HI16132141

FG Köln Urteil vom 14.12.2022 - 9 K 2814/20

rechtskräftig

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlung von 1,3 Millionen € kein steuerfreies Trinkgeld

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Leitsatz (redaktionell)

1. Trinkgeld i.S. des § 3 Nr. 51 EStG ist eine dem dienstleistenden Arbeitnehmer vom Kunden oder Gast gewährte zusätzliche Vergütung, die eine gewisse persönliche Beziehung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten voraussetzt.

2. Eine Zahlung von 1,3 Mio. € übersteigt den Rahmen dessen, was nach dem allgemeinen Begriffsverständnis als Trinkgeld verstanden werden kann.

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Normenkette

EStG § 3 Nr. 51

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Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Zahlung in Höhe von rund 1,3 Mio € an den Kläger, die dieser im Streitjahr von der Z Verwaltungs-GmbH, einer zwischenzeitlichen Gesellschafterin der Arbeitgeberin des Klägers, erhalten hat, als steuerfreies Trinkgeld im Sinne des § 3 Nr. 51 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen ist.

Der Kläger ist als Prokurist bei der Y GmbH tätig und hier insbesondere für den Bereich Products & Solutions zuständig.

Alleinige Gesellschafterin der Y GmbH war im Jahr 2016 die Y Holding GmbH. An der Y Holding GmbH wiederum hielt zu Beginn des Jahres 2016 die Z Verwaltungs-GmbH 26,6 % der Anteile. Alleiniger Inhaber und Geschäftsführer der Z Verwaltungs-GmbH ist Herr Z, der im Jahr 2016 auch Geschäftsführer der Y GmbH war.

Im Jahr 2016 veräußerte die Z Verwaltungs-GmbH etwa 5,2 % der Anteile an der Y Holding GmbH für ca. … Mio. €.

Im Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung zahlte die Z Verwaltungs-GmbH im November 2016 an den Kläger 100.000 €. In einem Schreiben der Z Verwaltungs-GmbH vom 28. November 2016 an den Kläger, das Herr Z unterschrieben hatte, heißt es unter anderem: „Ich persönlich möchte mich an dieser „Zwischenstation” unserer erfolgreichen gemeinsamen Reise auch aus Sicht des Gesellschafters mit dem beigefügten ‚Scheck’ ganz herzlich bei Dir für die gemeinsame erfolgreiche Zeit bedanken.” Zudem wird in dem Schreiben „ohne Gewähr” darauf hingewiesen, dass der Betrag überwiesen werde und es sich steuerrechtlich um eine Schenkung handele und das Finanzamt über die Schenkung zu informieren sei. Lohnsteuer oder Sozialversicherungsabgaben würden nicht anfallen.

Mit Wirkung zum 1. Januar 2017 wurde die Y GmbH auf die Y Holding GmbH verschmolzen. Die vormalige Y Holding GmbH firmiert seitdem unter Y GmbH. An dieser hielt in 2017 die Z Verwaltungs-GmbH weiterhin ca. 21,4 %. Der Kläger war dort weiterhin als Prokurist tätig.

Im Juli 2018 veräußerte die Z Verwaltungs-GmbH die restlichen 21,4 % der Gesellschaftsanteile an der Y GmbH für ca. …Mio. €, die in zwei Tranchen in 2018 und 2019 zu zahlen waren. Herr Z blieb nach der Veräußerung Geschäftsführer der Y GmbH.

Nach der Veräußerung der Gesellschaftsanteile zahlte die Z Verwaltungs-GmbH in 2018 weitere rund 1,3 Mio. € an den Kläger. Die Zahlung wurde wiederum mit einem Schreiben angekündigt, womit sich Herr Z als Geschäftsführer der Z Verwaltungs-GmbH auch aus Sicht des (ehemaligen) Gesellschafters mit der Zahlung für die gemeinsame erfolgreiche Zeit bedanken wolle.

Eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin, der Y GmbH, über die Zahlung der Beträge bestand nicht. Neben dem Kläger erhielt auch ein weiterer Prokurist eine unter entsprechenden Umständen und sich lediglich der Höhe nach unterscheidende Zahlung.

Der Kläger gab für das Streitjahr zunächst keine Einkommensteuererklärung ab.

Mit Bescheid vom 17. September 2019 setzte das Finanzamt X als Betriebsstätten-Finanzamt der Arbeitgeberin des Klägers gegenüber dem Kläger nachzufordernde Lohn- und Kirchensteuer sowie nachzufordernden Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt … € fest. In diesem Bescheid wird ausgeführt, dass es sich bei dem von der Z Verwaltungs-GmbH im Jahr 2018 gezahlten Arbeitslohn von rund 1,3 Mio. € nicht um ein nach § 3 Nr. 51 EStG steuerfreies Trinkgeld handele. Gegen diese Nachforderungsfestsetzung legte der Kläger mit Schreiben vom 17. Oktober 2019 Einspruch beim Finanzamt X ein.

Nachdem der Beklagte den Kläger und seine Ehegattin mit Schreiben vom 24. September 2019 aufgefordert hatte, die Einkommensteuererklärungen für 2017 und 2018 spätestens bis zum 23. Oktober 2019 abzugeben, reichten diese die angeforderten Erklärungen am 17. Oktober 2019 ein. Der Einkommensteuererklärung für 2018 war ein Begleitschreiben vom 13. Oktober 2019 beigefügt, in dem der Kläger darauf hinwies, dass die Eintragung in Zeile 72 der Anlage N (rund 1,3 Mio. €) eine nach § 3 Nr. 51 EStG steuerfreie Zahlung betreffe.

Der Beklagte erließ am 15. November 2019 einen Bescheid für 2018 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, in dem er die Zahlung der Z Verwaltungs-GmbH weder bei der Ermittlung des Einkommens noch bei der Berechnung der darauf entfallenden Steuer berücksichtigte. Der Bescheid enthielt im Erläuterungstext den Hinweis, dass die Zahlung der Z Verwaltungs-GmbH mit dem Sonderbescheid über die Festsetzung von nachzufordernder Lohnsteuer und Kirchensteuer sowie von nachzuforderndem Solidaritätszuschlag vom 17. September 2019 festgesetzt worden seien und eine weitere Berücksichtigung der Zahlungen nicht mehr geltend gemacht werde. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Einspruch ein.

Am 28. September 2020 erließ der Beklagte einen nach § 174 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid für 2018 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer. In diesem Bescheid berücksichtigte der Beklagte die Zahlung der Z Verwaltungs-GmbH sowie die geleisteten Steuerabzugsbeträge. Der Erläuterungstext dieses Bescheids enthielt den Hinweis, dass dieser Bescheid an die Stelle des angefochtenen Lohnsteuernachforderungsbescheids vom 17. September 2019 trete. Der Einspruch sei hierdurch nicht erledigt, sondern werde weitergeführt. Eines weiteren Einspruchs bedürfe es nicht.

Gleichwohl legte der Kläger mit Schreiben vom 28. Oktober 2020 Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 28. September 2020 ein.

Mit Einspruchsentscheidung vom 16. November 2020 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers vom 17. Oktober 2019 gegen den Bescheid über die Festsetzung von nachzufordernder Lohnsteuer und Kirchensteuer sowie von nachzuforderndem Solidaritätszuschlag für 2018 vom 17. September 2019, „nachfolgend” Bescheid über die Festsetzung der Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für 2018 vom 28. September 2019 zurück.

Der vorliegende Sachverhalt lasse sich nicht unter den Tatbestand des § 3 Nr. 51 EStG subsumieren.

Zunächst seien die streitgegenständlichen Zuwendungen weder anlässlich einer Arbeitsleistung noch zusätzlich zum Arbeitslohn gezahlt worden. Diese Tatbestandsmerkmale würden zwischen einer gegenüber dem Arbeitgeber zu erbringenden (und von diesem zu entlohnenden) Hauptleistung und einer durch das Trinkgeld abgegoltenen, anlässlich dieser Arbeit zusätzlich erbrachten Nebenleistung unterscheiden.

Die Tätigkeit des Klägers als Prokurist der Y GmbH sei der Z Verwaltungs-GmbH nicht unmittelbar zugutegekommen. Dass die Beteiligung der Z Verwaltungs-GmbH an der Y Holding GmbH eine – unter Umständen beträchtliche – Wertsteigerung erfahren habe, sei der Tätigkeit des Klägers allenfalls mittelbar zuzuschreiben. Die Zuwendung der Z Verwaltungs-GmbH habe der Leistung des Klägers auch nicht in diesem Sinne korrespondierend gegenübergestanden.

Auch aufgrund der Höhe der streitgegenständlichen Zuwendungen könne jedenfalls für die Zahlung im Jahr 2018, die rund 500 % des Bruttoarbeitslohns des Klägers betragen habe, nicht mehr nur eine Nebenleistung angenommen werden.

Es sei ferner nicht erkennbar, dass mit den tatbestandlichen Präzisierungen der überkommene, durch den allgemeinen Sprachgebrauch geprägte und bisher nur typologisch umschriebene Trinkgeldbegriff durch einen nun eigenständig gesetzlich definierten ersetzt und insbesondere auf die für das Trinkgeld typische persönliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Dritten verzichtet werden sollte. Danach sei das Trinkgeld Ausdruck der Zufriedenheit mit der Qualität der Dienstleistung, die ausschließlich an die Person des Dienstleistenden gebunden sei, und setze damit ebenfalls ein Mindestmaß an persönlicher Beziehung zwischen Trinkgeldgeber und Trinkgeldempfänger voraus. An einer solchen persönlichen Beziehung fehle es. Weder sei ersichtlich noch dargelegt, dass der Kläger seine Leistung gegenüber der Y GmbH zumindest auch im Bewusstsein einer hierdurch erreichbaren Wertsteigerung für die Z Verwaltungs-GmbH erbracht habe.

Bei den vorliegenden konzernrechtlichen Strukturen – wenn auch ohne beherrschende Verbindungen – scheitere die Steuerbefreiung am Tatbestandsmerkmal „von Dritten”. Etwas anderes gelte nur im Falle von sogenanntem „Streubesitz”, der bei einer Beteiligung der Z Verwaltungs-GmbH an der Y GmbH von zunächst 26 % und später 21,41 % nicht vorgelegen habe.

Nicht unbeachtlich sei zudem die Höhe der gezahlten Zuwendung, auch wenn die für die Streitjahre geltende Fassung der Vorschrift keine ausdrückliche betragsmäßige Begrenzung mehr enthalte. Es würde erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, wenn § 3 Nr. 51 EStG in unbegrenzter Höhe Steuerbefreiungen gewähre und Teile des Nettoeinkommens, das sich aus dem Saldo von Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen ergebe, aus der einkommensteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage ausnehme und gleiche Leistungsfähigkeit ungleich besteuert würde. Die Steuerbefreiung verstoße bereits ohne Grund gegen das objektive Nettoprinzip. Gerechtfertigt werden könne diese lediglich aus sozialen oder Verwaltungsvereinfachungsgründen. Die Regelung diene nach dem Wegfall der Freibetragsgrenze vornehmlich der Entlastung des Niedriglohnsektors sowie der Vermeidung von Erhebungsproblemen. Der vorliegende Sachverhalt entstamme jedoch nicht dem Niedriglohnsektor. Auch die im Rahmen der Gesetzesänderung erwarteten Steuermindereinnahmen durch den Wegfall der Freibetragsgrenze von etwa 6 Millionen Euro sprächen dagegen, dass der Gesetzgeber derartig hohe Beträge als steuerfreie Trinkgelder im Sinn gehabt habe.

Schließlich orientiere sich der BFH am allgemeinen Sprachgebrauch, wonach der Trinkgeldbegriff entscheidend durch den traditionell bestimmten Trinkgeldempfänger geprägt werde. Dies seien allen voran Kellner, aber auch unselbstständige Boten, Friseure, Fußpfleger, Gepäckträger und Taxifahrer, also alles Arbeitnehmer in niedrig entlohnten Berufen, die solche Zusatzleistungen auch nur jeweils als geringe Beträge einnehmen würden. Damit qualifiziere der BFH das Trinkgeld als kleineres Geldgeschenk. Geldgeschenke, die einen hohen Wert hätten oder die einem Arbeitsentgelt – wohl nicht allein im Hinblick auf die Qualität, sondern auch im Hinblick auf die Quantität – entsprächen, seien damit kein Trinkgeld.

Mit der am 17. Dezember 2020 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Für den angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid für 2018 vom 28. September 2020 habe es keine Rechtsgrundlage gegeben. Insbesondere sei die Änderungsvorschrift des § 174 Abs. 3 AO nicht einschlägig.

Bereits der vom Beklagten erlassene Einkommensteuerbescheid für 2018 vom 15. November 2019 sei an die Stelle des Lohnsteuernachforderungsbescheids für 2018 vom 17. September 2019 getreten. Damit habe sich der Einspruch des Klägers gegen den Lohnsteuernachforderungsbescheid auf andere Weise im Sinne des § 124 Abs. 2 AO erledigt. Die Erläuterung des Beklagten im streitgegenständlichen Einkommensteueränderungsbescheid für 2018 vom 28. September 2020, wonach erst „dieser Bescheid” an die Stelle des angefochtenen Lohnsteuernachforderungsbescheids für 2018 vom 17. September 2019 trete, wodurch sich jedoch der Einspruch nicht erledigt habe, sondern weitergeführt werde, gehe insoweit fehl.

Die Anwendbarkeit des § 174 Abs. 3 AO erfasse zudem lediglich die Fälle, in denen bei einer Steuerfestsetzung ein bestimmter Sachverhalt in der erkennbaren Annahme nicht berücksichtigt worden sei, dass der Sachverhalt nur Bedeutung für eine andere Steuer, einen anderen Besteuerungszeitraum oder einen anderen Steuerpflichtigen habe. Aus Sicht des Beklagten habe wegen der Identität von Steuer, Besteuerungszeitraum und Steuerpflichtigen festgestanden, dass die streitgegenständliche Zahlung im Einkommensteuerbescheid für 2018 zu berücksichtigen gewesen sei. Auch sei der vom Finanzamt X erlassene Lohnsteuernachforderungsbescheid für 2018 vom 7. September 2019 kein tauglicher „anderer Steuerbescheid” im Sinne von § 174 Abs. 3 AO, in dem die streitgegenständliche Zahlung – anstatt in dem Einkommensteuerbescheid für 2018 – hätte berücksichtigt werden müssen. Der Lohnsteuernachforderungsbescheid sei nur eine in einem besonderen Vorauszahlungsverfahren erhobene Einkommensteuer bzw. ein Vorauszahlungsbescheid. Materiell-rechtlich handele es sich bei Lohn- und Einkommensteuer nicht um verschiedene Steuerarten, sondern um ein und dieselbe Steuer.

Schließlich erfordere § 174 Abs. 3 AO das Vorliegen eines negativen Widerstreits, dass ein bestimmter Sachverhalt in keinem von mehreren in Betracht zu ziehenden Steuerbescheiden berücksichtigt worden sei, obwohl er in einem dieser Bescheide hätte berücksichtigt werden müssen. Den Einkommensteuerbescheid für 2018 vom 15. November 2019 habe der Beklagte jedoch in dem Wissen, dass die Zahlungen im Lohnsteuernachforderungsbescheid für 2018 vom 17. September 2019 bereits berücksichtigt gewesen seien, erlassen.

Weiter sei der von § 3 Nr. 51 EStG angeführte Begriff „Trinkgeld” nicht ausfüllungsbedürftig, sondern werde durch die Norm selbst definiert, wie sich bereits aus der Gesetzeshistorie und der Parallelnorm in § 107 der Gewerbeordnung (GewO) ergebe. Auch ergebe sich keine Einschränkung auf der Höhe nach „übliche” Trinkgelder. Im Übrigen sei die gezahlte Honorierung im Verhältnis zu dem Verkaufspreis der Beteiligung im Vergleich zu anderen Trinkgeldern niedrig bemessen. Die jeweilige Zahlung betrage nur … % des jeweiligen von der Z Verwaltungs-GmbH erzielten Kaufpreises. Der erhöhte Verkaufspreis sei gerade das Ergebnis der besonderen Arbeitsleistungen des Klägers gewesen, die mit den Zahlungen zusätzlich honoriert werden sollten. Bereits damit sei die Veranlassung durch eine Arbeitsleistung zu bejahen.

Die Z Verwaltungs-GmbH sei auch „Dritter” im Sinne der Vorschrift. Wer Dritter sei, sei weder gesetzlich definiert, noch höchstrichterlich geklärt. Eine Einschränkung der Norm auf Kundenverhältnisse oder kundenähnliche Verhältnisse widerspreche bereits dem Wortlaut der Norm. Aus der Gesetzeshistorie sei zudem erkennbar, dass eine solch einschränkende Auslegung nicht dem Willen des Gesetzgebers entspreche. In der ersten Fassung des Gesetzentwurfs seien die Begriffe „Kunden” und „Gäste” noch im Wortlaut vorgesehen gewesen. Im Gesetzgebungsverfahren sei aber ausdrücklich im Hinblick auf hiervon ggf. nicht erfasste Personengruppen, beispielsweise Trinkgelder von Angehörigen von Patienten an Krankenhauspersonal, Abstand genommen worden.

Auch das vom Beklagten verneinte Mindestmaß der persönlichen Beziehung sei gegeben. Die Z Verwaltungs-GmbH habe die Wertsteigerungen ganz wesentlich auf die aus ihrer Sicht herausragenden Leistungen des Klägers zurückgeführt. Geldfluss und persönliche Leistung stünden deshalb korrespondierend zueinander.

Die Zahlungen seien auch freiwillig und ohne dass der Kläger einen Rechtsanspruch hierauf gehabt habe, zusätzlich zum Lohn, den er von seiner Arbeitgeberin, der Y GmbH, erhalten hat, bezahlt worden. Die Z Verwaltungs-GmbH habe die Honorierung auch nicht allen Arbeitnehmern der Y GmbH, sondern nur dem Kläger und einem weiteren Prokuristen gewährt, um gerade deren außerordentliche Leistungen zu honorieren, die über viele Jahre hinweg eine deutliche Wertsteigerung der von der Z Verwaltungs-GmbH gehaltenen Geschäftsanteile an der Y GmbH bewirkt hätten.

Der Kläger beantragt,

den Lohnsteuernachforderungsbescheid 2018 vom 17. September 2019 und den Einkommensteueränderungsbescheid 2018 vom 28. September 2020 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2020 dahingehend abzuändern, dass der Bruttoarbeitslohn in Höhe von € … gemindert wird,

im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2018 vom 15. November 2019 gemäß § 174 Abs. 3 AO sei zulässig gewesen.

§ 174 Abs. 3 AO erfasse die Fälle, in denen ein bestimmter Sachverhalt bei einer Steuerfestsetzung nicht berücksichtigt worden sei, weil die Finanzbehörde erkennbar von der Ansicht ausgegangen sei, dieser Sachverhalt müsse bei einer anderen Steuerfestsetzung berücksichtigt werden. Es müsse also ein negativer Widerstreit der Steuerfestsetzungen vorliegen, weil die Finanzbehörde den Sachverhalt in dem einen Steuerbescheid nicht erfasst habe, weil sie fälschlich davon ausgegangen sei, der Sachverhalt sei in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen. Dies sei hier der Fall.

Die Zahlungen der Z Verwaltungs-GmbH seien bei der Erstveranlagung zur Einkommensteuer für 2018 durch den Bescheid vom 15. November 2019 durch den ausdrücklichen Hinweis in Erläuterungsteil erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass eine Festsetzung im Lohnsteuernachforderungsbescheid – einem (Steuer-)Bescheid zur Festsetzung nachzufordernder Lohnsteuer – ausreichend und der Ausgang des Einspruchsverfahrens gegen den Lohnsteuernachforderungsbescheid abzuwarten gewesen sei. Deshalb sei die Änderung dieses Bescheids nach § 174 Abs. 3 AO zulässig gewesen.

Nach dem vom BFH herangezogenen allgemeinen Sprachgebrauch werde der Begriff des Trinkgeldes entscheidend durch den traditionell bestimmten Trinkgeldempfänger geprägt. Allen voran seien dies Kellner, aber auch Boten, Friseure, Fußpfleger, Gepäckträger und Taxifahrer, alles also Arbeitnehmer in niedrig entlohnten Berufen, die solche Zusatzleistungen auch nur als jeweils geringe Beträge einnähmen. Damit qualifiziere der BFH das Trinkgeld als kleineres Geldgeschenk. Geldgeschenke, die einen hohen Wert haben oder die einem Arbeitsentgelt – wohl nicht allein im Hinblick auf die Qualität, sondern auch im Hinblick auf die Quantität – entsprächen, seien damit kein Trinkgeld. Auch der Bundestag sei offensichtlich davon ausgegangen, dass unter den Begriff Trinkgeld lediglich kleinere Geldgeschenke an Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor als Anerkennung für Dienstleistungen und Dienstleistungsbereitschaft fielen.

Bei dem Kläger handele es sich nicht um einen solchen Arbeitnehmer. Auch wenn die Zahlung nur wenige Prozent des erzielten Kaufpreises betragen hätte, so bedeute der Prozentsatz nicht, dass es sich bei der Zahlung in Höhe von rund 1,3 Mio € nur um ein kleineres Geldgeschenk gehandelt habe, also eine Zusatzleistung in Form einer Nebenleistung.

Der Kläger habe bislang ohne Vorlage entsprechender Nachweise vorgetragen, dass die Zahlungen als Honorierung für seinen außerordentlichen und entscheidenden Beitrag zu der langjährigen Wertentwicklung der Geschäftsanteile gezahlt worden seien. Angaben dazu, welcher Art die Dienstleistung des Klägers an die Z Verwaltungs-GmbH gewesen sei, habe der Kläger nicht gemacht. Es sei nicht ersichtlich, warum die Z Verwaltungs-GmbH davon ausgegangen sein solle, dass der Kläger persönlich und im Bewusstsein einer Leistungserbringung für die Z Verwaltungs-GmbH eine zusätzliche Leistung erbracht habe, dass ihm daher ein Anteil an der Wertentwicklung der Geschäftsanteile und damit eine besondere Honorierung zukomme.