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FG München Urteil vom 02.01.2015 - 15 K 3748/13 (veröffentlicht am 25.03.2015)

rechtskräftig

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesellschafter-Geschäftsführer. Zuflussfiktion

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Leitsatz (redaktionell)

1. Hat ein beherrschender Geselschafter einen Vergütungsanspruch gegenüber der Gesellschaft, ist ein Zufluss der Vergütung nicht erst im Zeitpunkt der Zahlung oder der Gutschrift auf dem Konto des Gesellschafters, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen.

2. Diese Zuflussregel gilt jedenfalls dann, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet.

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Normenkette

EStG § 11

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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

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Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob für die Streitjahre 1995 – 1997 Festsetzungsverjährung eingetreten ist und ob die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit der Höhe nach zutreffend angesetzt wurden.

Die Klägerin wird zusammen mit ihrem Ehegatten beim Beklagten, dem Finanzamt Augsburg-Stadt, veranlagt. Sie war in den Streitjahren Gesellschafter-Geschäftsführerin der Firma … GmbH (GmbH) mit Sitz in …. Nach dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag erhielt sie ein monatliches Bruttogehalt von 6.800 DM. Außerdem stand ihr ein firmeneigener Pkw zur privaten Nutzung zur Verfügung. Der Ehemann der Klägerin verstarb im September 2001.

Die Besteuerungsgrundlagen der Klägerin wurden zunächst nach § 162 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung geschätzt, weil die Klägerin ihre Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre nicht abgegeben hatte. Später wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.

Jeweils am 8. Dezember 1999 änderte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) aufgrund der Ergebnisse einer bei der GmbH durchgeführten Lohnsteuer- Außenprüfung.

Dagegen legte die Klägerin fristgemäß Einsprüche ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide. Während des Einspruchsverfahrens reichte sie die Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre beim FA ein. Darin erklärte sie Bruttoarbeitslöhne in Höhe von 28.320 DM (1995), 58.600 DM (1996) und 50.820 DM (1997).

Jeweils am 6. Februar 2009 änderte das FA nach Abschluss eines Klageverfahrens in Sachen Lohnsteuerhaftung der GmbH die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zur Erledigung der Einsprüche und setzte Einkommensteuern in Höhe von 7.623,36 EUR (1995), 9.354,60 EUR (1996) und 6.975,04 EUR (1997) fest. Der Besteuerung wurden Bruttoarbeitslöhne der Klägerin in Höhe von jeweils 87.120 DM zu Grunde gelegt. Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden nicht angesetzt. Die Bescheide wurden an die Adresse der Klägerin in der Hegelstraße 51 in Stuttgart mit einfachen Briefen versandt. Am 12. Februar 2008 meldete sich die Klägerin ins Ausland ab. Sie wohnte nach ihren Angaben in der Zeit von Februar 2008 bis Juni 2009 in Frankreich. Zum 16. Juni 2012 erfolgte eine Anmeldung der Klägerin in Kehl.

Eine während des Einspruchsverfahrens durch Bescheid vom 26. Mai 2003 erfolgte Aussetzung der Vollziehung wurde durch Bescheid vom 10. Februar 2009 beendet. Mit Schriftsatz vom 11. April 2012 teilte der Vertreter der Klägerin mit, dass der Klägerin geänderte Einkommensteuerbescheide vom 6. Februar 2009 nicht zugegangen seien. Daraufhin versandte das FA Kopien der Einkommensteuerbescheide der Streitjahre am 10. Mai 2012 an den Vertreter der Klägerin, der am 15. Mai 2012 nochmals Einsprüche gegen diese einlegte und geltend machte, dass Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die Klägerin habe im Jahr 2009 nicht mehr in Stuttgart gewohnt.

In der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2013 über die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen erhob die Klägerin Klage. Zur Begründung führte sie aus, dass die Höhe der vom FA der Besteuerung zu Grunde gelegten Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit nicht nachvollziehbar sei. Derart hohe Einkünfte habe sie nie erzielt. Zudem habe sie von den angefochtenen Steuerbescheiden erstmals durch Übersendung an ihren Verfahrensbevollmächtigten am 15. Mai 2013 Kenntnis erlangt. Es sei demnach bereits die Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen.

Die Klägerin beantragt,

die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 1997, jeweils vom 6. Februar 2009 bzw. vom 10. Mai 2012, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2013 in Höhe von 10.921,52 EUR aufzuheben.

Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Das FA vertritt die Auffassung, dass keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei, weil im Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsbescheide am 10. Mai 2012 das ursprüngliche Einspruchsverfahren noch nicht beendet gewesen sei. Der Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin sei der vom FA angesetzte Arbeitslohn bereits mit der Gutschrift auf dem Verrechnungskonto bei der GmbH zugeflossen und anhand des Gehaltsanspruchs der Klägerin, der sich auf 6.800 EUR monatlich zuzüglich 460 EUR für die Nutzung eines Pkws belaufen habe, ermittelt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Akten des Finanzamts, den Beschluss in Sachen Aussetzung der Vollziehung, Az. 15 V 1077/14, und die Gerichtsakte verwiesen. Auf die Anfrage des Gerichts, ob das Begehren mit der Klage weiterverfolgt werde, hat der Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, die Klägerin wünsche eine Entscheidung, werde aber keine weiteren Ausführungen mehr machen. Der Senat hat die Entscheidung mit Beschluss vom 13. November 2014 dem Einzelrichter übertragen.

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Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist unbegründet.

a) Festsetzungsverjährung liegt im Streitfall nicht vor.

Nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Da gegen die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre zunächst Einsprüche eingelegt und später Klage erhoben wurde, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3a AO so lange gehemmt, bis über die Klage entschieden wurde und die streitigen Einkommensteuerbescheide unanfechtbar sind.

b) Die Höhe der angesetzten Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit ist nicht zu beanstanden.

Die Klägerin war beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführerin der GmbH. Hat ein beherrschender Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft aus gegenüber der Gesellschaft erbrachten Leistungen einen Vergütungsanspruch, ist ein Zufluss der Vergütung nicht erst im Zeitpunkt der Zahlung oder der Gutschrift auf dem Konto des Gesellschafters, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen. Diese Zuflussregel gilt jedenfalls dann, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet (BFH-Urteil vom 2. Juni 2014 III B 153/13, BFH/NV 2014, 1377).

Die Klägerin hatte im Streitfall nach dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag für ihre Leistungen als Geschäftsführerin Anspruch auf eine Geschäftsführervergütung von 6.800 DM monatlich brutto sowie einen Anspruch auf die Nutzung des firmeneigenen Pkws. Nach Aktenlage und entsprechend der Prüfungsfeststellungen bei der GmbH sind durch Buchung jeweils auf das Verrechnungskonto Bruttoarbeitslöhne in Höhe von jeweils 87.120 DM [(6.800 DM + 460 DM) × 12] nach § 11 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Streitjahre geltenden Fassung der Klägerin zugeflossen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das FA Bruttoarbeitslöhne von jeweils 87.120 DM in den Streitjahren bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit angesetzt hat. Wegen der o.a. Zuflussfiktion kann die Klägerin hiergegen nicht einwenden, sie habe keine derartigen Einkünfte erzielt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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Fundstellen

GmbH-StB 2015, 204

GmbH-Stpr 2016, 58

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