Arbeitnehmer
Zusammenfassung
Name: LI1918777 Rz:Begriff
Arbeitnehmer sind Personen, die im Dienst eines anderen zur Arbeit verpflichtet sind.
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung
Arbeitsrecht: Die Legaldefinition des Arbeitsvertrags und damit auch des Arbeitnehmers findet sich in § 611a BGB.
Lohnsteuer: Der Arbeitnehmerbegriff ist geregelt in § 1 LStDV und mittelbar durch § 19 Abs. 1 EStG. Die Verwaltungsanweisungen R 19.0–19.2 LStR sowie H 19.0–19.2 LStH enthalten weitere Informationen.
Sozialversicherung: Die Beschäftigung ist in § 7 Abs. 1 SGB IV geregelt. Arbeitnehmer im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist, wer im Dienste eines anderen in persönlicher Abhängigkeit steht. Die Merkmale des arbeitsrechtlichen Arbeitsverhältnisses sind oft ähnlich, aber bei einem arbeitsrechtlichen Arbeitsverhältnis muss es sich nicht zwingend um ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis handeln.
Beratungsblatt
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1 Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne
Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne sind Personen, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienst eines anderen in persönlicher Abhängigkeit zur Arbeit verpflichtet sind.
Achtung
Abweichungen arbeitsrechtlicher und steuerrechtlicher Arbeitnehmerbegriff
Der arbeitsrechtliche Arbeitnehmerbegriff stimmt mit dem steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen nicht immer überein. So sind z. B. Vorstandsmitglieder juristischer Personen arbeitsrechtlich keine Arbeitnehmer, steuerrechtlich hingegen schon.
1.1 Legaldefinition in § 611a BGB
Die umfangreiche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Definition des Arbeitnehmers ist im Wesentlichen durch die Regelung des § 611a BGB übernommen worden. [ 1 ] Die Vorschrift ist zum 1.4.2017 in Kraft getreten.
Nach der gesetzlichen Regelung wird der Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
1.2 Arbeitnehmer nach Rechtsprechung des BAG
Das Bundesarbeitsgericht hat zahlreiche Entscheidungen zum Grad der persönlichen Abhängigkeit und damit zum Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft gefällt. Trotz Inkrafttreten des § 611a BGB mit der Legaldefinition eines Arbeitnehmers ist die hierzu ergangene Rechtsprechung weiterhin wichtig für die Abgrenzung zwischen angestellter Tätigkeit und freier Mitarbeit. Neben Urteilen, die bereits unter dem Geltungsbereich von § 611a BGB ergangen sind, werden daher im Folgenden auch die bis zu diesem Zeitpunkt ergangenen Entscheidungen dargestellt.
Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich nach der Rechtsprechung des BAG von dem Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit des Verpflichteten. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. [ 2 ] Die Begriffe der Weisungsgebundenheit und Fremdbestimmung sind dabei eng miteinander verbunden und überschneiden sich teilweise; eine weisungsgebundene Tätigkeit ist in der Regel zugleich fremdbestimmt. [ 3 ] Die Weisungsbindung ist das engere, den Vertragstyp im Kern kennzeichnende Kriterium, das auch in § 611a näher ausgestaltet ist. Das Weisungsrecht kann, muss aber nicht gleichermaßen Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Nur wenn jegliche Weisungsgebundenheit fehlt, liegt in der Regel kein Arbeitsverhältnis vor. Das Kriterium der Fremdbestimmung zeigt sich insbesondere in der Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers. Eine Eingliederung wird dadurch deutlich, dass ein Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Häufig tritt auch eine fachliche Weisungsgebundenheit hinzu, sie ist andererseits für Dienste höherer Art nicht immer typisch. [ 4 ]
In Abgrenzung zum freien Dienstverhältnis ist ein Arbeitsverhältnis anzunehmen, wenn die Leistung von Diensten nach Weisung des Dienstberechtigten gegen Zahlung von Entgelt den Schwerpunkt des durch privatrechtlichen Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses bildet. [ 5 ] Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich demnach von dem Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der Verpflichtete befindet. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Nach § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB bedarf es für die Feststellung des Rechtsverhältnisses im konkreten Fall einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls. Anknüpfungspunkt für die Zuordnung des Rechtsverhältnisses zu einem bestimmten Vertragstyp sind die in § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB genannten Abgrenzungskriterien, können aber auch weitere Umstände sein, die teleologisch zur Abgrenzung beitragen können. [ 6 ] Nach gefestigter Rechtsprechung ist Arbeitnehmer, wer seine Arbeit im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat; selbstständig ist dagegen, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. [ 7 ]
Die das Rechtsverhältnis prägenden charakteristischen Merkmale sind zu beurteilen, wie sie sich aus dem Inhalt des Vertrags und der praktischen Durchführung und Gestaltung der Vertragsbeziehungen ergeben. Eine von den Parteien gewählte Bezeichnung (z. B. freier Mitarbeiter) oder von ihnen gewünschte Rechtsfolge, die dem Geschäftsinhalt in Wahrheit nicht entspricht, ist nicht erheblich. Widersprechen Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung des Vertrags einander, ist Letztere maßgebend. [ 8 ]
Arbeitnehmer ja oder nein?
Auch der Werkstudent, der nur in den Ferien arbeitet, ist Arbeitnehmer.
Keine Arbeitnehmer sind
- Beamte im beamtenrechtlichen Sinne,
- Familienangehörige des Arbeitgebers, soweit sie nicht aufgrund eines Arbeitsvertrags, sondern aufgrund ihrer familienrechtlichen Verpflichtung Arbeit leisten,
- unfreie Arbeiter (z. B. Strafgefangene),
- Personen, die vorwiegend aus karitativen oder religiösen Gründen (z. B. Ordensschwestern) oder zur Heilung oder sittlichen Besserung arbeiten,
- gesetzliche Vertreter juristischer Personen (z. B. Aktiengesellschaft, GmbH, Genossenschaft),
- DRK-Schwestern, wenn sie aufgrund eines Gestellungsvertrags in einem von einem Dritten betriebenen Krankenhaus tätig sind. [ 9 ]
1.3 Unionsrechtlicher Arbeitnehmerbegriff
Vom nationalen ist der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zu unterscheiden. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) [ 10 ] ist als "Arbeitnehmer" jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält.
Die Rechtsprechung des EuGH findet auch im nationalen Recht bei Gesetzen Anwendung, die auf eine Richtlinie der europäischen Union zurückzuführen sind.
So sind z. B. die Begriffe "Arbeitnehmerinnen" und "Arbeitnehmer" in § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG nicht nach rein nationalem Rechtsverständnis, sondern unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2006/54/EG auszulegen. [ 11 ] Danach können im Einzelfall auch arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne des innerstaatlichen Rechts Beschäftigte i. S. v. § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG sein.
Auch bei der Anwendung des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) ist der Arbeitnehmerbegriff des EuGH anzuwenden. Die Vorschriften des BUrlG sind unionsrechtskonform auszulegen. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH [ 12 ] müssen die nationalen Gerichte bei der Anwendung des nationalen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auslegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen.
[ 1 ] |
Vgl. etwa die nahezu inhaltsgleiche Definition im Leitsatz des Urteils des BAG v. 15.2.2012, 10 AZR 301/10. |
[ 2 ] | |
[ 3 ] |
BAG, Urteil v. 30.11.2021, 9 AZR 145/21, Rzn. 31 ff. |
[ 4 ] | |
[ 5 ] | |
[ 6 ] |
BAG, Urteil v. 1.12.2020, 9 AZR 102/20, Rzn. 31 ff. |
[ 7 ] | |
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[ 9 ] | |
[ 10 ] |
EuGH, Urteil v. 3.5.2012, C-337/10 (Neidel). |
[ 11 ] | |
[ 12 ] |
EuGH, Urteil v. 24.1.2012, C-282/10 (Dominguez), Rz. 24; EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 8. |
[ 13 ] | |
[ 14 ] | |
[ 15 ] |
Ähnlich BAG, Urteil v. 19.5.2010, 5 AZR 253/09; BAG, Urteil v. 19.3.2009, 6 AZR 737/97. |
[ 16 ] | |
[ 17 ] |
Z. B. § 5 Abs. 1 BetrVG. |
[ 18 ] | |
[ 19 ] | |
[ 20 ] |
R 4.8 EStR; H 4.8 EStH. |
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[ 26 ] | |
[ 27 ] |
BMF, Schreiben v. 7.11.2019, IV C 5 – S 2363/19/10007 :001, BStBl 2019 I S. 1087. |
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S. Sonderausgaben. |
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