Gruppenunfallversicherung
Zusammenfassung
Name: LI1925213 Rz:Begriff
Versicherungsbeiträge des Arbeitgebers zu einer freiwilligen Gruppenunfallversicherung gehören zum lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn der begünstigten Arbeitnehmer. Sie sind in begrenztem Umfang steuerfrei, wenn auch das Unfallrisiko bei Auswärtstätigkeiten abgesichert ist. Unter bestimmten Voraussetzungen können steuerpflichtige Versicherungsbeiträge im Zeitpunkt der Zahlung vom Arbeitgeber mit 20 % pauschal lohnversteuert werden. Abhängig von der Vertragsgestaltung liegt Arbeitslohnzufluss bereits im Zeitpunkt der Entrichtung der Beiträge durch den Arbeitgeber vor oder erst bei Eintritt des Versicherungsfalls.
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung
Lohnsteuer: Die Lohnsteuerpauschalierung bei Gruppenunfallversicherungen regelt § 40b Abs. 3 EStG. Gemäß § 3 Nr. 13 bzw. 16 EStG kann der Teil der Versicherungsbeiträge, der auf die Absicherung des Unfallrisikos bei Auswärtstätigkeiten entfällt, vom Arbeitgeber als Reisenebenkosten steuerfrei belassen werden. Die lohnsteuerrechtliche Behandlung freiwilliger Unfallversicherungen ist geregelt durch das BMF-Schreiben v. 28.10.2009, IV C 5 - S 2332/09/10004, BStBl 2009 I S. 1275.
Sozialversicherung: Die Beitragspflicht des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung ergibt sich aus § 14 Abs. 1 SGB IV. Die Beitragsfreiheit als Konsequenz der Pauschalbesteuerung ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 SvEV.
Kurzübersicht
Name: LI1925216 Rz:1 Beitragszahlungen sind Arbeitslohn
Beiträge des Arbeitgebers zu Gruppenunfallversicherungen, die er zugunsten seiner Arbeitnehmer abgeschlossen hat, führen im Zeitpunkt der Beitragsleistung zu Arbeitslohnzufluss, wenn die Ausübung der Rechte unmittelbar dem Arbeitnehmer zusteht.
1.1 Feststellung der Steuerfreiheit
Name: LI15447213 Rz:Wichtig
Anwendung der Sachbezugsfreigrenze
Die Gewährung von Unfallversicherungsschutz stellt einen Sachbezug dar, soweit bei Abschluss einer freiwilligen Unfallversicherung durch den Arbeitgeber der Arbeitnehmer den Versicherungsanspruch unmittelbar gegenüber dem Versicherungsunternehmen geltend machen kann. [ 1 ] Die Sachbezugsfreigrenze ist demnach anzuwenden.
Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist die Anwendung der Sachbezugsfreigrenze jedoch stets ausgeschlossen, wenn die Beiträge des Arbeitgebers dem Grunde nach die Voraussetzungen für die Pauschalierung nach § 40b Abs. 3 EStG erfüllen. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitgeber sein Pauschalierungswahlrecht tatsächlich ausübt.
2 Lohnsteuerpauschalierung der Beiträge
Steuerpflichtige Beiträge des Arbeitgebers sind grundsätzlich individuell nach den ELStAM des Arbeitnehmers zu versteuern. Handelt es sich jedoch um einen Gruppenunfallversicherung, in der mindestens 2 Arbeitnehmer gemeinsam versichert sind, kann die Lohnsteuer für steuerpflichtige Beiträge vom Arbeitgeber mit 20 % pauschaliert werden. [ 3 ]
Name: LI15953200 Rz:Wichtig
Betragsgrenze entfallen
Im Rahmen des Wachstumschancengesetzes wurde die Höchstgrenze von bisher 100 EUR zum 1.1.2024 aufgehoben. [ 4 ]
Achtung
Pauschalierung auch bei nachgelagerter Besteuerung
Kann ausschließlich der Arbeitgeber die Versicherungsleistung geltend machen, liegt erst im Zeitpunkt der Versicherungsleistung ein Zufluss von Arbeitslohn vor. [ 5 ]
Fraglich ist, ob im Falle der nachgelagerten Besteuerung die Pauschalierung für Gruppenunfallversicherungsbeiträge mit 20 % [ 6 ] möglich ist.
Da eine Vervielfältigung des Grenzbetrags mit der Anzahl der Beitrags- oder Beschäftigungsjahre nicht zulässig ist, lagen die Voraussetzungen für die Pauschalierung bis zum 31.12.2023 i. d. R. nicht vor.
Ab dem 1.1.2024 ist die Betragsgrenze für die Pauschalierung von Beiträgen für eine Gruppenunfallversicherung ersatzlos entfallen. Mit dem aufgehobenen Grenzbetrag [ 7 ] sollte seit dem Jahr 2024 die Pauschalierung für Gruppenunfallversicherungsbeiträge mit 20 % auch im Zeitpunkt der Versicherungsleistung möglich sein. Eine entsprechende Klarstellung der Finanzverwaltung liegt bisher jedoch nicht vor. Arbeitgeber sollten daher zu gegebener Zeit eine Anrufungsauskunft [ 8 ] bei ihrem Betriebsstättenfinanzamt stellen.
Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist die Anwendung der Sachbezugsfreigrenze stets ausgeschlossen, wenn die Beiträge des Arbeitgebers dem Grunde nach die Voraussetzungen für die Pauschalierung nach § 40b Abs. 3 EStG erfüllen. [ 9 ]
Name: LI15953202 Rz:Praxis-Beispiel
Gruppenunfallversicherung
Der Arbeitgeber hat für 10 Arbeitnehmer eine Gruppenunfallversicherung abgeschlossen. Der Beitrag je Arbeitnehmer beträgt monatlich 30 EUR. Die Voraussetzungen der Pauschalierung nach § 40b Abs. 3 EStG sind erfüllt.
Die monatlichen Beiträge des Arbeitgebers sind nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht im Rahmen der 50-EUR-Freigrenze begünstigt, da die Voraussetzungen für die Pauschalierung mit 20 % dem Grunde nach erfüllt sind. Hierfür ist unbedeutend, ob der Arbeitgeber die Beiträge tatsächlich pauschaliert oder individuell nach den ELStAM des jeweiligen Arbeitnehmers versteuert.
3.1 Arbeitnehmer ohne unmittelbaren Versicherungsanspruch
Handelt es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung [ 10 ] , bei der die Ausübung der Rechte ausschließlich dem Arbeitgeber zusteht, fließen die Beiträge nicht bereits im Zeitpunkt der Zahlung zu, sondern kumuliert bei Gewährung der Versicherungsleistung im Schadensfall. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unfall im beruflichen oder im privaten Umfeld eingetreten ist.
Ermittlung der nachzuversteuernden Beitragszahlungen
Erhält ein Arbeitnehmer Leistungen aus einem entsprechenden Vertrag, führen die bis dahin entrichteten, auf den Versicherungsschutz des Arbeitnehmers entfallenden Beiträge im Zeitpunkt der Auszahlung zu Arbeitslohn in Form von Barlohn. Die Zuflusshöhe ist begrenzt auf die dem Arbeitnehmer ausgezahlte Versicherungsleistung. Zur Ermittlung des Arbeitslohns sind alle seit Beginn des Arbeitsverhältnisses entrichteten und noch nicht versteuerten Beiträge zu berücksichtigen. Bei einem Wechsel des Arbeitgebers sind ausschließlich die seit Beginn des neuen Dienstverhältnisses entrichteten Beiträge zu erfassen.
Aus Vereinfachungsgründen können die auf den Versicherungsschutz des Arbeitnehmers entfallenden Beiträge unter Berücksichtigung der Beschäftigungsdauer auf Basis des zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls geleisteten Versicherungsbeitrags hochgerechnet werden. [ 11 ]
Name: LI7945761 Rz:Praxis-Tipp
Anwendung der Fünftelregelung prüfen
Bei den im Zeitpunkt der Versicherungsleistung zu besteuernden Beiträgen kann es sich um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit handeln, die nach der Fünftelregelung ermäßigt besteuert werden kann. [ 12 ]
Praxis-Beispiel
Arbeitslohnzufluss ohne unmittelbaren Rechtsanspruch
Ein Arbeitgeber schließt im Januar für 10 Arbeitnehmer eine Gruppenunfallversicherung ab. Er zahlt monatlich Versicherungsbeiträge von 20 EUR je Arbeitnehmer. Ein Mitarbeiter erleidet im Juni einen Unfall auf dem Weg zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und erhält eine Versicherungsleistung von 1.000 EUR.
Ergebnis: Haben die Arbeitnehmer keinen unmittelbaren Versicherungsanspruch, fließt nur dem verunglückten Mitarbeiter bei Eintritt des Versicherungsfalls Arbeitslohn i. H. v. 120 EUR zu (6 Monatsprämien zu 20 EUR). Den übrigen Arbeitnehmern fließt kein Arbeitslohn zu.
[ 1 ] |
BMF, Schreiben v. 15.3.2022, IV C 5 – S 2334/19/10007 :007, BStBl 2022 I S. 242, Rz. 7. |
[ 2 ] |
BMF, Schreiben v. 15.3.2022, IV C 5 – S 2334/19/10007 :007, BStBl 2022 I S. 242, Rz. 29, |
[ 3 ] | |
[ 4 ] |
§ 40b Abs. 3 EStG i. d. F. des Wachstumschancengesetzes. |
[ 5 ] |
S. Abschn. 3.1. |
[ 6 ] | |
[ 7 ] |
S. Abschn. 1.1.5. |
[ 8 ] | |
[ 9 ] |
S. Abschn. 1. |
[ 10 ] |
§ 179 Abs. 1 Satz 2 VVG i. V. m. §§ 43-48 VVG. |
[ 11 ] |
BMF, Schreiben v. 28.10.2009, IV C 5 – S 2332/09/10004, BStBl 2009 I S. 1275, Tz. 2.1.2. |
[ 12 ] | |
[ 13 ] | |
[ 14 ] | |
[ 15 ] | |
[ 16 ] |
§ 3 Nr. 13 oder 16 EStG. |
[ 17 ] |
BMF, Schreiben v. 28.10.2009, IV C 5 – S 2332/09/10004, Tz. 1.4, BStBl 2009 I S. 1275. |
[ 18 ] | |
[ 19 ] |
S. Abschn. 2. |