folgen ist. Denn auch bei Wahrunterstellung dieses Vortrags bedingt dies nicht die Einstufung des Hundes als Nutztier (vgl. § 833 Satz 2 BGB), da maßgebend nicht der Zweck des Einsatzes zum Zeitpunkt des Unfalls, sondern die allgemeine Zweckbestimmung des Tieres, hier die Haltung als “Privathund„, ist (Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 833 Rz. 47). Die Haltung als Bürohund wäre im Übrigen auch nicht mit einer echten und aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung gegenüber den allgemeinen Haustieren haftungsrechtlich privilegierten Nutztierhaltung, wie etwa einem Wach- und Schutzhund, Tieren zur Fleisch- und Milchproduktion oder den sog. tierischen Hilfskräften (Wagner a. a. O., bspw. Ochsen zum Ziehen eines Pfluges), gleichzustellen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist sein Hund auch nicht eine bloße Sache im Sinne eines körperlichen Gegenstands (§ 90 BGB), wie die beispielhaft benannte, privat mitgebrachte Kaffeetasse. Tiere sind vielmehr (mittlerweile) rechtlich keine Sachen, auf sie sind lediglich die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit keine anderen Bestimmungen vorliegen (§ 90a BGB). Im Bereich des Haftungsrechts ist die Tierhaltung, wie dargestellt, ein eigenständiger Gefährdungstatbestand.

Diese privat geschaffene Gefahr prägt den Geschehensablauf derart überragend, dass, wie bereits das SG festgestellt hat, der betrieblich gesetzten Ursache keine rechtlich wesentliche Bedeutung mehr zukommt. Hierbei ist allerdings noch nicht das Stolpern über den am Boden liegenden Hund dem privaten Bereich zuzurechnen. Zwar entstammt das hier als Hindernis wirkende Tier dem privaten Bereich, jedoch ist die Sicherheit auf den innerbetrieblichen Wegen grundsätzlich - und auch in der vorliegenden Sache - vom Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst, gleichgültig ob ein etwa aufgrund von Unachtsamkeit zum Sturz führendes Hindernis zufällig dem Betrieb selbst entstammt oder vom jeweils Verletzten bzw. auch von Arbeitskollegen privat eingebracht worden ist. Im vorliegenden Fall hat demgegenüber der Sturz selbst noch nicht die Verletzung des Klägers bedingt, sondern die durch das Stolpern ausgelöste Reaktion des Hundes. Diese instinktive Bissreaktion eines aufgeschreckten Hundes, wie der Kläger sie geschildert hat, verkörpert geradezu prototypisch eine spezifische Tiergefahr im bereits dargestellten Sinne. Dieser (verwirklichten) Gefährdungslage kommt im Hinblick auf die eingetretene Bissverletzung bei einer wertenden Betrachtung der versicherten und unversicherten Verletzungsursachen und unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung, hier der Absicherung betrieblich bedingter Unfallgefahren i. S. d. § 8 Abs. 1 SGB VII, eine gesteigerte Bedeutung zu. Weiter ist im Rahmen des Schutzzwecks zu berücksichtigen, dass der Kläger als ein nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII freiwillig versicherter Unternehmer und nicht kraft Gesetzes versicherter Beschäftigter (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) in die gesetzliche Unfallversicherung eingebunden ist. Während ein Beschäftigter typischerweise keinen oder nur geringen Einfluss auf die konkrete Gefährdungssituation am Arbeitsplatz hat und daher ein besonderes, von der gesetzlichen Unfallversicherung aufgegriffenes Schutzbedürfnis besteht, kann und muss ein Unternehmer diese Gefährdungssituation gezielt steuern, sowohl bezüglich betrieblicher Risiken im eigentlichen Sinne, wie auch bezüglich von den Arbeitnehmern eingebrachten (vgl. § 618 Abs. 1 BGB). Auch die Möglichkeit des freiwilligen Eintritts in die gesetzliche Unfallversicherung als Unternehmer ist gerade Ausdruck dieser Gestaltungsfreiheit (vgl. Lilienfeld in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Werkstand: 102. EL Dezember 2018, SGB VII, § 6 Rz. 2) und des grundsätzlich geringeren Schutzbedürfnisses. In Anbetracht der gegenüber abhängig Beschäftigten ungleich höheren Fähigkeit des Unternehmers zur Risikominimierung ist den dem privaten Bereich zuzurechnenden Mitursachen eines Gesundheitsschadens - nicht aus Verschuldens-, sondern strukturellen Erwägungen - ein besonderes Gewicht beizumessen.

Im Hinblick auf das Gesamtbild dieser Faktoren tritt die versicherte Wirkursache im vorliegenden Fall hinter die unversicherte private Mitursache als Ausdruck des allgemeinen Lebensrisikos zurück. Der am 19. Januar 2015 erlittene Gesundheitsschaden des Klägers ist nicht rechtlich wesentlich infolge einer versicherten Tätigkeit eingetreten, ein Arbeitsunfall ist zu verneinen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).