BAG Urteil vom 02.03.1989 - 2 AZR 280/88
Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Berücksichtigung von Unterhaltspflichten bei Interessenabwägung
Leitsatz (redaktionell)
Bei einer außerordentlichen Kündigung, die auf ein vorsätzliches Vermögensdelikt zum Nachteil des Arbeitgebers gestützt wird, sind Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers im Rahmen der Interessenabwägung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Sie können allenfalls dann Bedeutung gewinnen, wenn eine durch Unterhaltspflichten bedingte schlechte Vermögenslage das bestimmende Motiv für die Tat gewesen ist und den Schuldvorwurf mindern kann.
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 30.06.1987; Aktenzeichen 2 (5) Sa 491/86) |
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 04.06.1986; Aktenzeichen 5 Ca 429/86) |
Tatbestand
Der im Jahre 1935 geborene, in O wohnhafte Kläger war bei der Beklagten, die Bremsbeläge herstellt und vertreibt, zuletzt in deren Vertriebslager E zunächst als Außendienstmitarbeiter und jedenfalls ab 1. Oktober 1985 als kommissarischer Lagerleiter beschäftigt. Sein Monatsverdienst betrug zuletzt 4.150,-- DM.
Im September 1985 stellte die Beklagte fest, daß andere Lager buchmäßig mit Warenzugängen aus dem Lager E belastet worden waren, tatsächlich aber keine Waren erhalten hatten (sog. Umlieferungen). Diese Vorgänge waren zunächst unentdeckt geblieben, weil im Lager E in Originallieferscheinen über Lieferungen an andere Vertriebslager nachträglich weitere, tatsächlich nicht durchgeführte Lieferungen eingetragen, die Originale, entsprechend der buchungstechnischen Organisation der Beklagten, an das Stammhaus übersandt, in den dortigen Zentralcomputer eingegeben wurden und hierdurch der Warenbestand im Lager E buchmäßig um die unrichtig eingetragenen Warenmengen verringert wurde. Das Empfängerlager erhielt die Durchschrift des Lieferscheins, in der nur die tatsächlich gelieferte Ware eingetragen war.
Die Beklagte veranlaßte daraufhin weitere Nachforschungen und führte am 1. und 4. Oktober 1985 in der Zentrale Unterredungen mit dem Kläger und der Angestellten K, der Leiterin des Innendienstes des Lagers E. Beide Angestellte gaben an, aus Gründen des Wettbewerbs und der Erhaltung von Kunden erhebliche Naturalrabatte (in den Aktennotizen als "Nara" bezeichnet) eingeräumt und, entgegen den Weisungen des Stammhauses, unverkäufliche Altbestände gegen Gutschrift zurückgenommen zu haben. Die hierdurch entstandenen Fehlmengen seien durch Inventurausbuchungen und Bruchabschreibungen buchmäßig ausgeglichen worden.
In der das Ergebnis der beiden Unterredungen zusammenfassenden Aktennotiz vom 8. Oktober 1985 heißt es, der Kläger und die Angestellte K hätten erklärt, sie "könnten" und "wollten" keine konkreten Angaben zu den Umlieferungen machen. In dem von der Beklagten gefertigten "Protokoll" vom 2. Oktober 1985 ist festgehalten, in dem Zeitraum vom 1. August bis 17. September 1985, in dem nach den damaligen Feststellungen Fehlmengen aufgetreten seien, seien nur diese beiden Mitarbeiter ständig im Lager E anwesend gewesen. Man habe darauf hingewiesen, daß die Angestellte K als Innendienstleiterin und der Kläger als zukünftiger Lagerleiter nach dem Ausscheiden des bisherigen Lagerleiters S zu diesem Thema hätten befragt werden müssen.
Die Beklagte stellte weitere Nachforschungen an und erstattete unter dem 22. November 1985 bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht E Strafanzeige gegen Unbekannt.
Ende November 1985 erhielt die Beklagte zwei anonyme Schreiben, die, wie sich später herausstellte, von der im Lager E beschäftigten Kontoristin B stammten. Darin wurde der Beklagten mitgeteilt, daß Lieferscheine der Zentrale über insgesamt 154 Satz Scheibenbremsbeläge Fehlmengen aufwiesen, die jedoch fingiert seien. Der jeweils zur Bestätigung der Lieferung angebrachte Haken (sog. O.K.-Haken) sei in den Buchstaben f verfälscht worden. Die so verfälschten Lieferscheine habe sämtlich die Angestellte K abgezeichnet. Um die hierdurch veranlaßten Nachlieferungen der Zentrale aus dem Lager zu schaffen, erscheine ein gewisser Herr L, ein Bekannter der Angestellten K und des Klägers, und hole Ware ohne Empfangsbestätigung ab.
Am 6. Januar 1986 wurden bei einer von dem Gebietsleiter R veranlaßten Kontrolle im Pkw der Angestellten K ca. 150 Satz Bremsbeläge vorgefunden, über die keine schriftlichen Bestell- oder Lieferpapiere vorlagen. Die Angestellte K erklärte, eine Firma F habe die Ware bestellt und sie habe sie dort ausliefern sollen. In einer Telefonnotiz der Rechtsabteilung der Beklagten vom selben Tag ist festgehalten, eine Nachfrage bei der Firma F habe ergeben, daß diese bei der Angestellten K nur vier Satz Bremsbeläge bestellt habe und ein Irrtum ausgeschlossen sei, weil diese Firma immer nur den jeweiligen Tagesbedarf und demgemäß nicht mehr als höchstens fünf Satz Beläge bestelle.
Die Beklagte suspendierte daraufhin die Angestellte K und den Kläger mit sofortiger Wirkung. Unter dem Datum des 6. Januar 1986 teilte sie ferner dem Betriebsrat in zwei Schreiben ihre Absicht mit, dem Kläger fristlos, vorsorglich fristgemäß zu kündigen. Das die fristlose Kündigung betreffende Schreiben enthält Name, Geburts- und Eintrittsdatum des Klägers sowie folgende Begründung: "Der nachstehend aufgeführte Vorfall wurde am 6. Januar 1986 mit dem Betriebsratsvorsitzenden, Herrn Kr und Herrn Sch, (Betriebsratsmitglied) ausführlich besprochen.
Wir verweisen auf die beigefügte Strafanzeige vom 22. Nov. 1985, die Telefonnotiz vom 28. November 1985 sowie div. Schreiben von Frau B nebst gefälschten Lieferscheinen. Der seit Sommer 1985 gegen die Mitarbeiter K und Z bestehende Verdacht des Betruges und der Unterschlagung hat sich, wie aus den Beilagen ersichtlich, bestätigt. Seit November 1985 hat Frau K nachweislich Bremsbeläge in der Weise unterschlagen, daß sie diverse Fehlmengen auf den Lieferscheinen V031 manipuliert hat (siehe Anlagen). Die Unterschlagung bestätigt sich im letzten Akt dadurch, daß am 6.1.86 folgender Sachverhalt aufgedeckt worden ist:
Aufgrund einer Mitteilung des Mitarbeiters D hat der Vertriebsgebietsleiter, Herr R, durch eigene Inaugenscheinnahme festgestellt, daß Frau K 150 Sätze DB-Bremsbeläge in ihrem Privat-Pkw versteckt hielt. Eine Erklärung für diese Handlungsweise konnte von Frau K nicht gegeben werden. Die zunächst angegebene Begründung, es handele sich um eine bestellte Lieferung an die Firma F, konnte durch sofortigen Anruf ebendort widerlegt werden. Das bisher festgestellte Schadensvolumen beträgt ca. DM 300.000,--.
Als Lebensbegleiter von Frau K befand sich Herr Z in Kenntnis sämtlicher Vorgänge und Handlungen von Frau K und hat daher diese zumindest billigend in Kauf genommen. Als Lagerleiter wäre es hingegen seine Pflicht gewesen, die Unregelmäßigkeiten zu beenden.
Aus vorgenannten Gründen wurde Herr Z mit Wirkung vom 6. Jan. 1986 von der Arbeit freigestellt. Das Anstellungsverhältnis ist fristlos zu kündigen. Beide Schreiben tragen den Eingangsstempel des Betriebsrats vom 7. Januar 1986. Das die fristlose Kündigung betreffende Schreiben enthält ferner den von dem Betriebsratsvorsitzenden unterschriebenen Vermerk "Die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG fand am 9. Januar 1986 statt" und den Stempelaufdruck "Betriebsrat erhebt keine Einwendungen". Das die ordentliche Kündigung betreffende Schreiben enthält den gleichen Vermerk ohne weiteren Stempelaufdruck.
Mit Schreiben vom 10. Januar 1986, dem Kläger zugegangen am 11. Januar 1986, kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos, hilfsweise fristgemäß mit folgender Begründung: "wir kündigen den mit Ihnen bestehenden An stellungsvertrag wegen Betruges und Unterschlagung von Bremsbelägen fristlos zum 16. Januar 1986.
Der durch objektive Tatsachen begründete Verdacht Ihrer strafbaren Handlung stellt eine derart schwere Vertragspflichtverletzung dar, daß uns die Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann.
Sollte die fristlose Kündigung aus einem uns unbekannten Grund nicht wirksam werden, kündigen wir gleichzeitig hilfsweise fristgerecht zum 30. September 1986.
Der Betriebsrat ist zu diesen Kündigungen gehört worden." Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit der vorliegenden, am 16. Januar 1986 bei Gericht eingegangenen Klage gewandt.
Er hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten und vorgetragen, die Beklagte habe dem Betriebsrat seine ihr bekannte Unterhaltspflicht für einen Sohn und damit einen für die Beurteilung wesentlichen Umstand nicht mitgeteilt. Im übrigen sei durch die Mitteilungsschreiben der Beklagten an den Betriebsrat (sog. Anhörungsbögen) nur nachgewiesen, daß sie geschrieben worden seien. Selbst wenn sich aber die darin geschilderten Vorgänge tatsächlich so abgespielt hätten, stehe noch nicht fest, wann die Anhörung abgeschlossen worden sei. Der Kläger hat weiter geltend gemacht, daß kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliege und auch die vorsorgliche ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt sei. Er hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis
durch die Kündigung vom 10. Januar 1986
weder außerordentlich noch ordentlich zum
30. September 1986 beendet ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen:
Sie habe den Betriebsrat ordnungsgemäß angehört. Die Anhörungsbögen seien am 6. Januar 1986 ausgestellt, von dem Personalleiter F unterschrieben und trügen den Eingangsstempel des Betriebsrats vom 7. Januar 1986. Am 9. Januar 1986 habe die Betriebsratssitzung stattgefunden. Nach Rücksendung der Bögen an die Personalabteilung sei am 10. Januar 1986 das Kündigungsschreiben auf Weisung des Personalleiters ausgefertigt und in zweifacher Ausfertigung als Einschreiben mit Rückschein und als einfacher Brief an den Kläger abgesandt worden.
Zum wichtigen Kündigungsgrund hat die Beklagte geltend gemacht, es sei sicher, daß der Kläger gemeinsam mit der ebenfalls fristlos entlassenen Angestellten K, mit er er seit Jahren in eheähnlicher Gemeinschaft zusammenlebe, betrügerische Manipulationen begangen habe.
Die Beklagte hat zunächst ihre in den Aktennotizen vom Oktober 1985 sowie in der Strafanzeige gegebene Darstellung über die Vortäuschung von Umlieferungen an andere Vertriebslager wiederholt und vorgetragen, insgesamt sei in den Monaten April bis September 1985 die Lieferung von 2641 Satz Bremsbeläge fingiert, aber tatsächlich nicht durchgeführt worden. Auffällig sei, daß diese Manipulationen während des gemeinsamen Urlaubs der beiden Angestellten unterblieben und seit dem 1. Oktober 1985, als ausschließlich ihnen diese Vorgänge mitgeteilt worden seien, nicht mehr aufgetreten seien.
Der Kläger habe des weiteren zugelassen, daß in demselben Zeitraum durch Ausstellung entsprechender Lieferscheine Inventurdifferenzen über 6932 Satz Scheibenbremsbeläge zu einem Verkaufswert von 19.000,-- DM an das Stammhaus gemeldet und dort über EDV korrigiert worden seien, obwohl keine Inventuren durchgeführt worden seien, so daß die als Minus gemeldete Ware zur eigenmächtigen Verwendung zur Verfügung gestanden habe. Der Kläger habe in den Unterredungen Anfang Oktober 1985 erklärt, verschiedenen Kunden Naturalrabatte gewährt zu haben. Er sei jedoch ebensowenig wie die Angestellte K der sogleich an ihn gerichteten Aufforderung nachgekommen, die Kunden zu nennen und eine entsprechende Aufstellung vorzulegen. Naturalrabatte würden nur ausnahmsweise und mit ausdrücklicher Genehmigung der Verkaufsleitung im Stammhaus gewährt. Dem Kläger sei somit die Beteiligung an einer Unterschlagung in nicht unwesentlicher Größenordnung schuldhaft vorzuwerfen.
Die Angestellte K habe weiter in demselben Zeitraum durch Ausstellung entsprechender Lieferscheine insgesamt 1342 Satz Bremsbeläge im Wert von 21.000,-- DM fälschlich als zu Bruch gegangen gemeldet. Auch dieses Vorgehen habe der Kläger mit getragen und erfolglos mit Gewährung von Naturalrabatten zu erklären versucht.
Seit August 1985 habe die Angestellte K durch Verfälschung von Lieferscheinen in der in den anonymen Schreiben vom November 1985 dargestellten Weise tatsächlich nicht bestehende Fehlmengen vorgetäuscht und dadurch kostenlose Ersatzlieferungen aus der Zentrale veranlaßt. Den ersten Hinweis habe sie, die Beklagte, durch dieses Schreiben erhalten. Es stehe für sie fest, daß der Kläger auch dieses Vorgehen der Angestellten K unterstützt habe. In langwierigen Nachforschungen habe sie hierfür sprechende Vorgänge ermittelt. So habe kurz vor dem 25. November 1985 der Angestellte D eine Warenlieferung von 351 Satz Bremsbelägen gezählt, als in Ordnung befunden und dies auf dem Lieferschein wie üblich mit einem Haken vermerkt. Der so abgezeichnete Lieferschein sei an die Angestellte K und von dieser an die Kontoristin B zur Ablage weitergeleitet worden. Diese und der Angestellte D hätten festgestellt, daß der Lieferschein verfälscht worden sei, indem der Haken in ein "f" (= Fehlmenge) verändert und eine Fehlmenge von 40 Satz vermerkt worden sei. Der Kläger habe dies durch ein Handzeichen bestätigt. Die Angestellte B habe eine Kopie dieses Lieferscheins gefertigt. Während dieser Vorgänge habe sich ein Mitarbeiter des Zentrallagers telefonisch über extrem hohe Fehllieferungen im Lager E beschwert. Daraufhin hätten die Angestellte K und der Kläger auf dem Lieferschein die (angebliche) Fehlmenge und das Handzeichen des Klägers durchgestrichen. Die Angestellte B habe zwei Tage später hiervon ebenfalls eine Kopie gefertigt. Dieses Vorgehen sei nur damit zu erklären, daß der Kläger die Fehlmenge zuvor wahrheitswidrig bestätigt habe.
Die auf diese Weise zur eigenmächtigen Verfügung erlangten Waren seien unter Beteiligung des Klägers aus dem Lager geschafft worden. Seit Anfang November 1985 habe der Kaufmann L, ein Bekannter des Klägers, zusammen mit diesem und der Angestellten K Bremsbeläge ohne Empfangsbestätigung oder sonstige rechnerische und buchungsmäßige Erfassung auf sein Fahrzeug geladen und aus dem Lager geschafft. Der Kaufmann L sei ihr als Kunde unbekannt gewesen.
Bei der in der Strafanzeige und in den Anhörungsbögen geschilderten, am 6. Januar 1985 vorgenommenen Überprüfung des Pkw der Angestellten K habe sich der von dem Gebietsleiter R zugezogene Kläger als Vorgesetzter der Angestellten K nicht zu dem Vorgang geäußert. Tatsächlich habe die Firma F bei der Angestellten K nur zwei Satz Bremsbeläge bestellt, die mit dem entsprechenden Lieferschein auf dem Beifahrersitz gelegen hätten. Hierauf angesprochen habe die Angestellte K erklärt, daß sie sich hinsichtlich der 150 Satz Bremsbeläge wohl verhört haben müsse.
Nach alledem könne kein Zweifel bestehen, daß sich der Kläger in mehreren Fällen durch aktives Tun oder Unterlassen, als Täter oder als Teilnehmer des Diebstahls bzw. der Unterschlagung, aber auch des Betrugs und der Urkundenfälschung, mit Gewißheit aber des gröblichsten Verstoßes gegen die Treuepflicht schuldig gemacht habe. Bis zum 30. September 1985 möge eine direkte Einflußnahme des Klägers im Hinblick auf seine Außendienstmitarbeitertätigkeit schwierig gewesen sein. Trotzdem entspreche es der Lebenserfahrung, daß ein eheähnlich zusammenlebendes Paar darüber spreche, wenn schwergewichtige Bremsbelagpartien im Kofferraum transportiert würden. Jedenfalls ab 1. Oktober 1985 treffe den Kläger als Lagerleiter die volle Verantwortung für alle Vorgänge. Sie habe auch die zweiwöchige Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Der Arbeitgeber sei nicht gehalten, bereits bei Verdachtsmomenten die Kündigung auszusprechen und damit seine eigenen Bemühungen um Aufklärung über Vorgehensweise und Schadensumfang zu gefährden. Ihm müsse vielmehr Gelegenheit gegeben werden, ohne Hast die Vorgänge aufzuklären. So sei es hier geschehen. Nach Aufdeckung am 6. Januar 1986 und Information des Betriebsrats sei die Kündigung ausgesprochen worden.
Der Kläger hat erwidert:
Für Vorgänge aus der Zeit von April bis September 1985 treffe ihn als damaligen Außendienstmitarbeiter keine Verantwortung für die Kontrolle von Umlieferungen und Inventurdifferenzen. Erst ab 1. Oktober 1985 sei er kommissarischer Lagerleiter gewesen. Er lebe mit der Angestellten K nicht in eheähnlicher Gemeinschaft. Im übrigen bestreite er die gegen die Angestellte K erhobenen Vorwürfe. Sie habe seit ihrer Ernennung zur kommissarischen Innendienstleiterin im Mai 1984 kaum noch Lieferscheine ausgefüllt. Umlieferungen habe grundsätzlich die Kontoristin B geschrieben. Manipulationen der von der Beklagten geschilderten Art hätten von allen Angestellten des Lagers begangen werden können. In den Unterredungen Anfang Oktober 1985 habe er die Unterstellung, durch fingierte Umlieferungen Waren für Naturalrabatte freizubekommen, zurückgewiesen.
Er habe auch nur von Naturalrabatten über insgesamt 20 Kilogramm gesprochen. Jede Lieferung sei handschriftlich von einer Angestellten auf einem Lieferschein durch Zusätze wie "kostenlos" vermerkt worden. Diese Art der Rabattgewährung sei betriebsüblich. Kundennamen habe er nicht genannt, weil die Beklagte alle Lieferscheinkopien aus dem Lager entfernt habe. Die von der Angestellten K auf den Lieferscheinen vermerkten Fehlmengen hätten tatsächlich bestanden. Es sei nicht feststellbar, wer die Lieferung falsch abgehakt habe, weil die Scheine nicht persönlich abgezeichnet worden seien. Für die Warenannahme seien mehrere Angestellte tätig gewesen. Ein Haken auf dem Lieferschein habe nicht zwingend die Bestätigung der Vollständigkeit der Lieferung bedeutet. Der Lieferschein über rund 300 Satz Bremsbeläge sei mit einem Haken versehen, gleichwohl aber sei die Ware nicht ordnungsgemäß gezählt worden. Die Angestellte K habe diesen Lieferschein auch nicht zur Abzeichnung vorgelegt erhalten und an die Kontoristin B weitergeleitet. Vielmehr habe sie ihn als Stichprobe kontrolliert und dabei das Fehlen von 40 Satz festgestellt. Sie habe daraufhin ihn, den Kläger, zugezogen und er habe die Fehlmenge bestätigt. Später habe er dann in dem Telefongespräch mit dem Mitarbeiter des Zentrallagers auf diese erneut festgestellte hohe Fehlmenge hingewiesen und sich den Lieferschein bringen lassen. Der Mitarbeiter habe eine solche Fehlmenge als unmöglich bezeichnet und ihre Ausbuchung angeordnet. Hierzu sei er, der Kläger nicht bereit gewesen und habe deshalb den Vermerk der Angestellten K sowie sein Handzeichen durchgestrichen.
Dem Kaufmann L, der einen Kfz-Teilhandel gegründet habe, habe er am 1. November 1985 ein sog. Handlager (Konsignationslager) für sechs Monate befristet eingerichtet. Die Einrichtung solcher Lager als Starthilfe durch einen langjährigen Mitarbeiter sei im Unternehmen üblich. Der Kunde habe an sechs Tagen im November und am 16. Dezember 1985 die Ware abgeholt. Sein Fahrzeug habe regelmäßig der Angestellte Gl beladen. Die Ware sei, wie in solchen Fällen üblich, auf provisorischen Lieferscheinen vermerkt worden.
Am 6. Januar 1986 habe die Angestellte K in den Kofferraum ihres Wagens vier Abmaße a' 30 Satz, insgesamt 120 Satz Bremsbeläge verbracht, um sie an die Firma F auf eine telefonische Bestellung hin auszuliefern. Tatsächlich habe diese Firma aber, wie sich später herausgestellt habe, nur vier Satz bestellt. Die Angestellte K habe an diesem Tag unter starken Kopfschmerzen gelitten. Sie sei der festen Überzeugung gewesen, daß die Firma F die eingeladene Warenmenge bestellt habe, könne aber einen Irrtum nicht ausschließen. Die auf dem Beifahrersitz ihres Wagens vorgefundenen Bremsbeläge habe die Firma F bereits während ihres Urlaubs am 3. Januar 1986 bestellt; sie hätten absprachegemäß am 6. Januar 1986 ausgeliefert werden sollen.
Die Beklagte hat entgegnet, die Einrichtung des Konsignationslagers für den Kaufmann L widerspreche den auch dem Kläger bekannten Grundsätzen ihres Unternehmens. Er sei in seiner Stellung hierzu nicht befugt gewesen. Für einen Neukunden könne erst nach Überprüfung seiner Bonität durch ihre Rechtsabteilung, die entsprechende Auskünfte einhole, nach seiner Aufnahme in die Kundenkartei und der Festlegung der monatlichen Kredithöhe ein Lager eingerichtet werden. Der Vertriebslagerleiter müsse dann den Handlagerbestand kontrollieren und eine Inventur vornehmen. Dies alles habe der Kläger im Falle L unterlassen. Er habe ihn ihr nicht einmal als Neukunden benannt. In ihrem Eigentum stehende Waren sollten dem Kaufmann L widerrechtlich überlassen werden. Es könne kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, daß der Kläger an dem Verkaufserlös für diese Ware teilhatte.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.
Während des Berufungsverfahrens hat die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Essen - 17 Js 579/85 - am 23. Dezember 1986 Anklage gegen den Kläger und die Angestellte K wegen Unterschlagung und Betrugs, gegen die Angestellte K zusätzlich wegen Urkundenfälschung und gegen den Kaufmann L wegen Hehlerei zum Nachteil der Beklagten erhoben. Die Beklagte hat eine Abschrift der Anklageschrift zu den Akten gereicht.
Das Landesarbeitsgericht hat zur Frage der Betriebsratsanhörung nach "informatorischer" Anhörung des Personalleiters F der Beklagten und Vernehmung des Betriebsratsvorsitzenden als Zeugen die Klage abgewiesen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.