1 Arbeitsrechtliche Möglichkeiten der Versetzung
Eine Versetzung liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen wird.
1.1 Der Begriff der Versetzung
Der Begriff der Versetzung ist in § 95 Abs. 3 BetrVG definiert als die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs,
-
die die Dauer von einem Monat voraussichtlich überschreitet
oder
- die mit einer erheblichen Änderung der Arbeitsumstände verbunden ist.
Der Arbeitsbereich von Beschäftigten definiert sich nach Ort, Zeit und Inhalt der Arbeitsaufgabe. Soll hier eine nicht nur unerhebliche Änderung eintreten, liegt eine Versetzung vor. Werden Arbeitnehmer allerdings nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt, gilt die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht als Versetzung. Dies gilt vor allem für Außendienstmitarbeiter oder sogenannte Springer. Deren Arbeitsbereich ist die ständige Änderung immanent.
Der "Arbeitsbereich" wird in § 81 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs umschrieben. Er ist räumlich und funktional zu verstehen und umfasst neben dem Ort der Arbeitsleistung auch die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs liegt vor, wenn sich das Gesamtbild der bisherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert hat, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine "andere" anzusehen ist. [ 1 ] Dies kann sich aus dem Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben und der mit ihnen verbundenen Verantwortung ergeben, aus einer Änderung der Art der Tätigkeit, d. h. der Art und Weise folgen, wie die Arbeitsaufgabe zu erledigen ist, und kann mit einer Änderung der Stellung und des Platzes des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit oder auch einer Änderung der Teamzuordnung verbunden sein. [ 2 ] Im öffentlichen Dienst ist mit einer Versetzung die Zuweisung einer auf Dauer bestimmten Beschäftigung bei einer anderen Dienststelle oder einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses gemeint. [ 3 ] Der Begriff wird dort in Abgrenzung zur Abordnung und Umsetzung verwendet.
Name: LI16747200 Rz:Hinweis
Abgrenzung zur Abordnung und zur Umsetzung
Eine Abordnung ist im Gegensatz zur Versetzung grundsätzlich befristet. Nach Ablauf des vereinbarten oder vorgegebenen Zeitraums kehrt der Arbeitnehmer an seinen ursprünglichen Arbeitsplatz, den ursprünglichen Arbeitsort zurück. Die Tätigkeit selbst bleibt im Wesentlichen gleich, sie wird nur nicht mehr am ursprünglichen Arbeitsort erbracht.
Unter einer Umsetzung versteht man die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes innerhalb des Betriebs (in einen anderen Raum, eine andere Etage, ein anderes Gebäude), ohne dass die Arbeitsaufgabe an sich verändert wird. Es verbleibt beim Arbeitsort, aber nicht mehr beim konkreten räumlich definierten Arbeitsplatz ("Schreibtisch").
1.2 Durchführung einer Versetzung
Eine Versetzung kann einseitig durch den Arbeitgeber erfolgen oder es kann eine Änderungskündigung oder eine Änderungsvereinbarung mit dem Beschäftigten erforderlich sein. Dies hängt zum einen vom Inhalt des Arbeitsvertrags ab, zum anderen auch vom Umfang der Änderung.
Durch den Arbeitsvertrag ist sowohl die Arbeitsstelle als auch die Tätigkeit des Arbeitnehmers hinsichtlich ihrer Art und zeitlichen Lage genau bestimmt. Die Zuweisung einer anderen Tätigkeit, einer anderen zeitlichen Lage oder eines anderen Arbeitsorts kann aber durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers [ 4 ] erfolgen, wenn der Arbeitsvertrag eine entsprechende Versetzungsklausel enthält. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer durch seine Zustimmung zur Versetzungsklausel bereits seine Zustimmung zu einer zukünftigen Versetzung erteilt.
Name: LI16747201 Rz:Praxis-Beispiel
Formulierung einer arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel
"Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auch andere gleichwertige Tätigkeiten, die seinen Erfahrungen und Kenntnissen entsprechen, zu übernehmen, ohne dass dies einer Änderungskündigung bedarf. Gleiches gilt für die Versetzung an einen anderen Arbeitsort auch außerhalb unserer Betriebsstätte."
Existiert keine Versetzungsklausel, kann die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht einseitig vom Arbeitgeber herbeigeführt werden. Eine arbeitsvertragliche Versetzung ist dann nur mit Ausspruch einer entsprechenden Änderungskündigung oder mit der Zustimmung des Arbeitnehmers durch eine Änderungsvereinbarung möglich.
In Notfällen ist der Arbeitnehmer allerdings grundsätzlich immer verpflichtet, vorübergehende Arbeiten zu übernehmen, die von seinen arbeitsvertraglichen Aufgaben abweichen.
Das Versetzungsrecht kann durch einen Tarif- oder Einzelarbeitsvertrag erweitert oder eingeschränkt werden. Dies gilt auch für die Versetzung auf einen geringwertigeren Arbeitsplatz, die sonst grundsätzlich unzulässig ist, selbst wenn das bisherige Arbeitsentgelt weitergezahlt wird.
1.3 Billigkeitskontrolle bei einer Versetzung
Das Recht des Arbeitgebers, einen Mitarbeiter zu versetzen, wird insbesondere durch die Regelungen der §§ 307 ff., 138, 134 BGB sowie das zwingende Arbeitnehmerschutzrecht begrenzt.
Kann der Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrags sein Weisungsrecht einseitig ausüben, muss er dafür im Rahmen der Billigkeit einen sachlichen Grund haben und eine Interessenabwägung vornehmen. Der Arbeitgeber hat bei seinen Weisungen, soweit möglich, Rücksicht auf besondere Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers zu nehmen. Selbst wenn die Versetzung grundsätzlich nach den vorstehenden Ausführungen arbeitsvertraglich zulässig ist, findet das Versetzungsrecht dort seine Grenzen, wo die Versetzung nach billigem Ermessen [ 5 ] nicht mehr zumutbar ist. Dies kann durch das Arbeitsgericht überprüft werden. [ 6 ]
Name: LI16747202 Rz:Praxis-Beispiel
Änderung des Arbeitsorts
Das jahrelange Arbeiten aus dem Homeoffice begründet ein erhebliches Orts- und Bestandsinteresse des Arbeitnehmers. Möchte der Arbeitgeber die Homeoffice-Vereinbarung widerrufen, muss er sachliche Gründe darlegen, die das Interesse des Arbeitnehmers überwiegen (billiges Ermessen). Allgemeine und unkonkretisierte Aussagen zur Unternehmenskultur sind dabei nicht ausreichend. Entspricht die Weisung nicht billigem Ermessen und ist damit unwirksam, kann die Arbeitsleistung weiterhin im Homeoffice erbracht werden. Auch eine vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung ist in einem solchen Fall unwirksam. [ 7 ]
Einer unbilligen Weisung, muss der Arbeitnehmer grundsätzlich zwar nicht folgen. Allerdings trägt er das Risiko, dass das Arbeitsgericht dies u. U. anders sieht und deshalb eine Abmahnung oder eine Kündigung für berechtigt erachtet.
Befolgt der Arbeitnehmer eine unwirksame Weisung, beispielsweise an einem anderen Arbeitsort tätig zu sein, kann er vom Arbeitgeber zusätzliche Aufwendungen wie Fahrtkosten i. H. v. 0,30 EUR pro gefahrenem Kilometer vom Arbeitgeber als Schadensersatz geltend machen. [ 8 ]
Kann eine Versetzung nur durch Ausspruch einer Änderungskündigung erfolgen, gelten die Regelungen des Kündigungsschutzes. Die Änderungskündigung muss zudem sozial gerechtfertigt [ 9 ] sein.