HI15947717

Sächsisches LAG Urteil vom 09.04.2019 - 7 Sa 259/18 (3)

HI15947717_1

Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzpflicht des Arbeitnehmers aus § 619a BGB. Darlegungs- und Beweislast für schuldhafte Pflichtverletzung. Mitwirkendes Verschulden des Arbeitgebers

HI15947717_2

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 619a BGB hat abweichend von § 280 Abs. 1 BGB der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Ersatz für den aus der Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Schaden nur zu leisten, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat.

2. Nach § 619a BGB liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat und nach § 280 Abs. 1 BGB dem Arbeitgeber zum Schadenersatz verpflichtet ist, bei dem Arbeitgeber. Dies gilt sowohl für die Pflichtverletzung als auch für das Vertretenmüssen des Klägers.

3. Den Arbeitgeber trifft eine Mitschuld i.S.d. § 254 Abs. 1 BGB am Schadensereignis, wenn er den Arbeitnehmer nicht konkret angewiesen hat, wie eine richtige und wirksame Ladungssicherung vorzunehmen ist.

HI15947717_3

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, §§ 619a, 254 Abs. 1; StVO § 22; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2

HI15947717_4

Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Entscheidung vom 24.05.2018; Aktenzeichen 1 Ca 1413/17)

HI15947717_5

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 24.10.2019; Aktenzeichen 8 AZN 589/19)

HI15947717_6

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 24.05.2018 – 1 Ca 1413/17 – wird auf dessen Kosten

z u r ü c k g e w i e s e n .

Die Revision wird nicht zugelassen.

HI15947717_7

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt nurmehr über Schadenersatz, den der widerklagende Beklagte vom Kläger fordert.

Zwischen den Parteien bestand vom 01.07.2016 bis zum 31.03.2017 auf der Grundlage des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 29.06.2016 ein Arbeitsverhältnis, in welchem der Kläger als Hausmeister gegen einen monatlichen Bruttoverdienst von 1.550,00 € bei einer wöchentlich geschuldeten Arbeitszeit von 40 Stunden angestellt war (vgl. Anlage K 1).

Am 02.02.2017 fuhr der Kläger ein ihm überlassenes Fahrzeug vom Typ VW-Transporter T6 (...). Auf der Ladefläche dieses geschlossenen Transporters führte der Kläger eine ca. 75 kg schwere Kehrmaschine mit, die während des Transports umfiel und gegen die Heckklappe des Transporters schlug. Ob der Kläger die Kehrmaschine für diesen Transport ordnungsgemäß sicherte, steht zwischen den Parteien im Streit. Über den Schadenshergang fertigte der Kläger am 24.03.2017 einen Schadensbericht für den Beklagten (vgl. Anlage K 4).

Mit der am 21.07.2017 erhobenen Widerklage in dem vor dem Arbeitsgericht Leipzig von dem Kläger zuvor am 28.04.2017 eingeleiteten Verfahren hat der Beklagte seine Schadenersatzforderung gerichtlich geltend gemacht.

Der Kläger hat vorgetragen, dass er alle Gerätschaften – eingeschlossen der Winterdiensttechnik – mittels Spanngurten bei der Benutzung des Transporters gesichert gehabt habe. Tatsächlich habe er während des Fahrens ein Rumpeln gehört und sei hiernach nur sehr langsam weitergefahren, weil verkehrsbedingt kein Halt möglich gewesen sei. Weitere Schlaggeräusche habe er während der Weiterfahrt nicht vernommen. Am Ziel habe er festgestellt, dass sich ein Sicherheitsgurt gelöst habe und die Kehrmaschine gegen die Heckklappe gedrückt worden sei. In die Heckklappe seien tatsächlich Dellen gedrückt worden. Am Schloss sei kein Defekt entstanden, dieses habe auch danach bedient werden können. Die Spanngurte habe er zur Ladungssicherung ordnungsgemäß genutzt gehabt. Fraglich sei hingegen schon, ob schwere Winterdiensttechnik überhaupt mit solcher Art Gurten gesichert werden könne. Weitere Vorkehrungen seien durch den Beklagten insoweit nicht getroffen gewesen. Im Übrigen bestehe eine Kasko-Versicherung, die den Schaden reguliere.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte hat widerklagend beantragt,

den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 1.409,11 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat vorgetragen, dass der Kläger die Kehrmaschine am 02.02.2017 beim Transport nicht gesichert gehabt habe. Diese habe lose im Heckraum gestanden und sei beim Anfahren umgefallen. Ab dann sei sie ständig gegen die Heckklappe geschlagen. Obwohl der Kläger dies bemerkt habe, habe er nicht angehalten und sei weitergefahren, so dass diese wiederholt gegen die Heckklappe geschlagen habe. In derselben seien deutlich sichtbare Dellen, diese habe sich auch verzogen und das Schloss habe gerichtet werden müssen. Ein Gesamtschaden von 1.409,11 € sei entstanden. Dieser grob fahrlässig verursachte Schaden sei zu ersetzen, weil eine Ladungssicherung mit den überlassenen Sicherungsgurten nicht stattgefunden habe. Der Kläger habe dies bemerken, anhalten und nachträglich sichern müssen. Vielmehr sei er bewusst weitergefahren und habe eine Schadensvertiefung in Kauf genommen. Daher sei der Schaden vorsätzlich herbeigeführt. Im Übrigen streite auch die eigene Erklärung des Klägers (= Anlage K 4) gegen seinen Prozessvortrag. Die Ladungssicherung durch Spanngurte sei ein übliches Verfahren. Den Beklagten treffe auch keine Verpflichtung zu einer Inanspruchnahme der eigenen Kaskoversicherung, weil diese beim Kläger ohnehin Regress nehmen würde.

Das Arbeitsgericht Leipzig hat mit seinem Urteil vom 24.05.2018 – 1 Ca 1413/17 – soweit hier noch streiterheblich, unter anderem die Widerklage abgewiesen. Das Urteil wird seinem Inhalt nach in Bezug genommen (vgl. Bl. 80 bis 93 d. A.).

Gegen das dem Beklagten am 18.06.2018 zugestellte Urteil hat dieser am 18.07.2018 Berufung eingelegt und dieselbe innerhalb der verlängerten Frist am 18.09.2018 begründet. Der Kläger hat innerhalb verlängerter Frist auf die Berufung am 06.11.2018 erwidert.

Mit der Berufung vertritt der Beklagte die Ansicht, dass schon aus den unstreitigen Feststellungen die grob fahrlässige Schadensverursachung des Klägers gegeben sei. Dieser habe den Ladungssicherungsmöglichkeiten auf dem ihm anvertrauten Transporter, die nach § 22 StVO geboten seien, nicht entsprochen. Der Kläger habe vielmehr gar nicht dargelegt, dass die Ladungssicherung ordnungsgemäß erfolgt gewesen sei. Er habe nur eingeräumt, dass sich ein Spanngurt gelöst habe. Das Verrutschen der Kehrmaschine sei ein Indiz dafür, dass die Ladungssicherung nicht ordnungsgemäß erfolgt gewesen sei. Die schwere Technik sei zu sichern und das Fahrzeug verfüge auch über diverse Sicherungs- und Rückhaltevorkehrungen durch Ösen, Spanngurte und Ratschen, die auch für größere Maschinen und Güter geeignet seien. Der Schaden sei entstanden; an einem konkreten Vortrag zur Ladungssicherung fehle es und auch eine gegenseitige Kontrolle, wie behauptet, sei nicht erfolgt. Der Spanngurt habe sich nicht ohne weitere Einwirkungen lösen können. Demzufolge sei eine ordnungsgemäße Sicherung also nicht erfolgt. Der Vortrag des Klägers sei auch widersprüchlich, ob denn nun ein oder zwei Spanngurte verwendet worden seien und ob denn nun ein solcher gerissen oder beschädigt gewesen sei. Der Beklagte habe auch nicht die Versicherung in Anspruch nehmen müssen, weil diese nur bei leicht fahrlässiger oder mittlerer fahrlässiger Handlung regelmäßig leiste und bei grob fahrlässiger Verursachung Regress möglich sei. Tatsächlich bestehe eine Vollkaskoversicherung mit 500,00 € Selbstbeteiligung. Der Schaden an dem neuwertigen Kraftfahrzeug sei auch so entstanden und der Kostenvoranschlag, der hierfür vorgelegt worden sei, sei auch ausreichend. In diesem seien das Ausbeulen der Dellen und die Lackierung der Heckklappe allein enthalten. Das Verziehen der Heckklappe bzw. das Richten eines Schlosses sei im Voranschlag nicht enthalten. Die Reparatur sei tatsächlich nicht durchgeführt, aber die Kosten würden bei Reparatur so entstehen. Wenn der Kläger in der Berufungserwiderung nunmehr vortrage, dass eine Ladungssicherung erfolgt sei, sei dies bereits die vierte Version des Entlastungsvorbringens. Der Beklagte habe seinerseits auf notwendige Ladungssicherung hingewiesen und auch darauf, die Spanngurte zu verwenden. Es sei mit Nichtwissen zu bestreiten, dass die Kehrmaschine ca. zwei bis drei Wochen zuvor zuletzt genutzt wurde und seitdem auf dem Transporter aufgeladen geblieben sei. Der weitere Vortrag der Sicherung durch den Kläger sei mit Nichtwissen zu bestreiten. Jedenfalls sei ein Aufzurren des Gurtes schon deswegen nicht möglich, weil eine kurze Fahrstrecke von nur 900 m mit nur zwei Kurven dazu nicht geeignet sei.

Der Beklagte beantragt:

Unter Abänderung des am 24.05.2018 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Leipzig – 1 Ca 1413/17 – wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten 1.184,13 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, dass auf dem Transporter tatsächlich Ladungssicherungssysteme wie beschrieben vorhanden gewesen seien, die in Haken, Ösen und Spanngurten mit Ratschen bestünden. Es habe aber keine konkreten Anweisungen zur Ladungssicherung oder zur Kontrolle derselben gegeben. Die Kehrmaschine sei am Schadenstag gar nicht benötigt worden, sondern sie habe seit zwei bis drei Wochen gesichert auf dem Transporter gestanden. Diese Kehrmaschine sei mit zwei Spanngurten in H-Form auch gegen das Rutschen nach hinten gesichert gewesen. Vor der hier streitbefangenen Weiterfahrt um 11:00 Uhr sei eine gegenseitige Kontrolle mit dem weiteren Arbeitnehmer ... bezüglich der Ladungssicherung erfolgt. Tatsächlich habe sich dann während der Fahrt der vordere Gurt gelöst, wobei die Ursache dafür unklar sei. Der gelöste oder defekte Gurt selbst befinde sich beim Beklagten. Gegebenenfalls brauche es auch zusätzliche Schutzvorrichtungen zur Sicherung der Winterdiensttechnik, z. B. Trennwände. Der Beklagte sei als Fahrzeughalter in der Pflicht der Information über die besondere Gefahr der Ladung und auch, wie diese zu sichern sei. Die Höhe der Lackier- und Materialkosten sei zu bestreiten. Es handele sich bei dem Schaden um eine "kleine Beule", für die auch keine Neulackierung erforderlich gewesen sei. Die Schuldform sei höchstens eine mittlere Fahrlässigkeit, für die die Kaskoversicherung des Beklagten auch einstehen müsse.

Auf den weiteren Vortrag der Parteien in den zwischen ihnen gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen wird zur Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstoffes gemäß § 313 Abs. 2 ZPO ebenso verwiesen wie auf den Inhalt der Akte im Übrigen und hier insbesondere auf den Inhalt der Niederschriften der mündlichen Verhandlungen.