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Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 04.07.2017 - 1 K 201/14

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Weiterarbeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers in Teilzeit und mit reduzierten Bezügen nach Erdienung der ihm zugesagten Pension - Erdienbarkeit einer nachträglichen Pensionserhöhung

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Leitsatz (amtlich)

Hat ein Gesellschaftsgeschäftsführer die ihm zugesagte Pension mit Vollendung seines 65. Lebensjahres erdient und arbeitet er anschließend mit einem neuen Geschäftsführeranstellungsvertrag in Teilzeit und mit reduzierten Bezügen weiter, so ist sein Pensionsanspruch nicht gemäß der in der Pensionszusage enthaltenen Obergrenze auf 75 % der reduzierten (Teilzeit-)Bezüge gedeckelt.

Eine Vertragsklausel, wonach Pensionsleistungen der Gesellschaft erst dann erbracht werden, wenn der Gesellschaftergeschäftsführer keine Gehaltszahlungen oder entsprechende Zahlungen von der Gesellschaft mehr erhält, ist dahin auszulegen, dass ein bereits erdienter Pensionsanspruch lediglich im Umfang des tatsächlich gezahlten (Teilzeit-)Gehalts aufgeschoben ist.

Eine Abweichung von dem Grundsatz der Erdienbarkeit einer nachträglichen Pensionserhöhung ist nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Gesellschaftergeschäftsführer gerechtfertigt.

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Normenkette

EStG § 6a Abs. 3; KStG § 8 Abs. 3 S. 2

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Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.06.2020; Aktenzeichen I R 56/17)

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Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Anschluss an eine Außenprüfung über die steuerliche Beurteilung von Versorgungszusagen an die Gesellschaftergeschäftsführer der klagenden GmbH. Umstritten sind Höhe und Fälligkeit des Versorgungsanspruchs und die Frage der Erdienbarkeit einer nachträglichen Erhöhung der Versorgungszusage. Die Klägerin bestreitet die Rechtmäßigkeit der vom Beklagten vorgenommenen Kürzung ihrer Pensionsrückstellungen und der in Ansatz gebrachten verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA).

Die Klägerin wurde mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom 6. Dezember 2001 als B GmbH gegründet und in 2002 in C GmbH umfirmiert. Alleingesellschafterin war die M GmbH. In 2002 übertrug diese ihren Geschäftsanteil in Höhe von nominal 25.000 € auf die S GmbH & Co KG. Geschäftsführer der Klägerin waren im Streitzeitraum Herr J (geboren am XX.XX.XXXX) und Herr A (geboren am XX.XX.XXXX). Beide Geschäftsführer waren über ihre Beteiligung an der Muttergesellschaft zugleich mittelbare Gesellschafter der Klägerin. Die Beteiligungsquote von Herrn J betrug im Streitzeitraum 50 %. Herr A war bis 2006 ebenfalls zu 50 % und ab 2007 im Anschluss an die Übertragung eines Teilanteils auf seinen Sohn noch zu 35 % an der Klägerin beteiligt. Beide Geschäftsführer erhielten im Jahre 1998 von der Muttergesellschaft der Klägerin Versorgungszusagen. Die dem Geschäftsführer A gewährte Versorgungszusage enthält unter anderem die folgenden Regelungen:

"§ 1 ... Sie erhalten eine lebenslängliche Altersrente in Höhe von monatlich 4.000,00 DM nach vollendetem 65. Lebensjahr (feste Altersgrenze), ...

§ 4 ... Die Altersrente ... erhöht sich vor Beginn der Rentenzahlungen in gleichen Verhältnis wie Ihr Bruttogehalt. Dieses beträgt zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage 10.240,32 DM ... Im Falle der Ermäßigung des Bruttogehalts werden die Renten auf den vor der Ermäßigung erreichten Betrag festgeschrieben, maximal jedoch auf 75% des reduzierten Bruttogehaltes (Obergrenze) ...

§ 6 ... Die Renten werden am Letzten eines jeden Monats gezahlt, beginnend mit dem Monat nach Eintritt des Versorgungsfalles (Vollendung des 65. Lebensjahres, Berufsunfähigkeit bzw. Tod), in dem erstmals kein Gehalt oder entsprechende Zahlungen mehr geleistet werden ...".

Dem Mitgeschäftsführer J sagte die Klägerin mit Zusage vom gleichen Tage ebenfalls eine monatliche Rente in Höhe von 4.000 DM zu. Das Bruttogehalt des Herrn J betrug seinerzeit 9.049,10 DM. Die vorgenannten Pensionszusagen wurden mit Wirkung zum 1. Januar 2002 auf die Klägerin übergeleitet.

Am 14. Dezember 2007 vereinbarte die Klägerin mit Herrn A einen Nachtrag zur bestehenden Versorgungszusage,"um eine Angleichung an die Höhe der Versorgungszusage von Herrn J vom 17. Dezember 1998 zu erreichen". Der Nachtrag enthält Änderungen der §§ 1 und 4 der bisherigen Zusage. Unter § 1 ist nunmehr "eine lebenslängliche Altersrente in Höhe von monatlich 3.301,30 € nach vollendetem 65. Lebensjahr (feste Altersgrenze)" vorgesehen. § 4 enthält folgende Anpassungsregelung: "Die Altersrente ... erhöht sich vor Beginn der Rentenzahlungen im gleichen Verhältnis wie Ihr Bruttogehalt. Dieses beträgt derzeit 7.469,00 €." Die vorstehende Regelung bewirkt eine Anhebung der Versorgungsgute von zuvor 39,06 % auf 44,20 %.

Am 30. Dezember 2008 schloss Herr A mit der Klägerin die nachfolgende "Aufhebungsvereinbarung":

"Der Geschäftsführervertrag vom 31. März 1998, seinerzeit geschlossen zwischen dem Geschäftsführer und der M GmbH, übergeleitet mit allen Rechten und Pflichten auf die Firma mit Geschäftsführervertragsänderung von 1. Januar 2002, wird hier mit einvernehmlich mit Wirkung zum 30. September 2009, also zum Ende des Monats, in dem der Geschäftsführer das 65. Lebensjahr vollendet, aufgehoben.

Die Rechte und Pflichten aus der Versorgungszusage zwischen dem Geschäftsführer und der Firma als Rechtsnachfolger der M GmbH von 17. Dezember 1998 in Form des Nachtrags vom 14. Dezember 2007 bleiben hiervon unberührt, d.h. diese bestehen trotz der Aufhebung des zugrunde liegenden Geschäftsführervertrages über das Erreichen der in der Versorgungszusage vorgesehenen Altersgrenze hinaus fort."

Das letzte Monatsgehalt (September 2009) aus dem aufgelösten Anstellungsvertrag des Herrn A betrug 7.731 €. Auf dieser Grundlage zahlte die Klägerin an Herrn A ab Oktober 2009 Versorgungsleistungen in Höhe von monatlich 3.417,10 € (Versorgungsquote: 44,20 %).

Parallel zur Aufnahme der Versorgungszahlungen schloss die Klägerin mit Herrn A am 1. Oktober 2009 einen unbefristeten Arbeitsvertrag, welcher unter anderem die folgenden Regelungen enthielt:

"§ 1 ... Der Arbeitnehmer wird mit Wirkung vom 01.10.2009 als Geschäftsführer in P auf unbestimmte Zeit eingestellt. Die einzelnen zum Aufgabenbereich gehörenden Arbeiten sind beratende Tätigkeiten sowie beaufsichtigen des geplanten Neubaus ...

§ 3 ... Die Arbeitszeit ist variabel und nach Bedarf ...

§ 4 ... Die monatliche Bruttovergütung beträgt EUR 1.500,00 ...".

Der (erste) Bericht über die Prüfung der betrieblichen Altersversorgung vom 28. Juli 2011 enthält hinsichtlich beider Pensionsverpflichtungen Beanstandungen. Der Fachprüfer beanstandete die Erdienbarkeit der Pensionen im Hinblick auf eine nachträgliche Anhebung der Versorgungsquote (A ab dem 1. Oktober 1999 und J ab dem 1. März 2003), und die Zahlung von Versorgungsleistungen vor deren zivilrechtlicher Fälligkeit (A ab Oktober 2009). Im Hinblick auf die mangelnde Erdienbarkeit der Pensionserhöhung sowie die vorzeitige Auszahlung der Pension A ging der Prüfer von einer vGA aus. Darüber hinaus sei die Pensionsrückstellung A zu kürzen, da der Berechnung der Rückstellung ein zu hoher Pensionsanspruch zugrunde gelegt worden sei. Am 22. Juni 2012 ergingen gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) entsprechend geänderte Körperschaftsteuer (KSt-)Bescheide der Jahre 2007 bis 2010. Hiergegen erhob die Klägerin am 11. Juli 2012 Einspruch. Der Beklagte - das Finanzamt (FA) - wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 3. September 2014 zurück.

Mit der am 6. Oktober 2014 erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend:

Herr A habe im September 2009 mit Vollendung des 65. Lebensjahres einen unverfallbaren Anspruch auf Zahlung einer lebenslänglichen Altersrente in Höhe von 44,20 % von 7.731 € = 3.417,10 € erworben. Dieser Anspruch sei auch bereits im Oktober 2009 fällig geworden. Der neu abgeschlossene Arbeitsvertrag ändere daran nichts, da die Pension bereits unverfallbar erworben worden und der neue Arbeitsvertrag rechtlich getrennt vom ursprünglichen Anstellungsvertrag zu betrachten sei. Die unter § 6 der Pensionszusage niedergelegte Fälligkeitsklausel sei für die vorliegende Konstellation nicht einschlägig. Sie beziehe sich allein auf die Einstellung der Gehaltszahlungen aus dem alten Vertrag. Die Auffassung des FA, wonach der Pensionsanspruch auf der Grundlage der Obergrenzenregelung des § 4 der Versorgungszusage infolge der "Gehaltsherabsetzung" auf 1.500 € fortan maximal 75 % von 1.500 € betrage, sei rechtlich nicht haltbar. Die insoweit in Bezug genommene Klausel erstrecke sich nämlich nicht auf solche Arbeitseinkommen, die nach unverfallbarem Erwerb der Pension durch neu abgeschlossene Arbeitsverträge erzielt würden. In diesem Punkt sei auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs allein eine Anrechnung der parallel gezahlten Aktivbezüge (hier: 1.500 € monatlich) auf die Pensionsleistungen gerechtfertigt. Die steuerliche Pflicht zur Anrechnung der neuen Aktivbezüge sei unstreitig und werde mit der Klage auch nicht gerügt.

Die Klägerin hat zunächst den in der Klagschrift vom 6. Oktober 2014 niedergelegten Antrag gestellt. In der vom Berichterstatter anberaumten mündlichen Verhandlung vom 13. April 2016 stellte sich heraus, dass die dem Fachprüfer des FA im Rahmen der Außenprüfung vorgelegten Unterlagen unvollständig waren. Die Beteiligten haben deshalb die Erstellung eines neuen Prüfberichts, in welchem auch das aktuelle Klagevorbringen Berücksichtigung finden sollte, vereinbart. In dem geänderten Prüfbericht vom 27. Mai 2016 sind hinsichtlich des Gesellschaftergeschäftsführers J keine Beanstandungen mehr erhoben. Wegen der dem Gesellschaftergeschäftsführer A erteilten Versorgungszusage geht das FA zuletzt davon aus, dass im Hinblick auf den Nachtrag zur Versorgungszusage vom 14. Dezember 2007, welcher zu einer Erhöhung der Versorgungsquote von zuvor 39,06 % auf dann 44,20 % geführt habe, die Erdienbarkeit nicht mehr gegeben sei. Hinsichtlich der Höhe und der Fälligkeit des Pensionsanspruches hält das FA seine bisherige Beurteilung aufrecht.

Im Laufe des Rechtsstreits hat das FA den Klaganspruch, soweit es den Gesellschaftergeschäftsführer J betrifft, anerkannt. Am 11. Januar 2017 und am 8. März 2017 hat das FA geänderte KSt-Bescheide der Jahre 2007 bis 2010 erlassen. Aufgrund eines einvernehmlich festgestellten Übertragungsfehlers erging am 29. März 2017 erneut ein geänderter KSt-Bescheid 2010. Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Streitjahre 2007 und 2008 in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

den geänderten KSt-Bescheid 2009 vom 8. März 2017 sowie den geänderten KSt-Bescheid 2010 vom 29. März 2017 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Kürzung der von der Klägerin für den Gesellschaftergeschäftsführer A ausgewiesenen Pensionsrückstellungen zum 31. Dezember 2009 und zum 31. Dezember 2010 rückgängig gemacht wird, eine verdeckte Gewinnausschüttung lediglich im Umfang des an Herrn A parallel zur Rente gezahlten Gehalts von monatlich 1.500 € in Ansatz zu bringen ist und dabei die Folgeänderungen in Sachen Betriebspacht gemäß Tz. 3 des Außenprüfungsberichts vom 4. April 2012 entsprechend zu berücksichtigen sind.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die im geänderten Prüfbericht über die betriebliche Altersversorgung vom 27. Mai 2016 niedergelegten Beanstandungen seien nicht entkräftet. Im Zeitpunkt der Erhöhung der Pensionszusage in 2007 sei Herr A bereits 63 und 3 Monate alt gewesen, so dass die an die Erdienbarkeit der Erhöhung zu stellenden Anforderungen nicht gewahrt seien. Die Behauptung der Klägerin, es sei allein um die Korrektur nicht gewollter Rentenabweichungen aufgrund unterschiedlicher Ausgangsgehälter gegangen, sei nicht nachvollziehbar. Der Pensionsgutachter der Klägerin habe bereits frühzeitig unterschiedliche Rentenhöhen ausgewiesen, so dass die geltend gemachte Korrektur eines Irrtums nicht plausibel sei. Die Anwartschaftserhöhung sei deshalb steuerlich als vGA zu würdigen.

Die Auszahlung der Pension an Herrn A ab Oktober 2009 sei vor deren vertraglicher Fälligkeit erfolgt und damit vollumfänglich als vGA zu würdigen. In § 6 der Pensionszusage sei nämlich ausdrücklich festgelegt, dass die Rente beginnend mit dem Monat, "in dem erstmals kein Gehalt oder entsprechende Zahlungen mehr geleistet werden", gezahlt werde. Diese Vorgabe beschränke sich schon ihrem Wortlaut nach nicht allein auf Gehaltszahlungen aus dem alten, zwischenzeitlich aufgelösten Anstellungsvertrag, sondern auf jegliche tatsächlich geleistete Gehaltszahlung. Die für Herrn A gebildete Pensionsrückstellung sei auch zu Recht der Höhe nach gekürzt worden. Aufgrund der unter § 4 der Pensionszusage niedergelegten Anpassungsklausel sei der Pensionsanspruch "auf 75 % des reduzierten Bruttogehalts (Obergrenze)" begrenzt. Diese Obergrenze gelte auch für den am 1. Oktober 2009 neu geschlossenen Arbeitsvertrag, weil Herr A unverändert als Geschäftsführer der Klägerin weiterbeschäftigt worden sei.

Hiergegen erwidert die Klägerin:

hätten in der Aufhebungsvereinbarung vom 30. Dezember 2008 festgelegt, dass der im Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres des Herrn A erworbene Pensionsanspruch aufrechterhalten bleibe solle. Es habe sich hierbei auch bereits um einen unverfallbar erworbenen Anspruch gehandelt. Eine Verknüpfung der Pensionszusage mit der im neuen Arbeitsvertrag vereinbarten Vergütungsregelung sei nicht zulässig. Der Neuvertrag sei auf eine übergangsweise Teilzeitbeschäftigung mit entsprechender Gehaltsreduzierung gerichtet. Es habe zwischen den Vertragsparteien Einvernehmen darüber bestanden, dass dieser keine Bedeutung für den bereits unverfallbar erworbenen Pensionsanspruch haben sollte.

Die in 2007 erfolgte Erhöhung der Pensionszusage könne nicht als vGA qualifiziert werden. Für die Anpassungsregelung habe ein sachlicher, bereits in der Erstzusage angelegter Grund bestanden. Es sei den Vertragsparteien allein um eine Angleichung des Pensionsanspruchs beider Geschäftsführer gegangen. Diese sei erforderlich gewesen, weil bei der Erteilung der Erstzusage im Jahre 1998 übersehen worden sei, dass Herr A bereits einen höheren Gehaltsanspruch (10.240,32 DM) als Herr J (9.049,10 DM) hatte, so dass sich durch spätere Gehaltserhöhungen ein Unterschied in der Versorgungsquote beider Gesellschafter ergeben habe, welcher nicht beabsichtigt gewesen sei. Er sei deshalb allein um die Korrektur eines Erklärungsirrtums gegangen.