HI437191_5

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger gegen seinen früheren Arbeitgeber ein Anspruch auf Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes zusteht und welcher Rang diesem Abfindungsanspruch im Konkurs seines früheren Arbeitgebers zukommt.

Der 1979 32 Jahre alte Kläger war seit 1961 als Angestellter in der F-Firmengruppe, einem Speditionsunternehmen, beschäftigt. Zu dieser Firmengruppe gehörte auch die Firma Spedition Helmut F, Krefeld, die spätere Gemeinschuldnerin. Diese hatte im Bundesgebiet mehrere Niederlassungen. In diesen sowie in der Hauptniederlassung Krefeld bestanden Betriebsräte.

Zumindest seit dem 1. März 1979 war der Kläger Angestellter der Firma Spedition Helmut F. In seinem Anstellungsvertrag heißt es u.a.:

I. Dienststellung und Aufgabengebiet

1. Herr Fr übernimmt ab 1. März 1979 den

Bereich Güterfernverkehr, den technischen

Bereich, die Niederlassungen sowie die Or-

ganisation. Außerdem die Geschäftsverbin-

dung zu Fremdunternehmern und Korresponden-

ten.

Diese Position nimmt Herr Fr ebenfalls

bei unseren Tochter- und Schwesterfirmen

wahr.

2. Herr Fr untersteht nur der Inhaberschaft,

d.h., daß er stellvertretender Geschäftsfüh-

rer des Herrn Dr. Bert F ist.

3. Diese Position ist ab sofort mit Einzelpro-

kura verbunden und ist gültig für alle Nie-

derlassungen sowie für das Gesamtunternehmen.

II. Bezüge

Herr Fr erhält für die ersten zwei Jah-

re Betriebszugehörigkeit ein Festgehalt von

DM 120.000,-- jährlich.

....

Zur Ausübung seines Dienstes steht Herrn

Fr ein Pkw zur Verfügung ... welcher

auch für private Zwecke (einschließlich

Urlaub) genutzt werden kann.

....

VI. Kündigung

Der Vertrag gilt für zwei Jahre, gerechnet

vom Eintrittsdatum. Er verlängert sich still-

schweigend jeweils um ein Jahr, wenn er nicht

neun Monate vor Vertragsablauf von einer der

beiden Seiten schriftlich gekündigt wird.

Bei welchen anderen Firmen der Firmengruppe und in welcher Funktion der Kläger vor dem 1. März 1979 tätig war, ist unter den Parteien streitig.

Am 6. November 1978 schlossen die "Geschäftsleitung der genannten Firmen der Firmengruppe" und der Gesamtbetriebsrat eine "Betriebsvereinbarung über einen Sozialplan", die auszugsweise wie folgt lautet:

§ 1 Allgemeine Bestimmungen

1. Zur Sicherung der Ertragskraft der oben auf-

geführten Firmen plant die Geschäftsleitung

eine Straffung und Effizienzverbesserung

durch Reduzierung von Teilfunktionen und

Einführung rationeller Arbeitsmethoden so-

wie durch die Veränderung von Arbeitsabläu-

fen und Verzicht auf bestimmte Dienstleistun-

gen sollen Planstellen unter Einhaltung aller

einschlägigen Gesetze, Verordnungen, Tarifver-

träge und sonstigen Vereinbarungen eingespart

werden.

2. Diese Betriebsvereinbarung dient dem Zweck,

Arbeitnehmern, deren Arbeitsplätze durch Be-

triebsveränderung und Rationalisierung fort-

fallen, innerhalb der obigen Firmen Arbeits-

plätze zu verschaffen oder im Falle einer un-

umgänglichen Entlassung des Arbeitnehmers die

wirtschaftlichen Härten des Arbeitsplatzver-

lustes zu mildern.

3. Bei Übergang von Betrieben oder Betriebsteilen

auf andere Firmen sind Vereinbarungen zwischen

der Geschäftsleitung und dem Käufer zu treffen,

die den betroffenen Arbeitnehmern bei dem neu-

en Arbeitgeber alle bisher erworbenen Rechte

einschließlich dieses Sozialplanes sichern.

Die Betriebsvereinbarung beruht auf den Be-

stimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes,

insbesondere auf § 112 BetrVG.

§ 2 Übernahme

Im Zuge der Übernahme der genannten Firmen

bzw. beim Verkauf einzelner Firmen werden al-

le verbleibenden Arbeitnehmer von der Firma

Helmut F übernommen.

§ 3 Veränderungsmöglichkeiten

Die Firma hat den betroffenen Arbeitnehmern

mit Zustimmung des Betriebsrates eine der fol-

genden Regelungen anzubieten:

a) Um- oder Versetzung in einen gleichwerti-

gen und zumutbaren Arbeitsplatz

b) Umschulung

c) Übernahme eines ungleichwertigen Arbeits-

platzes nach den bisherigen Vergütungs-

sätzen

d) Frühpensionierung.

....

§ 6 Kündigung

Kündigungen aufgrund der beabsichtigten Maßnahmen

haben nach sozialen Gesichtspunkten zu erfolgen,

dabei sind einschlägige Kündigungsvorschriften

zum Schutz bestimmter Arbeitnehmergruppen zu be-

achten.

§ 7 Interessenausgleich

1. Grundbetrag

Jeder Arbeitnehmer, dem aufgrund der geplanten

Maßnahmen gekündigt wird und ... erhält eine Ab-

findung in Form eines gestaffelten Grundbetrages.

....

2. Steigerungsbetrag

....

Der Steigerungsbetrag ist aus der Formel Alter

mal Betriebszugehörigkeit geteilt durch Faktor

zu errechnen.

....

§ 8 Sonderbestimmungen

- gilt für Arbeitnehmer über 58 und Auszubilden-

de -

....

§ 12 Inkrafttreten

1. Diese Betriebsvereinbarung tritt am 1. Novem-

ber 1978 in Kraft und hat eine Mindestlauf-

zeit bis 30. April 1979.

Geschäftsleitung und Betriebsräte können mit

einer Frist von zwei Monaten zum Ende eines

Quartals kündigen.

2. Im Falle einer Kündigung sind die Parteien

verpflichtet, eine neue Vereinbarung abzu-

schließen und bis dahin die gekündigte Ver-

einbarung anzuwenden.

Mitte April 1979 meldete die Firma Spedition Helmut F - im folgenden Gemeinschuldnerin - Konkurs an. Am 19. April 1979 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin die Sequestration angeordnet.

Am 26. April 1979 schrieb der Inhaber der Gemeinschuldnerin an den Gesamtbetriebsrat und die Betriebsräte "der Firmen":

Wir nehmen Bezug auf die Betriebsvereinbarung über

einen Sozialplan vom 6. November 1978 und kündigen

gemäß § 12 Abs. 1 diese Betriebsvereinbarung zum 30.

Juni 1979.

Weiter kündigen wir diese Betriebsvereinbarung un-

ter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Beschluß des

Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 1978 - GS

1/77 -.

Die in § 12 Abs. 2 vorgesehene Verpflichtung der

Parteien, eine neue Vereinbarung abzuschließen,

kann sich nunmehr nur noch im Rahmen der vorge-

nannten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

vollziehen.

Am 15. Mai 1979 kündigte die Gemeinschuldnerin dem Kläger zum 28. Februar 1981. Schon am 8. Mai 1979 schloß der Kläger mit einer Münchner Speditionsfirma einen neuen Arbeitsvertrag mit Wirkung vom 1. Juni 1979, wo er zu einem Monatsgehalt von zunächst 4.334,-- DM und später 5.000,-- DM Mitglied der Geschäftsführung werden sollte.

Am 1. Juni 1979 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Er legte den Betrieb der Gemeinschuldnerin zum 1. Juni 1979 still und kündigte dem Kläger seinerseits zum 30. September 1979.

Am 28. Juni 1979 meldete der Kläger u.a. einen nach § 7 des Sozialplans vom 6. November 1978 berechneten Abfindungsanspruch in Höhe von 82.400,-- DM mit dem Rang vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 K0 zur Konkurstabelle an. Der Konkursverwalter hat im Prüfungstermin vom 30. Oktober 1979 diesen Anspruch mit der Begründung bestritten, daß die Betriebsvereinbarung am 26. April 1979 gekündigt worden sei. Am 14. Dezember 1979 hat der Konkursverwalter mit dem Gesamtbetriebsrat einen neuen Sozialplan vereinbart, der auszugsweise wie folgt lautet:

1. Der Gesamtbetriebsrat handelt für die Be-

triebsräte der Firma Helmut F in der

Hauptniederlasung Krefeld sowie für sämt-

liche am Tage der Konkurseröffnung noch

vorhandenen Betriebsräte in den Zweignie-

derlassungen ...

2. Zwischen dem Gesamtbetriebsrat der Firma

Helmut F und der Geschäftsleitung der

Firma Helmut F ist eine Betriebsver-

einbarung unter dem 6. Dezember 1978 abge-

schlossen worden.

Die Geschäftsleitung hat die Betriebsver-

einbarung am 26. April 1979 gekündigt.

Die Parteien sind sich dahingehend einig,

daß Rechte aus der Betriebsvereinbarung

vom 6. November 1978 nicht mehr hergelei-

tet werden und Ansprüche aus dem Sozial-

plan nachfolgend neu geregelt werden.

Die bereits zur Konkurstabelle des Ver-

fahrens Helmut F angemeldeten Forde-

rungen aus der Betriebsvereinbarung vom

6. November 1978 werden durch die anmel-

denden Gläubiger zurückgenommen.

3. Im Rahmen der nunmehr geltenden Richtli-

nien des Bundesarbeitsgerichts gemäß Be-

schlußfassung vom 13. Dezember 1978

- GS 1/77 - wird nachfolgender Sozial-

plan vereinbart:

3.1. Berechtigter Personenkreis

Berechtigt aus diesem Sozialplan sind

sämtliche Mitarbeiter der Firma Helmut

F ..., die zum Zeitpunkt der An-

ordnung der Sequestration am 19. April

1979 noch in einem ungekündigten Ar-

beitsverhältnis zu der Firma Helmut

F gestanden haben.

3.2. Grundbetrag

Jeder berechtigte Arbeitnehmer, der

.... erhält eine Abfindung in Form

eines gestaffelten Grundbetrages.

....

3.3. Steigerungsbetrag

Zu dem Grundbetrag erhalten die Mitarbei-

ter einen Steigerungsbetrag ....

....

3.5. Ausgeschlossen vom berechtigten Personen-

kreis ... sind die auszubildenden Mitar-

beiter und die Mitarbeiter, die zum Zeit-

punkt der Beendigung des Arbeitsverhältnis-

ses ... das 58. Lebensjahr vollendet haben.

... Weiterhin ausgeschlossen ... sind dieje-

nigen Mitarbeiter, die unmittelbar nach Be-

endigung des Arbeitsverhältnisses mit der

Firma Helmut F ein neues Arbeitsver-

hältnis bei der Firma FT GmbH & Co. KG,

Krefeld, eingegangen sind.

....

Letztlich sind ausgeschlossen von der Be-

triebsvereinbarung die leitenden Angestell-

ten Dr. Bert F und Günther Fr

(der Kläger).

....

4. ....

Das Anmeldungsverfahren wird wie folgt

geregelt:

4.1. Die Anmeldung des Sozialplananspruches

zur Konkurstabelle des Verfahrens er-

folgt in einer Summe durch den Gesamtbe-

triebsrat.

4.2. Die Höhe der anzumeldenden Summe wird

begrenzt auf DM 350.000,--.

Die dem einzelnen Berechtigten zustehen-

de Sozialplansumme ermittelt sich wie

folgt:

....

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan vom 6. November 1978 in der geltend gemachten Höhe zu. Der Sozialplan vom 6. November 1978 gelte auch für ihn. Im Zeitpunkt seines Abschlusses sei er nicht leitender Angestellter gewesen. Zumindest könne er nach den Grundsätzen der Gleichbehandlung eine Abfindung wie die von diesem Sozialplan betroffenen Arbeitnehmer verlangen. Der Sozialplan vom 6. November 1978 habe vor Konkurseröffnung von der Gemeinschuldnerin nicht außerordentlich gekündigt werden können. Allenfalls wirke die Kündigung zum 30. Juni 1979. Zu diesem Zeitpunkt sei aber sein Abfindungsanspruch bereits entstanden gewesen und habe durch die Kündigung nicht betroffen werden können. Der neue Sozialplan habe den Sozialplan vom 6. November 1978 nicht aufheben können. Zumindest sei diese Aufhebung ihm gegenüber unwirksam, da er seit dem 1. März 1979 leitender Angestellter gewesen sei. Im übrigen sei der zweite Sozialplan unwirksam, da er die Anmeldung der Sozialplanansprüche abweichend von der Konkursordnung regele und die anzumeldenden Ansprüche nach oben begrenze.

Der Kläger hat daher beantragt,

seine Forderung in Höhe von DM 82.400,--

mit Rang vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO an die

Konkursmasse ... festzustellen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Ansicht, aus dem Sozialplan vom 6. November 1978 könnten Abfindungsansprüche nicht hergeleitet werden. Dieser Sozialplan sei wirksam gekündigt und durch den neuen Sozialplan einvernehmlich aufgehoben worden. Von der Regelung des neuen Sozialplanes sei der Kläger als leitender Angestellter ausdrücklich ausgenommen worden. Eine Gleichbehandlung des Klägers mit den vom neuen Sozialplan betroffenen Arbeitnehmern sei angesichts der Stellung des Klägers, der Höhe seiner Bezüge und der Tatsache, daß er zum 1. Juni 1979 bereits eine neue Stelle angetreten habe, nicht gerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Klägers mit dem Rang vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 K0 - allerdings im Rahmen des Gesamtsozialplanvolumens von 350.000,-- DM - festgestellt.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Revision eingelegt, mit der er im Ergebnis die vollständige Abweisung der Klage erstrebt. Der Kläger hat unselbständige Anschlußrevision eingelegt, soweit seine Berufung zurückgewiesen worden ist. Er hat nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1983 über die Einordnung von Sozialplanansprüchen im Konkurs seinen Antrag geändert und beantragt nunmehr nur noch, die angemeldete Forderung im Range von § 61 Abs. 1 Nr. 1 K0 festzustellen.