LAG Hamm Urteil vom 25.04.2014 - 10 Sa 1718/13
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf erweitertes Führungszeugnis. Informationsinteressen des Arbeitgebers. Kontakt zu Minderjährigen. Tätigkeit in einer Mitarbeitervertretung oder Betriebsrat und minderjährige Mitarbeiter
Leitsatz (amtlich)
1. Aus § 241 Abs. 2 BGB kann sich die Verpflichtung eines Arbeitnehmers ergeben, seinem Arbeitgeber ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30a BRZG vorzulegen.
2. Bei der Frage, ob ein erweitertes Führungszeugnis durch den Arbeitnehmer vorzulegen ist, sind die Informationsinteressen des Arbeitgebers und die Schutzinteressen des Arbeitnehmers bezogen auf seine persönlichen Daten gegeneinander abzuwägen.
3. Soweit die Voraussetzungen des § 30a Abs. 1 Ziffer 1 oder 2 BRZG erfüllt sind, ergibt sich regelmäßig ein Recht des Arbeitgebers auf Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses durch den Arbeitnehmer. Soweit die Voraussetzungen des § 30a BRZG dagegen nicht erfüllt sind, wird der Arbeitgeber in der Regel die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses nicht verlangen können.
4. Eine Vorlageverpflichtung auf der Grundlage des § 30a Abs. 1 Ziffer 2c BRZG erfordert einen Kontakt des Arbeitnehmers zu Minderjährigen, der zu einer besonderen Gefahrensituation werden kann.
5. Bei der Einschätzung der Frage, ob eine besondere Gefahrensituation entstehen kann, steht dem Arbeitgeber ein Beurteilungsspielraum zu.
6. Die bloße Möglichkeit, dass ein Arbeitnehmer zukünftig mit minderjährigen Klienten, Praktikanten oder Auszubildenden in Kontakt treten könnte, rechtfertigt die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses regelmäßig nicht.
7. Die Tätigkeit in einer Mitarbeitervertretung oder einem Betriebsrat führt auch dann, wenn in einem Betrieb minderjährige Mitarbeiter beschäftigt werden, in aller Regel nicht zu einer besonderen Gefahrensituation, die die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses rechtfertigen könnte.
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 13.11.2013; Aktenzeichen 3 Ca 1425/13) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 13.11.2013, 3 Ca 1425/13 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von zwei Abmahnungen.
Die Klägerin ist 1954 geboren. Sie war zunächst ab dem 01.10.1994 im Rahmen eines befristeten Dienstvertrags (Bl. 179 ff. d.A.) bei dem Beklagten als Berufspraktikantin tätig. Seit dem 01.10.1995 ist die Klägerin als Altenpflegerin bei dem Beklagten beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist ein schriftlicher Dienstvertrag vom 01.10.1995 (Bl. 176 ff. d.A.). Die monatliche Bruttovergütung der Klägerin beläuft sich auf 3.558,00 €.
Der Beklagte war seit dem Jahre 1970 korporatives Mitglied im Caritas-Verband der Stadt H e.V. und über diesen dem Deutschen Caritasverband e.V. in Freiburg angeschlossen. Bei dem Beklagten handelte es sich insofern um eine caritative Einrichtung der katholischen Kirche.
Zweck des Beklagten ist nach § 2 Abs. 2 der Vereinssatzung die Förderung der Hilfe für Menschen mit Behinderungen, der Altenhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe, der Erziehung, der Volks- und Berufsbildung und des Wohlfahrtswesens sowie die selbstlose Unterstützung hilfsbedürftiger Personen, die infolge ihres körperlichen oder geistigen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Zur Erfüllung dieses Zwecks erbringt der Beklagte personenzentrierte Dienstleistungen, damit Menschen mit Behinderungen, Erkrankungen und sozialen Schwierigkeiten selbstbestimmt leben können und ihnen somit eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird. Der Beklagte begleitet und betreut Menschen mit Assistenzbedarf in Nordrhein-Westfalen und bietet ihnen Angebote in den Bereichen Wohnen und Leben, Arbeit und Beschäftigung, Alltag und Freizeit an. Er betreibt in verschiedenen Regionen Nordrhein-Westfalens Behindertenheime, Außenwohnungen, Einrichtungen der tagesstrukturierten Arbeit und Beschäftigung für Menschen mit geistigen Behinderungen. Der Beklagte betreibt staatlich anerkannte Werkstätten für Behinderte, Menschen mit autistischer Behinderung sowie ambulante Dienste für betreutes Wohnen und allgemeine und psychiatrische Pflegedienste.
Die Klägerin wird bei dem Beklagten seit dem Jahr 2007 im Haus B in H eingesetzt. Es handelt sich um ein Haus mit sechs Wohngruppen zu je vier Bewohnern. Bei den Bewohnern handelt es sich um psychisch kranke Menschen im Alter von über 35 Jahren.
Das Haus B ist eine stationäre Einrichtung des Wohnverbundes Q. Der Wohnverbund Q bietet Lebensraum für erwachsene Menschen, die aufgrund psychischer Erkrankung auf umfassende Hilfen angewiesen sind. Zu dem Wohnverbund Q zählen im Übrigen das Haus 13/18, das Haus 38 sowie die Außenwohnungsbereiche. Die einzelnen Bereiche des Wohnverbundes Q liegen verteilt in H. Zwischen dem Haus am B und dem Haus 13/18 liegt eine Entfernung von mehreren Kilometern.
Bei dem Beklagten besteht auch ein Fachbereich A. Im Fachbereich A gibt es ein Kinder- und Jugendwohnheim, in dem auf sechs stationären Plätzen Klienten im Alter zwischen 14 und 17 Jahren betreut werden. Örtlich befindet sich der Fachbereich A in der Nähe des Hauses 13/18 des Wohnverbundes Q.
Bei dem Beklagten existierte eine Mitarbeitervertretung für den Bereich Ruhrgebiet. Die Klägerin war Mitglied dieser Mitarbeitervertretung. Eine eigene Jugend- und Auszubildendenvertretung existierte nicht.
Die Deutsche Bischofskonferenz hat im Jahre 2002 Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch an Minderjährigen erlassen und diese am 01.09.2010 weiter fortgeschrieben (Amtsblatt des Bistums Essen vom 08.10.2010, Stück 12, Seite 156 ff). Am 23.09.2010 hat die Deutsche Bischofskonferenz eine Rahmenordnung zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen beschlossen (Amtsblatt des Bistums Essen vom 19.11.2010, Stück 14, Seite 156 ff). Diese Rahmenordnung enthält unter II. 4 folgende Regelung:
4. Personalauswahl und -entwicklung
Die Prävention von sexuellem Missbrauch ist Thema im Vorstellungsgespräch, während der Einarbeitungszeit sowie in weiterführenden Mitarbeitergesprächen. In der Aus- und Fortbildung ist sie Pflichtthema. Haupt- und nebenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen entsprechend den gesetzlichen Regelungen ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Außerdem ist die Unterzeichnung einer Selbstverpflichtungserklärung verbindliche Voraussetzung einer Anstellung wie auch einer Beauftragung zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit im kinder- und jugendnahen Bereich.
Im Anschluss an diese Rahmenordnung wurde mit Wirkung zum 01.04.2011 eine Ordnung zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen (Präventionsordnung) im Bistum Essen erlassen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtung der Präventionsordnung vom 21.03.2011 (Bl. 12 ff. d.A.) Bezug genommen.
Im Frühjahr 2012 begann der Beklagte mit der Umsetzung der Präventionsordnung. Er forderte in diesem Zusammenhang seine Beschäftigten mit Schreiben vom 22.06.2012 auf, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis gemäß § 30a BZRG vorzulegen (Bl. 24 f. d.A.). Während die große Mehrzahl der Beschäftigten des Beklagten dieser Aufforderung nachkam, legte die Klägerin dem Beklagten kein Führungszeugnis vor. Sodann wurde die Klägerin mit weiterem Schreiben vom 06.12.2012 erneut zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses unter Fristsetzung bis zum 10.01.2013 aufgefordert (Bl. 26 d.A.). Hierzu nahm die Klägerin mit Schreiben vom 03.01.2013 Stellung (Bl. 23 d.A.).
Mit Schreiben vom 03.05.2013 (Bl. 8 f. d.A.) erteilte der Beklagte der Klägerin die erste streitgegenständliche Abmahnung. Hierzu ließ die Klägerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 21.06.2013 (Bl. 19 f. d.A.) eine Gegendarstellung abgeben. Hierauf erwiderte der Beklagte mit Schreiben vom 27.06.2013 (Bl. 21 d.A.). Sodann erteilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 02.07.2013 (Bl. 10 f. d.A.) die zweite streitgegenständliche Abmahnung.
Am 26.08.2013 erließ die Deutsche Bischofskonferenz neue Leitlinien und eine neue Rahmenordnung zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und erwachsenen Schutzbefohlenen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz (Amtsblatt des Bistums Essen vom 20.12.2013, Stück 14, Seite 129 ff).
Bis zur Erteilung der zweiten Abmahnung wurden während der Beschäftigung der Klägerin im Bereich des Wohnverbundes Qs dort keine minderjährigen Praktikanten eingesetzt. In der Zeit ab dem 04.11.2013 wurde im Bereich des Hauses 13/18 eine minderjährige Praktikantin beschäftigt.
Mit ihrer am 05.07.2013 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die erteilten Abmahnungen. Sie ist der Ansicht, die Abmahnungen seien zurückzunehmen und alle damit im Zusammenhang stehenden Schreiben aus der Personalakte zu entfernen. Sie habe keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung begangen, indem sie die Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses abgelehnt habe. Der Beklagte sei weder in Anwendung der Präventionsordnung des Bistums Essen noch in Anwendung des Bundeszentralregistergesetzes berechtigt, von ihr die Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses zu verlangen.
Die personelle Reichweite der Vorlagepflicht aus § 30a BZRG sei anhand einer Auslegung des Gesetzes zu ermitteln. Erforderlich sei, dass ein Beschäftigter kinder- oder jugendnah tätig sei. Dies setze eine regelmäßige Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und nicht einen gelegentlichen Umgang mit ihnen voraus. Gegen eine uferlose Ausweitung der Vorlagepflicht spräche das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters sowie das datenschutzrechtliche Informationserhebungsverbot aus § 4 Abs. 1 BDSG.
Ein Einsatz von Minderjährigen und Jugendlichen im Arbeitsbereich der Klägerin verbiete sich bereits nach § 8 JuSchG. Nach dieser Vorschrift dürften sich Kinder oder jugendliche Personen nicht an Orten aufhalten, von denen Gefahren für das körperliche, geistige oder seelische Wohl drohen können. Selbst schwangere Mitarbeiterinnen, die im Wohnverbund Q eingesetzt würden, werde zum Schutz des Ungeborenen ein Beschäftigungsverbot erteilt, da aufgrund der psychischen Erkrankung der betreuten Klienten eine Gefährdungslage bestehe. Schon insofern habe die Klägerin keine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme zu minderjährigen Praktikanten, Auszubildenden und Bundesfreiwilligendienstleistenden. Die in ihrem Arbeitsbereich eingesetzten Bundesfreiwilligendienstleistenden seien sämtlich volljährig. Dies gelte auch für die Jahrespraktikanten aus Erziehungsberufen. Ihr obliege nicht die Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger. Sie gehe auch keiner Tätigkeit nach, die in vergleichbarer Weise geeignet sei, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen.
Zwar würden im Kinder- und Jugendwohnheim des Fachbereichs A Minderjährige betreut. Allerdings sei sie in diesem Fachbereich zu keiner Zeit eingesetzt worden. Ein zukünftiger Einsatz sei auch wegen einer fehlenden Ausbildung für den Fachbereich A nicht möglich.
Eine besondere Kontaktnähe ergebe sich auch nicht aus ihrer Mitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung. Minderjährige Mitarbeiter würden nicht beschäftigt. Die Betreuung der im Fachbereich A eingesetzten Mitarbeiter durch die Klägerin als MAV-Mitglied erfolge durch Gespräche im Büro der Mitarbeitervertretung
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, die ihr mit Schreiben vom 03.05.2013 und 02.07.2013 erteilten Abmahnungen zurückzunehmen und aus der Personalakte alle damit im Zusammenhang stehenden Schreiben zu entfernen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, gemäß § 3 der Präventionsordnung vom 21.03.2011 in Verbindung mit § 30a BZRG verpflichtet zu sein, ein erweitertes Führungszeugnis von der Klägerin abzufordern. Die Weigerung der Klägerin, ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen, stelle eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar.
§ 30a Abs. 1 Ziffer 2 BZRG nenne mehrere Fallgruppen, bei denen die Erteilung eines erweiterten Führungszeugnisses in Betracht komme. Insbesondere aus der dritten Fallgruppe werde ersichtlich, dass dem Arbeitgeber ein gewisser Beurteilungsspielraum zugebilligt werden müsse. Denn nur er könne einschätzen, ob und inwieweit Mitarbeiter mit Minderjährigen Kontakte aufnehmen könnten.
Da bei dem Beklagten minderjährige Praktikanten, Auszubildende und Bundesfreiwilligendienstleistende tätig seien und minderjährige Klientinnen und Klienten begleitet würden, hätten grundsätzlich alle Mitarbeiter die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme, weshalb alle Mitarbeiter verpflichtet seien, ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen.
Die Klägerin sei zudem in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Mitarbeitervertretung im gesamten Geschäftsbereich Ruhrgebiet unterwegs und habe so auch Kontakt mit Minderjährigen. Im Jahre 2012 seien im Geschäftsbereich Ruhrgebiet zwei Minderjährige eingesetzt gewesen. Eine zuverlässige Abgrenzung zu Jugendlichen könne die Klägerin schon deshalb nicht garantieren.
Auch im Wohnverbund Q, in welchem die Klägerin eingesetzt sei, könnten minderjährige Praktikanten eingesetzt werden. Insbesondere im Rahmen einer aktuell beschlossenen "Bildungsoffensive" sollten vor allem solche Praktikanten vor Ort eingesetzt werden, die bislang keinen Ausbildungsplatz erhalten hätten. Im Hinblick auf den demographischen Wandel und den zu erwartenden Fachkräftemangel sollten Schülern ab 16 Jahren im Rahmen eines zweiwöchigen Praktikums die zentralen Aspekte der Einrichtungskonzeption in einem festgelegten Prozess erfahrbar gemacht werden. Jeder Praktikant erhalte eine feste Praktikumsbegleitung. Als eine solche komme auch die Klägerin in Betracht. Der Beklagte könne dabei mit der Anforderung des Führungszeugnisses nicht bis zum Einsatz eines Schülerpraktikanten zuwarten. Denn der Einsatz von Schülerpraktikanten erfolge kurzfristig. Schon bei Praktikumsantritt müsse das Führungszeugnis vorliegen. Über alle Fachbereiche des Tagesstättenverbundes und über ein Jahr betrachtet befänden sich dort bereits jetzt bis zu zwei jugendliche Kandidaten in je zweimal sechswöchigen Praktika, sieben bis acht Schüler in dreiwöchigen Schulpraktika sowie einmal jährlich eine Konfirmandengruppe von 10 bis 15 Kindern in Begleitung eines Pfarrers. Es sei für Mitarbeiter daher fast unmöglich, minderjährigen Praktikanten nicht zu begegnen. Auch im Wohnverbund Q könnten minderjährige Praktikanten eingesetzt werden. Der Beklagte verweist insofern auf die ab dem 04.11.2013 dort eingesetzte minderjährige Praktikantin. Zudem könnten auch minderjährige Klienten, die originär in Einrichtungen der Jugendhilfe betreut werden, in Einrichtungen der Eingliederungshilfe "eingestreut" werden.
Ein Einsatz von Minderjährigen im Haus am B sei auch nicht nach den Regelungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes ausgeschlossen. Gerade die Klägerin als Fachkraft könne von dem Beklagten mit dem Schutz und der Aufsicht von Jugendlichen beauftragt werden.
Selbst wenn es in der Vergangenheit nicht zu einem Kontakt zwischen der Klägerin und minderjährigen Praktikanten und Klienten gekommen sein sollte, so sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin entsprechend § 4 TVöD-B im gesamten Einrichtungsbereich des Beklagten eingesetzt werden könne und somit auch immer die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zu Minderjährigen bestehe. Insofern verweist der Beklagte darauf, dass im Fachbereich A minderjährige Klienten betreut würden. Auch in diesem Fachbereich sei die Klägerin grundsätzlich einsetzbar.
Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Deutschen Bischofskonferenz ihre Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch und die Rahmenordnung auf erwachsene Schutzbefohlene erweitert habe.
Ein weiteres Bedürfnis zur Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses ergebe sich aus § 25 JArbSchG.
Durch Urteil vom 13.11.2013 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen vom 03.05.2013 und 02.07.2013, da der Beklagte zumindest zum Zeitpunkt des Zugangs der Abmahnungen gegenüber der Klägerin keinen Anspruch auf Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses gehabt habe. Ein solcher Anspruch habe sich weder aus den §§ 2, 3 der Präventionsordnung für das Bistum Essen noch aus § 30a BZRG ergeben. Ein erweitertes Führungszeugnis sei nach diesen Vorschriften nur von Beschäftigten vorzulegen, die im Rahmen ihrer dienstlichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit Kinder und Jugendliche betreuen oder mit diesen regelmäßig in sonstiger Weise Kontakt haben können. Der Beklagte habe aber nicht dargelegt, dass die Klägerin eine Tätigkeit ausübe, die geeignet sei, in diesem Sinne Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen. Im Haus am B würden nur Klienten betreut, die über 35 Jahre alt seien. Der Beklagte habe auch keinen einzigen Minderjährigen benannt, der in dem relevanten Zeitraum bei der Klägerin im Haus B eingesetzt gewesen sei. Auch die abstrakte Möglichkeit, dass die Klägerin an einen anderen Arbeitsplatz versetzt werde, rechtfertige nicht die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses. Aus dem Vorbringen des Beklagten ergebe sich auch nicht, dass die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Mitarbeitervertretung in besonderer Weise Kontakt mit Kindern, jugendlichen Klienten oder Praktikanten aufnehmen könne.
Das Urteil ist dem Beklagten am 09.12.2013 zugestellt worden. Er hat gegen das Urteil am 23.12.2013 Berufung eingelegt und diese am 05.02.2014 begründet.
Der Beklagte wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und führt ergänzend aus:
Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass die Deutsche Bischofskonferenz ihre Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch und die Rahmenordnung geändert habe. Erwachsene Schutzbefohlene würden ausdrücklich in den Schutzbereich mit einbezogen. Das Arbeitsgericht habe zudem den Vorrang des Kirchenrechts missachtet, indem es fehlerhaft die Voraussetzungen des § 30a BZRG auf die vorgenannten kirchenrechtlichen Bestimmungen einschränkend mit angewandt habe. Die kirchenrechtlichen Bestimmungen der Präventionsordnung seien aber bereits unter das Tatbestandsmerkmal der gesetzlichen Bestimmungen in § 30a Abs. 1 Nr. 1 BRZG zu subsumieren. Die Präventionsordnung stelle nicht auf eine konkrete Begegnung der Mitarbeiter mit den zu schützenden Personen ab. Es genüge vielmehr die abstrakte Begegnungs- bzw. Kontaktmöglichkeit. Die einschränkende Auslegung des § 30a BZRG könne auch deshalb nicht greifen, weil in dem Individualarbeitsvertrag darüber hinaus ein besonderer kirchenrechtlicher Bezug durch die Präambel verankert worden sei, der die vorrangige Anwendung des Kirchenrechts konstituiere.
Zudem habe das Arbeitsgericht verkannt, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Mitglied der Mitarbeitervertretung regelmäßig in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen trete. Die auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Mitarbeitervertretungsordnung sehe nämlich für die Gruppe der Jugendlichen und Auszubildenden gerade keine eigenständige Jugend- und Auszubildendenvertretung vor. Inwieweit tatsächlich eine Begegnung zwischen der Klägerin und Minderjährigen im Rahmen ihrer Tätigkeit als Mitglied der Mitarbeitervertretung stattfinde, unterliege nicht der Kontrolle des Beklagten. In den geschaffenen Vertrauensräumen könne gerade eine vertrauliche und vom Arbeitgeber nicht zu überprüfende Kontaktaufnahme stattfinden.
Weiterhin habe das Arbeitsgericht nicht hinreichend gewürdigt, dass im Wohnbereich Q ab dem 04.11.2013 tatsächlich eine minderjährige Praktikantin eingesetzt worden sei. Bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Abmahnung seien auch nachgelagerte Tatumstände wie etwa der geplante Einsatz von Minderjährigen zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 13.11.2013, Az.: 3 Ca 1425/13 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Das Arbeitsgericht habe mit zutreffenden Erwägungen entschieden, dass der Beklagte nicht aus den §§ 2, 3 der Präventionsordnung einen Anspruch herleiten könne, von der Klägerin die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses zu verlangen. Entgegen der Auffassung des Beklagten existiere ein besonderer Vorrang des Kirchenrechts gegenüber § 30a BZRG nicht. Soweit es um die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses gehe, habe dies nichts mit irgendwelchen konfessionellen Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses zu tun. Dementsprechend seien die Bestimmungen der Präventionsordnung auch keine gesetzlichen Bestimmungen im Sinne des § 30a Abs. 1 BZRG. Letztendlich könne dies jedoch dahinstehen, da die Regelungen der Präventionsordnung den Regelungen von § 30a BZRG entsprächen.
Ein erweitertes Führungszeugnis sei nur vorzulegen, wenn ein Mitarbeiter regelmäßigen Kontakt mit jugendlichen Schutzbefohlenen habe. Die Klägerin habe jedoch keinerlei Aufgaben, in deren Rahmen ihr minderjährige Schutzbefohlene anvertraut würden. Die bloße Kontaktmöglichkeit im Rahmen der Tätigkeit in der Mitarbeitervertretung reiche nicht aus. Es komme auch nicht darauf an, ob es zum Einsatz einer minderjährigen Praktikantin gekommen sei. Ein Praktikumsverhältnis sei kein besonderes Betreuungsverhältnis. Zudem sei die Klägerin in keiner Weise mit der Unterweisung einer minderjährigen Praktikantin befasst gewesen.
Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Protokollerklärungen ergänzend Bezug genommen.