LAG Köln Urteil vom 03.08.2007 - 4 Sa 233/07
Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung. Wirksamwerden des Änderungsangebots. Einhaltung der Kündigungsfrist
Leitsatz (amtlich)
Zur Unzulässigkeit des Auseinanderfallens des Zeitpunktes, an dem das Änderungsangebot wirksam werden soll, und des aufgrund der geltenden Kündigungsfristen einzuhaltenden Beendigungszeitpunktes (im Anschluss an BAG 21.09.2006 – 2 AZR 120/06).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.12.2006 – 17 Ca 6364/06 – wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 19.07.2006 nicht beendet worden ist und auch nicht zum 30.06.2007 beendet wird.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung.
Die bei Ausspruch der Änderungskündigung 48jährige Klägerin war seit dem 01.04.1991 aufgrund des am 13.02.1991 abgeschlossenen Arbeitsvertrages (Bl. 7/8) in der Verwaltung des Betriebes der Beklagten in K, in dem mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt waren, tätig. Sie war im Bereich Purchaising/Facilities nicht nur als Sekretärin des Leiters der Abteilung, sondern mit weiteren Aufgaben beschäftigt, wegen deren Einzelheiten auf die als solche unstreitige Darstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 04.12.2006 (Bl. 110/111 d. A.) verwiesen wird.
Die Klägerin bezog zuletzt ein Monatsbruttogehalt von 3.675,00 EUR.
In Ziffer 15 des Arbeitsvertrages ist vereinbart:
Auf das Arbeitsverhältnis finden, soweit in diesem Vertrag nichts anderes vereinbart ist, die jeweils gültigen Tarifvertrage für Mitarbeiter im Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalens, die jeweils gültige Arbeits- und Betriebsordnung sowie die jeweils geltenden Betriebsvereinbarungen Anwendung.
Aufgrund § 7 Nr. 2 Unterabsatz 2 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Groß- und Außenhandels Nordrhein-Westfalens beträgt für ein Arbeitsverhältnis, dass zwölf Jahre bestanden hat, die Kündigungsfrist 6 Monate zum Ende eines Kalendermonats. Nach Unterabsatz 9 des § 7 Nr. 2 gilt für das Arbeitsverhältnis der Klägerin Folgendes:
„Für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen, die vor dem 15.10.1993 begründet und die bis zum 26.05.1994 nicht rechtskräftig beendet worden sind, gelten abweichend von den vorstehenden Fristen die bis zum 15.10.1993 geltenden einzelvertraglichen und tarifvertraglichen Regelungen, es sei denn, die vorstehenden Regelungen sind für den Arbeitnehmer günstiger.”
Aufgrund der bis zum 15.10.1993 geltenden tarifvertraglichen Regelungen beträgt die Kündigungsfrist für das Arbeitsverhältnis der Klägerin 6 Monate zum Quartal.
Die Beklagte ist mit ihrem Firmensitz und den unternehmerischen Aktivitäten von K nach B in das S C am P P umgezogen. Dieses war von der Konzernleitung der S Corporation in T mit der Maßgabe beschlossen worden, dass im Verlaufe des Geschäftsjahres 2006 die unternehmerischen Aktivitäten der Beklagten von K, H-E-Straße, nach B in das S C verlagert werden sollten. Die Entscheidung zum Umzug nach B hatte zur Konsequenz, dass schrittweise fast sämtliche Arbeitsplätze von K nach B verlagert wurden.
Hierzu wurde am 21.04.2006 ein Interessenausgleich abgeschlossen, wegen dessen genauen Inhalts auf Blatt 25 – 34 d. A. Bezug genommen wird.
Darin wird unter anderem die schrittweise Verlagerung der Arbeitsplätze nach B geregelt. Es wurde weiter vereinbart, dass auf die Betriebsänderung der Rahmensozialplan vom 31.01.2006 (Bl. 35 ff. d. A.) Anwendung findet. Dieser Rahmensozialplan sieht Abfindungen für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor, die eine Weiterbeschäftigung in B ablehnen. Die Klägerin hätte daraus einen Anspruch auf eine Abfindung von über 80.000,00 EUR.
Die Klägerin war dem Bereich „Purch & Administration 3” zugeordnet, wofür nach der Anlage 1 zum Interessenausgleich eine Standortverlagerung nach B für den 01.05.2007 vorgesehen war. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Arbeitsplatz aufgrund der Verlegung nach B erst zum 11.05.2007 in entfallen sollte.
In K sollte hingegen der sogenannte Bereich „PSE (Professional Solutions Europe)” verbleiben. Dieser Bereich betreut professionelle Kunden, wie beispielsweise R, W, S, V und Krankenhäuser in der Region.
Die Mitarbeiter, die aus diesem Bereich in K verbleiben sollten, sind in der Anlage 3 zum Interessenausgleich (Bl. 34 d. A.) namentlich benannt. Für weitere Mitarbeiter war eine Verlagerung der Arbeitsplätze in ein „Home Office” vorgesehen. Über diese verhält sich die Anlage 2 zum Interessenausgleich (Bl. 33 d. A.). Es handelt sich im Wesentlichen um Außendienstmitarbeiter. Es ist zwischen den Parteien streitig, ob auch für die Klägerin ein Arbeitsplatz mit einem Home Office hätte eingerichtet werden können und ob die Klägerin mit einzelnen in K verbliebenen Mitarbeitern im Sinne der sozialen Auswahl vergleichbar sei.
Ein einvernehmliches Versetzungsangebot nach B nahm die Klägerin nicht an.
Mit Schreiben vom 05.07.2006 hörte die Beklagte den in K gebildeten Betriebsrat zu einer ordentlichen, fristgerechten Änderungskündigung an. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf Blatt 52/53 d. A. Bezug genommen. Der Betriebsrat widersprach in seiner Stellungnahme vom 17.07.2006 (Bl. 54/55 d. A.) der beabsichtigten ordentlichen Änderungskündigung.
Die Klägerin war als Ersatzmitglied zum Betriebsrat gewählt worden. Während die Klägerin allgemein behauptet hat, sie verfüge aufgrund ihrer Tätigkeit im Betriebsrat über den Sonderkündigungsschutz, hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin in den Betriebsrat nachgerückt sei.
Mit Schreiben vom 19.07.2006, zugegangen am 26.07.2006 sprach die Beklagte der Klägerin eine Änderungskündigung aus. Darin heißt es unter anderem:
Sehr geehrte Frau,
hiermit kündigen wir den zwischen Ihnen und uns bestehenden Arbeitsvertrag aus betriebsbedingten Gründen fristgerecht zum 11.05.2007.
Der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß zu dieser Kündigung angehört und hat der Kündigung widersprochen. Eine Kopie des Widerspruchs legen wir diesem Schreiben bei.
Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, das Arbeitsverhältnis am Standort S C B, P P, zu ansonsten unveränderten Konditionen weiterzuführen. Sollten Sie unser Angebot annehmen, so bitten wir eine Kopie dieses Schreibens unterschrieben bis spätestens 3 Wochen nach Erhalt an die Personalabteilung zurück zu geben. Sollten Sie Ihr Einverständnis bis zu diesem Zeitpunkt nicht erklärt und fristgerecht an H R gesandt haben, so endet das Arbeitsverhältnis gemäß Interessenausgleich Ziffer 4 mit dem Ablauf des Monats, in den die Verlagerung des Bereichs fällt, d. h. in Ihrem Fall endet das Arbeitsverhältnis mit dem 31.05.2007. Hierfür gelten die Bedingungen des Sozialplans vom 31.01.2006 sowie des Interessenausgleiches vom 21.04.2006.
Gegen diese Änderungskündigung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 09.08.2006 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage. Außer auf die von ihr behauptete Möglichkeit der Weiterbeschäftigung mit einem Home Office und der von ihr erster Linie hinsichtlich der Mitarbeiterin K aus dem Bereich PSE gerügten sozialen Auswahl meint die Klägerin, dass die Kündigung schon gemäß § 102 BetrVG unwirksam sei. Dazu meint sie, die Beklagte habe den Betriebsrat darauf hinweisen müssen, dass es sich um eine außerordentliche Kündigung handele. Zudem sei die Behauptung in der Betriebsratsanhörung falsch, sie, die Klägerin, sei nicht mit den Mitarbeitern aus dem Bereich PSE vergleichbar, wozu die Beklagte behauptet habe, dass alle Mitarbeiter in diesem Bereich über einen extrem hohen Spezialisierungsgrad verfügten. Bei der Mitarbeiterin K, die dort als Assistentin/Sekretärin tätig ist, liege gerade keine Spezialisierung vor. Die Klägerin könne den Aufgabenbereich von Frau K ohne weiteres innerhalb einer kurzen Einarbeitungszeit übernehmen. Die Beklagte – so die Klägerin weiter – habe dem Betriebsrat im Einzelnen auch mitteilen müssen, dass die Klägerin auch mit den Mitarbeitern B und T vergleichbar sei, die im Home Office weiterbeschäftigt würden. Diese seien nämlich im Marketing tätig. Die Klägerin habe ebenfalls bereits im Marketing gearbeitet.
Schließlich meint die Klägerin, dass die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung zum 11.05.2007 keine ordentliche Kündigung darstelle. Die Beklagte habe auch die Kündigungsfrist nicht lediglich falsch berechnet, sondern bewusst das Arbeitsverhältnis zum 11.05.2007 kündigen wollen. Die Beklagte habe mit der Kündigung versucht, eine Beendigung bzw. einen Wechsel des Standortes zu einem Zeitpunkt durchzusetzen, der nicht durch eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sei. Unter anderem wegen des von der Beklagten gewählten Datums des Wechsels der Arbeitsbedingungen, d. h. des 11.05.2007, sei die Kündigung insgesamt sozial nicht gerechtfertigt.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 19. Juli 2006, zugegangen am 26. Juli 2006, nicht zum 11. Mai 2007 beendet worden ist, sondern ungekündigt über diesen Termin hinaus fortbesteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat hinsichtlich der zu wahrenden Kündigungsfrist drauf hingewiesen, sie sei unter Einhaltung der maßgeblichen Frist zum Quartalsende im Juli 2006 berechtigt gewesen, zum 31.03.2007 zu kündigen. Sie sei mit der Änderungskündigung über dieses Datum hinausgegangen.
Die Beklagte hat zur sozialen Auswahl darauf verwiesen, dass der Interessenausgleich eine Negativliste enthalte. Im Übrigen führt sie aus, warum aus ihrer Sicht weder die Mitarbeiterin K, noch die Mitarbeiter B und T noch überhaupt verbliebene Mitarbeiter mit der Klägerin vergleichbar seien und warum die Kläger nicht mit in einem Home Office beschäftigt werden könne.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.12.2006 der Klage insofern stattgegeben, als es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 19.07.2006 nicht mit Wirkung zum 11.05.2007 ende, sondern bis zum 30.06.2007 fortbestehe. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Gegen dieses ihr am 21.02.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.02.2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 21.05.2007 am 03.05.2007 begründet. Die Beklagte hat gegen das ihr am 21.02.2007 zugestellte Urteil am 19.03.2007 Berufung eingelegt und diese am 11.04.2007 begründet.
Beide Parteien verfolgen in der Berufungsinstanz ihre jeweiligen Prozessziele mit Rechtsausführungen weiter.
Die Beklagten beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 14.12.2006 – 17 Ca 6364/06 – die Klage voll umfänglich abzuweisen und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 14.12.2006 – 17 Ca 6364/06 – festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 19.07.2006, zugegangen am 26.07.2007, nicht zum 11.05.2007 und auch nicht zum 30.06.2007 beendet worden ist, und im Übrigen, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.