Keine AGG-Entschädigung für abgelehnten schwerbehinderten Bewerber

Im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens müssen Arbeitgeber die Verfahrens- und Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen einhalten. Wenn sie diese nicht beachten, riskieren sie bei einer Klage, dass das Gericht eine Diskriminierung wegen der Behinderung vermutet. Diese muss der Arbeitgeber dann erst widerlegen. So war es auch in diesem Fall: Das BAG stellte einen Verstoß gegen die Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX , mit der Agentur für Arbeit Verbindung aufzunehmen, fest. Dafür sei ein ausdrücklicher Vermittlungsauftrag erforderlich. Die AGG-Klage des nicht berücksichtigten Bewerbers war dennoch nicht erfolgreich.
Der Fall: Ablehnung eines schwerbehinderten Bewerbers
Der schwerbehinderte Mensch erhielt auf seine Bewerbung als Scrum Master/ Agile Coach eine Absage. Seiner Meinung wurde er wegen seiner Schwerbehinderung im Bewerbungsverfahren diskriminiert. Er rügte vor allem einen Verstoß gegen die Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. Der Arbeitgeber habe zwar die Stellenanzeige der Agentur für Arbeit übermittelt und auf der Jobbörse veröffentlicht. Er habe jedoch keinen Vermittlungsauftrag an die nach § 187 Abs. 4 SGB IX bei der Agentur für Arbeit eingerichtete besondere Stelle erteilt. Vor Gericht klagte er daher auf eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG.
Der Arbeitgeber verteidigte sich damit, dass die Entscheidung für einen anderen Bewerber bereits gefallen sei, bevor die Bewerbung des schwerbehinderten Bewerbers eingegangen sei. Der Kandidat habe auch schon per E-Mail zugesagt. Eine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung sei daher ausgeschlossen.
BAG: Kein Anspruch auf AGG-Entschädigung
Das BAG entschied, dass der Bewerber keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG hat. Der Arbeitgeber habe sich erfolgreich exkulpieren können, hieß es in der Begründung.
Das Gericht stellte zunächst fest, dass der Bewerber durch die Absage benachteiligt wurde, weil der Bewerber, der die Stelle bekommen hat, ihm gegenüber vorgezogen wurde. Einen Anspruch auf Entschädigung habe er aber nur, wenn diese Benachteiligung auch wegen seiner Schwerbehinderung erfolgt sei. Dass dies nicht der Fall war, habe vorliegend der Arbeitgeber beweisen müssen. Die Tatsache, dass der Arbeitgeber die Stellenanzeige an die Agentur für Arbeit übermittelt, aber - wie vom Bewerber gerügt - keinen Vermittlungsauftrag an eine qualifizierte Stelle gegeben habe, stellte nach Meinung des BAG einen Verstoß gegen die Verpflichtung des Arbeitgebers gemäß § 164 Abs. 1, S. 2 SGB IX dar. Für eine ordnungsgemäße Meldung offener Stellen bei der Agentur für Arbeit reiche es nicht aus, das Stellenangebot über die Jobbörse der Agentur für Arbeit zu veröffentlichen, vielmehr sei die Erteilung eines Vermittlungsauftrags erforderlich.
Arbeitgeber muss fehlende Diskriminierung beweisen
Liegt ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften zugunsten von Menschen mit einer Behinderung vor, wird regelmäßig eine Diskriminierung wegen der Behinderung i. S. V. § 22 AGG vermutet. In der Folge muss der Arbeitgeber das Gegenteil beweisen. Das galt auch im vorliegenden Fall, befand das BAG. Die Vermutung habe der Arbeitgeber aber erfolgreich widerlegt. Es sei es ihm gelungen, durch Zeugenaussagen unter Vorlage von Email-Schriftverkehr nachzuweisen, dass das Bewerbungsverfahren schon vor Eingang der Bewerbung des Klägers abgeschlossen war.
Das BAG war danach überzeugt, dass die Entscheidung, die Stelle mit einem anderen Kandidaten zu besetzen, final am 24. August 2021 um 11.09 Uhr getroffen wurde. Damit sei das Auswahlverfahren beendet gewesen. Die Bewerbung des schwerbehinderten Kandidaten sei erst eine Stunde später eingegangen. Der Grund für die Absage sei daher gewesen, dass das Stellenbesetzungsverfahren bereits beendet war, nicht aber die Behinderung des abgelehnten Bewerbers. Auch wenn die Stelle im Internet noch ausgeschrieben war, habe er sich somit auf eine nicht mehr offene, sondern bereits besetzte Stelle beworben.
Hinweis: BAG, Urteil v. 27.3.2025, 8 AZR 123/24; LAG Düsseldorf, Urteil v 23.4.2024, 3 Sa 556/22