BAG Urteil vom 13.11.2012 - 3 AZR 557/10
Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Versorgungsordnung. Berücksichtigung bestimmter Vergütungsbestandteile bei der Berechnung der Betriebsrente
Leitsatz (redaktionell)
Die Bezugnahme auf das Bruttomonatsgehalt einschließlich etwaiger Funktions- und übertariflicher Zulagen in einer Versorgungsordnung führt nicht dazu, dass schwankende jährliche Zahlungen, vermögenswirksame Leistungen oder der geldwerte Vorteil für den Dienstwagen berücksichtigt wird.
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 25.06.2010; Aktenzeichen 10 Sa 273/10) |
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 03.11.2009; Aktenzeichen 10 Ca 5405/09) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 25. Juni 2010 – 10 Sa 273/10 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten darüber, welche Vergütungsbestandteile bei der Berechnung der künftigen Ruhestandsbezüge des Klägers zu berücksichtigen sind.
Rz. 2
Der 1959 geborene Kläger begründete am 1. September 1974 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten ein Arbeitsverhältnis. Zum 31. August 2008 ging das Arbeitsverhältnis durch einen Betriebsübergang auf die Beklagte, eine Leasinggesellschaft und Spezialbank für Objektfinanzierung, über.
Rz. 3
Dem Arbeitsverhältnis des Klägers lag der Arbeitsvertrag vom 26./29. Oktober 1987 zugrunde, der auszugsweise lautet:
“2. Bezüge
Der Mitarbeiter erhält folgende Bezüge, durch die zugleich eventuelle Ansprüche auf Sozialzulagen und Mehrarbeitsvergütungen abgegolten sind:
a) Gehalt
Ein Bruttomonatsgehalt von DM 5.000,-- (in Worten: Deutsche Mark Fünftausend)
Es wird jeweils zum 15. eines Monats bargeldlos gezahlt.
b) Gratifikation
Eine jährliche Abschlußgratifikation, die aus einem garantierten Betrag in Höhe eines Monatsgehaltes (Basis Dezember) und einer zusätzlichen Vergütung besteht, die unter Berücksichtigung der Ertragslage der Bank individuell nach Leistungsgesichtspunkten jährlich neu festgesetzt wird. Die Abrechnung erfolgt am Tage der ordentlichen Hauptversammlung der Bank.
Eine Weihnachtsgratifikation, die Ende November ausgezahlt wird, sofern der Mitarbeiter im Zeitpunkt der Zahlung in ungekündigtem Vertragsverhältnis steht. Sie beträgt zur Zeit ein Monatsgehalt.
Bei einer Tätigkeitsdauer auf der Grundlage dieses Vertrages von weniger als 12 Monaten in einem Kalenderjahr werden die Gratifikationen zeitanteilig vergütet.
c) Vermögensbildende Leistung
Eine vermögensbildende Leistung, die in ihrer Höhe den vermögenswirksamen Leistungen des für das private Bankgewerbe geltenden Tarifvertrages entspricht.
3. Sozialversicherung/Zusatzversicherung
Die Sozialversicherungsbeiträge sind nach den gesetzlichen Bestimmungen zu tragen.
Die Bank versichert den Mitarbeiter während seiner Betriebszugehörigkeit aufgrund einer Verpflichtung aus ihrer Mitgliedschaft bei dem Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes V.a.G. (BVV) gemäß dessen Satzung und Versicherungsbedingungen; von den Beiträgen trägt der Mitarbeiter 1/3 und die Bank 2/3.
4. Sonstige Vertragsbestandteile
Die Betriebsordnung, die Versorgungsordnung und die Urlaubsordnung der Bank in ihren jeweils geltenden Fassungen sind Bestandteile dieses Vertrages. Ferner finden die Bestimmungen der Tarifverträge für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken über Arbeitszeit, Urlaub und Fortzahlung des Gehaltes im Krankheitsfalle entsprechende Anwendung.
…”
Rz. 4
Der Arbeitsvertrag wurde von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorformuliert und entspricht dem zum damaligen Zeitpunkt im Unternehmen üblichen Vertragsmuster. Bei Abschluss des Arbeitsvertrags im Herbst 1987 galt bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten die Versorgungsordnung der Dresdner Bank AG. Diese lautet in Punkt B 7:
“Als Grundlage für die Berechnung der Ruhestandsbezüge dienen:
a) das Zwölffache des zuletzt bezogenen vertraglichen oder tariflichen Bruttomonatsgehaltes einschließlich etwaiger Haushalts-, Funktions- und übertariflicher Zulagen, nachstehend Jahresgehalt genannt. Kinderzulagen und alle anderen Zulagen bleiben unberücksichtigt,
b) die bei der Bank zurückgelegten vollen Dienstjahre,
und zwar jeweils nach dem Stand bei Eintritt des Versorgungsfalles.
Soweit bei der Berechnung die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen ist, gilt die des Kalenderjahres, das dem Jahre vorangeht, in welchem der Versorgungsfall eintritt, nachstehend Beitragsbemessungsgrenze genannt.”
Rz. 5
In der Folgezeit veröffentlichte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Versorgungsordnung Stand Januar 1988. In dieser Versorgungsordnung, die auch die Beklagte anwendet, heißt es auszugsweise:
“A
Allgemeines
1. Die D… und K… AG gewährt ihren Betriebsangehörigen sowie deren Hinterbliebenen
Versorgungsbezüge
gemäß den Bestimmungen dieser Versorgungsordnung.
2. Die Versorgungsleistungen – Ruhestands- bzw. Hinterbliebenenbezüge – werden zusätzlich zu den
Renten der Versicherungsträger, nämlich
der gesetzlichen Rentenversicherung
und des Beamtenversicherungsvereins des Deutschen Bank– und Bankiersgewerbes – BVV –
oder anderer Versorgungseinrichtungen
gewährt.
…
B
Ruhestandsbezüge
…
7. Als Grundlage für die Berechnung der Ruhestandsbezüge dienen:
a) das Zwölffache des zuletzt bezogenen vertraglichen oder tariflichen Bruttomonatsgehaltes einschließlich etwaiger funktions- und übertariflicher Zulagen, nachstehend Jahresgehalt genannt. Kinderzulagen und alle anderen Zulagen bleiben unberücksichtigt,
b) die bei der Bank zurückgelegten vollen Dienstjahre,
und zwar jeweils nach dem Stand bei Eintritt des Versorgungsfalles.
…
8. a) Die jährliche Bankrente beträgt 0,3 v.H. des Jahresgehaltes für jedes Dienstjahr.
Für die Mitarbeiter, die mit Wirkung vom 1.7.1972 bzw. 1.1.1980 ihren Beitritt zum Beamtenversicherungsverein erklärt haben, gilt für den Zeitraum bis zum Beitritt ein Bankrentensatz von 0,6 v.H. des Jahresgehaltes für jedes Dienstjahr.
b) Sofern das Jahresgehalt die Beitragsbemessungsgrenze übersteigt, werden für jedes Dienstjahr jeweils weitere 1,5 v.H., höchstens insgesamt 60 v.H. des die Beitragsbemessungsgrenze übersteigenden Betrages, gewährt.
…”
Rz. 6
Im Jahr 1997 führte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ein neues Vergütungssystem zunächst durch individuelle Änderungsvereinbarungen mit einzelnen Mitarbeitern ein. Dem Kläger wurde unter dem 21. März 1997 ein entsprechendes Informationsschreiben übersandt. Danach betrug das “alte Fixgehalt” des Klägers jährlich 125.459,00 DM. Im Mai 1997 übersandte die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger ein weiteres Schreiben, das der Kläger am 16. Juni 1997 gegenzeichnete. Dort heißt es ua.:
“Gleichzeitig werden wir Ihre Bezüge rückwirkend ab 01. Januar 1997 auf Basis Filialleiter ‘Kleine Filiale’ wie folgt neu regeln:
Grundgehalt (80 %) |
= |
DM 104.000,00 brutto p.a. |
Zielbonus (20 %) |
= |
DM 26.000,00 brutto p.a. |
Zieleinkommen (100 %) |
= |
DM 130.000,00 brutto p.a. |
Das Zieleinkommen von 100 % setzt die Erreichung der in Ziffer 1.2 der Vergütungsregelung für Filialleiter genannten Zieldeckungsbeiträge voraus.
Das Grundgehalt wird in monatlichen Teilbeträgen à DM 8.667,00 brutto 12 mal vergütet. Hinzu kommt eine monatliche Abschlagszahlung auf den Zielbonus in Höhe von 50 %, die gleichfalls in 12 Monatsraten gezahlt wird.
Ihre monatlichen Bruttobezüge regeln sich demnach ab 01. Januar 1997 wie folgt:
Grundgehalt |
= |
DM 8.667,00 brutto p. M. |
Abschlag (50 %) |
= |
DM 1.084,00 brutto p. M. |
DM 9.751,00 brutto p. M. |
Diese neue Vergütungsregelung auf Basis der jeweiligen Betriebsvereinbarung ersetzt die Regelungen in den Ziffern 2a und 2b Ihres Anstellungsvertrages vom 26.10.1987/29.10.1987. Alle übrigen Bestandteile bleiben unverändert.
…”
Rz. 7
Dieses neue Vergütungssystem wurde später in der Betriebsvereinbarung zur Vergütung der Mitarbeiter im Vertrieb vom 8. Oktober 1998 zwischen dem Vorstand der Rechtsvorgängerin der Beklagten und dem Betriebsrat vereinbart. Unmittelbar vor der Umstellung des Vergütungssystems betrug das “Monatsgehalt” des Klägers 9.006,00 DM brutto.
Rz. 8
Die Beklagte stellt dem Kläger einen Dienstwagen zur Verfügung, den er auch privat nutzen darf. Grundlage hierfür ist eine sog. “Autoordnung” der Beklagten. Diese lautet in ihrer Fassung vom 30. März 2009 auszugsweise:
“1.2 Umfang
1.2.1 Die D… stellt Mitarbeitern in Führungspositionen oder solchen Mitarbeitern, die zur Ausübung der Tätigkeit ein Fahrzeug benötigen, auf Basis entsprechender Regelungen im Anstellungsvertrag einen Firmenwagen zur Verfügung. Alternativ kann in Ausnahmefällen ein finanzieller Ausgleich als Bruttozahlung (Car Allowance) gewählt werden.
1.2.2 Der Anspruch auf einen Firmenwagen oder einer Car Allowance basiert auf dem Business Band, der Position und der Aufgabe. Insbesondere für SPB B… besteht ein Anspruch nur dann, wenn er im Arbeitsvertrag vereinbart ist.
…”
Rz. 9
Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 10. Oktober 2008 eine Probeabrechnung seiner gesetzlich unverfallbaren Anwartschaft auf Altersrente für ein fiktives Austrittsdatum 31. August 2008. Danach erhielte der Kläger bei einem Ausscheiden zum genannten Datum eine monatliche Bankrente ab Rentenbeginn iHv. 523,00 Euro. Bei dieser Berechnung legte die Beklagte lediglich das Grundgehalt zugrunde, nicht jedoch die übrigen Vergütungsbestandteile.
Rz. 10
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass bei der Berechnung seiner künftigen Ruhestandsbezüge über das Bruttomonatsgehalt hinaus der geldwerte Vorteil der privaten Nutzung des Dienstwagens, die vermögenswirksamen Leistungen, der variable Bonus sowie die Abschlagszahlungen auf den Bonus und die Nachgeschäftsprämie zu berücksichtigen sind.
Rz. 11
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Bruttomonatsgehalt iSd. Versorgungsordnung sei nicht nur das Grundgehalt, sondern schließe auch variable Vergütungsbestandteile, Sachbezüge und andere Vergütungen mit ein. In den Verdienstabrechnungen werde unter Position “Gesamtbrutto” durch die Beklagte stets ein Betrag ausgewiesen, der diese Vergütungsbestandteile sämtlich umfasse. Diese Position stelle ein Synonym des Begriffs “Bruttomonatsgehalt” dar. Nach einer Auskunft des ehemaligen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden G… seien bis zur Einführung des neuen Vergütungssystems bei der Berechnung der Betriebsrenten das 13. und 14. Monatsgehalt sowie Sachbezüge von der Beklagten stets berücksichtigt worden. Durch die vorbehaltlose Auszahlung des Abschlags auf den Zielbonus seit Einführung des neuen Vergütungssystems im Jahr 1998 sei für den Kläger ein Anspruch auf diesen Vergütungsbestandteil aus betrieblicher Übung entstanden. Bereits deshalb sei dieser zum Bruttomonatsgehalt iSd. Versorgungsordnung zu zählen. Der geldwerte Vorteil für die Privatnutzung des Dienstwagens stelle ebenfalls einen Teil des “Bruttomonatsgehalts” dar. Es handele sich insoweit um eine Funktionszulage iSv. Punkt B 7 Buchst. a der Versorgungsordnung. Darüber hinaus ergebe sich ein Anspruch auf Berücksichtigung aller Vergütungsbestandteile aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte berücksichtige bei der Berechnung der Betriebsrente der ehemaligen Arbeitnehmer T… und G… auch die variablen Vergütungsbestandteile und die Sachbezüge. Es bestehe kein sachlicher Grund, in seinem Fall eine andere Berechnung vorzunehmen. Die Beklagte habe nicht in ausreichendem Maße nachweisen können, dass mit den Arbeitnehmern T… und G… individuelle Sondervereinbarungen getroffen wurden.
Rz. 12
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass das entsprechend Punkt B 7. a) der bei der Beklagten geltenden Versorgungsordnung der D… und K… AG in der Fassung von Januar 1988 als Grundlage für die Berechnung der Bankrente des Klägers dienende “Bruttomonatsgehalt” neben dem “Grundgehalt” auch den geldwerten Vorteil der privaten Nutzung des Dienstwagens, vermögenswirksame Leistungen, Abschlagszahlungen auf den Zielbonus, den variablen Bonus im Sinne der Betriebsvereinbarung vom 30. Oktober 1998 und sogenannte Nachgeschäftsprämien einschließt.
Rz. 13
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, das Bruttomonatsgehalt iSd. Versorgungsordnung sei lediglich das monatliche Grundgehalt. Der Kläger könne auch keine Ansprüche aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ableiten. Die Berechnung der Bankrente erfolge bei der Beklagten einheitlich für nahezu 250 aktive oder mit unverfallbaren Anwartschaften ausgeschiedene Arbeitnehmer auf der Grundlage des Grundgehalts. Lediglich mit den Arbeitnehmern T… und G… seien anlässlich deren Ausscheidens als Folge individueller Verhandlungen abweichende Regelungen getroffen worden.
Rz. 14
Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der Berücksichtigung des geldwerten Vorteils der Privatnutzung des Dienstwagens stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen; die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.