HI630795

Arbeitszeitkonto

LI1925251

Zusammenfassung

Name: LI1925252 Rz:

Begriff

Das Arbeitszeitkonto ist eine Möglichkeit, Arbeitszeit flexibler zu gestalten und flexible Arbeitszeitmodelle zu steuern. Auf einem Arbeitszeitkonto wird (i. d. R. elektronisch) die tatsächlich geleistete Arbeitszeit des Arbeitnehmers festgehalten und mit der arbeits- oder tarifvertraglich vereinbarten Arbeitszeit saldiert. Daraus entstehen bei Überschreitung der vereinbarten Arbeitszeit Plussalden ("Zeitguthaben") sowie bei Unterschreitung der vereinbarten Arbeitszeit Minussalden ("Zeitschulden").

Arbeitszeitkonten als "laufende Konten" (z. B. Gleitzeitkonto) liegt dabei die Idee zugrunde, dass Plus- und Minussalden im Rahmen der jeweiligen betrieblichen Regelungen fortlaufend ausgeglichen werden. Die Möglichkeit der Bildung von Plus- und Minussalden kann dabei sowohl betrieblichen Anforderungen (z. B. Arbeitsspitzen und "Arbeitstäler"") als auch persönlichen Interessen (bessere Berücksichtigung privater Belange) Rechnung tragen.

Eine Sonderform des Arbeitszeitkontos sind sog. Zeitwertkonten. Solche Konten dienen nicht der flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen mit dem Ziel eines regelmäßigen Ausgleichs. Sie sollen insbesondere längere Freistellungen des Arbeitnehmers unter Fortbestand des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses unterstützen (z. B. Sabbatical oder vorgezogener Ruhestandseintritt). Guthaben auf Zeitwertkonten können auch durch Umwandlung von Entgeltbestandteilen aufgebaut werden und unterliegen besonderen sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen.

Name: LI1925253 Rz:

Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Arbeitsrecht: Die Befugnis des Arbeitgebers, die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitszeit in einem Arbeitszeitkonto zu erfassen, bedarf einer tarif- oder arbeitsvertraglichen Grundlage. Bei Fehlen einer tarifvertraglichen Regelung kommt insoweit auch die Bezugnahme auf eine betriebliche Regelung in Betracht. Bei der Ausgestaltung von Arbeitszeitkonten sind insbesondere die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) und des Mindestlohngesetzes (MiLoG) zu beachten.

Lohnsteuer: Die Regelungen zur Besteuerung von Zeitwertkonten dienen der Bestimmung des Zuflusszeitpunkts von Arbeitslohn, diese sind geregelt in §§ 11, 19 EStG sowie im BMF-Schreiben v. 17.6.2009, IV C 5 - S 2332/07/004, BStBl 2009 I S. 1286. Regelungen zur lohn-/einkommensteuerlichen Anerkennung von Zeitwertkonten bei Organen von Körperschaften finden sich im BMF-Schreiben v. 8.8.2019, IV C 5 -S 2332/07/0004 :004, BStBl 2019 I S. 874.

Sozialversicherung: Bei der Auszahlung von Überstunden sind besondere Regelungen zu beachten, s. Besprechungsergebnis der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 14./15.11.2012. Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen v. 21.12.2008 (Flexi-II-Gesetz) wurden Regelungen zur Abgrenzung der Wertguthabenvereinbarungen von anderen Formen flexibler Arbeitszeitmodelle getroffen. Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger haben die sich aus dem Flexi-II-Gesetz ergebenden Änderungen im Rundschreiben v. 31.3.2009 zusammengefasst.

Name: LI3462026 Rz:

Kurzübersicht

Name: LI3462027 Rz:
Entgelt LSt SV

Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto (Ansparphase)

* Ausnahme UV
frei frei*

Auszahlung aus dem Arbeitszeitkonto (Freistellungsphase)

* Ausnahme UV
pflichtig pflichtig*
HI7540089

Arbeitsrecht

HI16022249

1 Arten und Abgrenzung

Zeitkontenmodelle basieren auf der Idee der Erfassung von Abweichungen zwischen der geleisteten und der (i. d. R. im Rahmen eines fortlaufenden Entgelts) vergüteten Arbeitszeit des Arbeitnehmers.

Positive Differenzen gegenüber der vereinbarten Arbeitszeit werden dabei in der Regel als "Zeitguthaben" oder "Plusstunden" bezeichnet; negative Differenzen als "Zeitschulden" oder "Minusstunden".

Arbeitszeitkonten sind dabei nicht zwingend auf Einlagen aus geleisteter Arbeitszeit beschränkt. Die Nutzung von (Zusatz-)Entgelten zur Erzielung von Freistellungsansprüchen bei fortlaufendem Entgelt ist häufiger Bestandteil von Langzeit- und Lebensarbeitszeitkonten als "Ansparkonten". Dabei werden Zahlungsansprüche in Ansprüche auf Freistellung, also Tausch von "Geld" in "Zeit" etwa für einen früheren Übergang in den Ruhestand oder längere "Auszeiten" innerhalb des Arbeitsverhältnisses (z. B. "Sabbatical") genutzt.

HI16022250

1.1 Zeitkonten für den fortlaufenden Zeitausgleich

Zeitkonten für den fortlaufenden Zeitausgleich sind Zeitkonten, in denen Abweichungen zwischen geleisteter und vertraglich vereinbarter Arbeitszeit fortlaufend saldiert werden. Sie sollten regelmäßig durch Freizeitnahme bzw. Nachleistung ausgeglichen werden. Zu dieser Art Zeitkonten gehören klassische Gleitzeitkonten, aber auch Ampelkonten, Jahresarbeitszeitkonten, Zeitbudgetkonten oder das "Leitplankenkonto".

Name: LI15863784 Rz:

Hinweis

Vertrauensarbeitszeit

Auch die Vertrauensarbeitszeit bewegt sich als Modell des fortlaufenden Zeitausgleichs systematisch im Bereich der Zeitkonten als Ausgleichskonto. Im Unterschied zu Zeitkontenmodellen, die auf kollektiv-einheitlichen Zeiterfassungs- und Steuerungsregeln beruhen (z. B. arbeitstägliche "Kommen/Gehen"-Erfassung mit Ampelkonto), liegt das "Ausgleichsmanagement" in der Vertrauensarbeitszeit grundsätzlich beim Arbeitnehmer und erfolgt ohne minutengenaue Saldierung der Differenz zwischen arbeitsvertraglich vereinbarter und geleisteter Arbeitszeit.

HI16022251

1.2 Zeitkonten als langfristige "Ansparkonten"

Langfristige Ansparkonten sind nicht für den fortlaufenden Zeitausgleich konzipiert. Vielmehr sollen sie Arbeitnehmern die Realisierung längerer Freistellungen unter Aufrechterhaltung der Entgeltzahlung und den mit dem Beschäftigungsverhältnis verknüpften Sozialversicherungsschutz ermöglichen.

Darüber hinaus nutzen Unternehmen sogenannte Beschäftigungssicherungskonten als Instrument einer "betrieblichen Arbeitszeitvorsorge". Das Beschäftigungssicherungskonto ermöglicht die Bildung einer Freistellungsreserve für Fälle einer krisenbedingten Unterauslastung. Damit sollen Kurzarbeit und Maßnahmen des Personalabbaus möglichst vermieden, mindestens aber verzögert werden.

Zudem kann diese Art von Zeitkonto auch in Betrieben genutzt werden, die nur beschränkte Beschäftigungsmöglichkeiten älterer Arbeitnehmer erwarten, wie etwa vollkontinuierlich arbeitende Schichtbetriebe im gewerblichen Bereich. Der Aspekt, durch das Angebot einer lebensphasenorientierten Arbeitszeitverteilung die Attraktivität des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt zu steigern, tritt hinzu.

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1.3 Abgrenzung

Die Abgrenzung von Ausgleichs- und Ansparkonten ist insbesondere unter dem Aspekt der betrieblichen Arbeitszeitsteuerung wichtig. Grundsätzlich können auch mehrere Zeitkonten nebeneinander für Beschäftigte geführt werden. Es müssen aber dabei die mit den einzelnen Kontenmodellen verbundenen Zwecke abgegrenzt werden. Eine "Verzahnung" der Zeitkontenmodelle muss sorgfältig bedacht werden, was insbesondere für das "Umbuchen" von Zeitguthaben mit dem Ziel des laufenden Ausgleichs auf Ansparkonten gilt (sog. Überlaufmodelle).

Aus rechtlicher Sicht ist insbesondere relevant, welche Zeitkontenmodelle nicht mehr nur als Arbeitszeitregelungen zur "flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen" zu bewerten sind (§ 7 Abs. 1a Satz 2 SGB IV). Denn Zeitkontenmodelle, die über diese Zwecke hinausgehen, sind nur im Rahmen sog. Wertguthabenvereinbarungen zulässig. Sie unterliegen besonderen Regelungen (u. a. Führung als "Wertkonten" auf EUR-Basis; Werterhaltungsgarantie; Insolvenzsicherungspflicht bei Überschreitung bestimmter Wertgrenzen etc.).

[ 1 ]
[ 2 ]
[ 3 ]
[ 4 ]
[ 5 ]

§ 6 Abs. 2 TVöD.

[ 6 ]

§ 95 SGB III.

[ 7 ]

§§ 95 Nr. 3, 96 Abs. 1 Nr. 3 SGB III.

[ 8 ]

§ 96 Abs. 4 Nr. 3 SGB III.

[ 9 ]

§ 101 Abs. 1 SGB III.

[ 10 ]

BMF, Schreiben v. 17.6.2009, IV C 5 – S 2332/07/004, BStBl 2009 I S. 1286.

[ 11 ]

BMF, Schreiben v. 17.6.2009, IV C 5 – S 2332/07/004, BStBl 2009 I S. 1286; BMF, Schreiben v. 8.8.2019, IV C 5 -S 2332/07/0004 :004, BStBl 2019 I S. 874; FinMin Nordrhein-Westfalen, Verfügung v. 9.8.2011, S 2332 – 81 – V B 3.

[ 12 ]

BMF, Schreiben v. 12.8.2021, IV C 5 – S 2333/19/10008 : 017, BStBl 2021 I S. 1050, Rz. 8 ff.

[ 13 ]
[ 14 ]
[ 15 ]
[ 16 ]

BFH, Urteil v. 22.2.2018, VI R 17/16, BStBl 2019 II S. 496, zum Fremd-Geschäftsführer. Nach Auffassung des BFH ist die Organstellung des Fremdgeschäftsführers für die Frage des Zuflusses von Arbeitslohn irrelevant,

BMF, Schreiben v. 8.8.2019, IV C 5 -S 2332/07/0004 :004, BStBl 2019 I S. 874.

[ 17 ]

BMF, Schreiben v. 8.8.2019, IV C 5 -S 2332/07/0004 :004, BStBl 2019 I S. 874.

[ 18 ]

BFH, Urteil v. 11.11.2015, I R 26/15, BStBl 2016 II S. 489, zum beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer. Vereinbarungen zu Zeitwertkonten sind nach Auffassung des BFH nicht mit dem Aufgabenbild eines GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers vereinbar,

BMF, Schreiben v. 8.8.2019, IV C 5 -S 2332/07/0004 :004, BStBl 2019 I S. 874.

[ 19 ]

S. Abschn. 3.3.2 und 3.3.3,

BMF, Schreiben v. 8.8.2019, IV C 5 -S 2332/07/0004 :004, BStBl 2019 I S. 874.

[ 20 ]
[ 21 ]
[ 22 ]

Thüringer FG, Urteil v. 25.11.2021 – 4 K 122/18, Rev. beim BFH unter Az. VI R 28/21.

[ 23 ]
[ 24 ]
[ 25 ]
[ 26 ]
[ 27 ]
[ 28 ]

S. Abschn. 3.3,

BMF, Schreiben v. 8.8.2019, IV C 5 – S 2332/07/0004 :004, BStBl 2019 I S. 874.

[ 29 ]

Z. B. Gleitzeitkonten.

[ 30 ]
[ 31 ]
[ 32 ]
[ 33 ]
[ 34 ]

BE v. 14./15.11.2012: TOP 10.

[ 35 ]

BE v. 23.11.2023: TOP 2.

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[ 37 ]

S. Flexible Arbeitszeit: Meldeverfahren in der Freistellungsphase und bei Störfällen,

s. Flexible Arbeitszeit: Versicherungsrechtliche Folgen bei Wertguthabenvereinbarungen.

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[ 39 ]

§§ 22 Abs. 1, 23 Abs. 3 SGB IV, § 153 SGB VII, BE v. 23./24.11.2011, TOP 10.

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