Hessisches LAG Urteil vom 20.03.2013 - 18 SaGa 175/13
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigungsanspruch. Freistellungsklausel. einstweilige Verfügung. Beschäftigung in der laufenden Kündigungsfrist. blue-pencil-test. AT-Angestellter. Beschäftigungsanspruch bei unwirksamer Freistellungsklausel. Freistellung ohne besondere Begründung
Leitsatz (redaktionell)
Die im Formulararbeitsvertrag eingeräumte Berechtigung, einen Arbeitnehmer ohne Vorliegen besonderer Voraussetzungen freizustellen, ist mit dem wesentlichen Grundgedanken des höchstrichterlich anerkannten Beschäftigungsanspruchs eines Arbeitnehmers nicht vereinbar.
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 31.01.2013; Aktenzeichen 20 Ga 191/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Jan. 2013 - 20 Ga 191/12 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.
Die Verfügungsbeklagte wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, den Verfügungskläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Juli 2013 als Leiter Kartengeschäft Produktmanagement/Operations innerhalb des Geschäftsbereichs 5 zu beschäftigen. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens hat der Kläger 1/3, die Beklagte 2/3 zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren um das Recht des Verfügungsklägers (folgend: Kläger), nach betriebsbedingter und später auch verhaltensbedingter Kündigung bis zum Erreichen des Kündigungstermins tatsächlich beschäftigt zu werden.
Die Verfügungsbeklagte (folgend: Beklagte) ist eine Privatbank mit ca. 700 Mitarbeitern.
Der XX Jahre alte, verheiratete Kläger, der Unterhaltspflichten für 2 Kinder hat, ist im Betrieb der Beklagten seit 01. Juli 2009 als Leiter Kartengeschäft Produktmanagement/Operations in deren Hauptverwaltung gegen eine Bruttomonatsvergütung von 10.292,00 € tätig. Die Beklagte erkennt eine Betriebszugehörigkeit des Klägers bei einer Rechtsvorgängerin seit dem 01. Januar 1986 an.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch schriftlichen Arbeitsvertrag vom 23. November 2009 geregelt (Anlage A 1 zur Klageschrift Bl. 68-74 d.A.). In § 6 des Arbeitsvertrages ist ein Recht der Beklagten zur Freistellung des Klägers bestimmt. Die Klausel lautet:
"Das Unternehmen ist berechtigt, Sie jederzeit unter Fortgewährung des Arbeitsentgelts von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freizustellen. Dies gilt insbesondere für die Dauer der Kündigungsfrist im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Auf die Freistellung werden nacheinander etwaige Ihnen noch zustehenden Urlaubsansprüche sowie etwaige Zeitguthaben angerechnet."
Die Beklagte kündigte das zu dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis am 14. Dezember 2012 zum 31. Juli 2012 und stellte den Kläger nach Übergabe des Kündigungsschreibens am selben Tag unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei (Anlage A 4 zur Klageschrift, Bl. 79 d.A.).
Der Kläger beantragte am 28. Dezember 2012 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Beschäftigung zu unveränderten Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits. Wegen des unstreitigen und streitigen Vorbringens in erster Instanz im Übrigen sowie die gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag des Klägers durch Urteil vom 31. Januar 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Kläger habe keinen Verfügungsanspruch. Die Parteien hätten in § 6 des Arbeitsvertrages die Befugnis der Beklagten zur Freistellung des Klägers in der laufenden Kündigungsfrist wirksam geregelt. Die Klausel verstoße nicht gegen § 307 Abs. 1 BGB. Der Kläger sei als ein AT-Angestellter und Mitglied der dritten Führungsebene in einer herausgehobenen Funktion tätig. Dies rechtfertige eine Freistellungsbefugnis des Arbeitgebers für einen Zeitraum ab Ausspruch einer Kündigung. Von dem Freistellungsrecht sei auch ermessensfehlerfrei Gebrauch gemacht worden.
Gegen das dem Kläger am 07. Februar 2013 zugestellte Urteil hat dieser am 08. Februar 2013 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 22. Februar 2013, welcher am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, begründet.
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis durch Kündigung vom 28. Februar 2013 zusätzlich verhaltensbedingt zum 30. September 2013 gekündigt.
Der Kläger vertritt die Ansicht, dass ein Verfügungsanspruch zu Unrecht verneint worden sei. Die Klausel verstoße gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Seine Tätigkeit sei nicht weggefallen, die Aufgaben noch vorhanden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Januar 2013 - Az.: 20 Ga 191/12 - abzuändern und die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zu verurteilen, ihn
1. zu unveränderten Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses als Leiter Kartengeschäft Produktmanagement/Operations im Geschäftsbereich 5 der Verfügungsbeklagten in A zu beschäftigen;
2. hilfsweise zu ansonsten vertraglichen Bedingungen mit Tätigkeiten zu beschäftigen, die seinen Kenntnissen und Vorbildungen entsprechen und den Tätigkeiten eines verantwortlichen Mitarbeiters im Geschäftsbereich Kartengeschäft, Produktmanagement und Operations, Advisory und Services gleichwertig sind;
3. hilfsweise zu unveränderten Bedingungen bis zum 31. März 2013 als Leiter Kartengeschäft Produktmanagement/Operations im Geschäftsbereich 5 der Verfügungsbeklagten in Frankfurt zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Sie macht geltend, die Freistellungsklausel bei Arbeitnehmern in herausgehobener Stellung sei zulässig. Ihr Freistellungsinteresse überwiege das Beschäftigungsinteresse des Beklagten. Es sei zu befürchten, dass der Kläger bei einer Beschäftigung vertrauliche Mitteilungen der Geschäftsführung und Daten über derzeit geplante Geschäfte und Vereinbarungen erlange und an Konkurrenten weitergebe. Sie behauptet, der Kläger könne keine Führungsfunktion mehr ausüben, die Arbeitnehmer seiner früheren Abteilung 52 hätten das Unternehmen verlassen bzw. würden es bald verlassen oder übten diese Tätigkeit nicht mehr aus.
Zur weiteren Darstellung wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien einschließlich der von ihnen vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstands gem. § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und form- und fristgerecht eingelegt sowie ordnungsgemäß und rechtzeitig begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
Die Berufung ist auch überwiegend begründet. Der Beklagten war im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, den Kläger bis zum Erreichen des Kündigungstermins (31. Juli 2013) als Leiter Kartengeschäft Produktmanagement/Operations innerhalb des Geschäftsbereichs 5 zu beschäftigen (§ 938 Abs. 1 ZPO).
I. Der Kläger hat einen Verfügungsanspruch. Die Beklagte überschreitet mit der Freistellung des Klägers bei Fortzahlung der Vergütung ihr Direktionsrecht nach § 106 Satz 1 GewO.
Ein Arbeitnehmer hat grundsätzlich bis zum Ende der Kündigungsfrist einen Beschäftigungsanspruch. Ein Recht zu einer einseitigen Freistellung kann nur bestehen, wenn eine Weiterarbeit schwerwiegende Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigen würde (Hess. LAG Urteil vom 19.08.2002 - 16 SaGa 1118/02 - veröff. in juris).
1. Die Freistellungsklausel in § 6 des Arbeitsvertrages der Parteien ist nach § 307 Abs.1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
a) Bei der Regelung in § 6 des Arbeitsvertrages handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die nach §§ 305 ff. BGB auf ihre Verbindlichkeit für die Vertragspartner zu überprüfen ist. Die Beklagte hat sich gegen die bereits durch das erstinstanzliche Gericht erfolgte Bewertung, die Regelungen der Arbeitsvertrages seien einer AGB-Kontrolle zu unterziehen, nicht gewandt und inhaltlich zur Überprüfung der Freistellungsklausel nach dem Maßstab des § 307 BGB Stellung genommen. Ob die Voraussetzung des § 305 Abs. 1 BGB vorliegen, braucht nicht festgestellt zu werden. Die Überprüfung der Klausel ist zumindest durch § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB eröffnet.
b) Die Klausel benachteiligt den Kläger unangemessen und ist daher unwirksam. Die eingeräumte Berechtigung, den Kläger ohne Vorliegen besonderer Voraussetzungen freizustellen, ist mit dem wesentlichen Grundgedanken des höchstrichterlich anerkannten Beschäftigungsanspruchs eines Arbeitnehmers nicht vereinbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich einen Anspruch auf tatsächliche vertragsgemäße Beschäftigung. Dieser allgemeine Beschäftigungsanspruch besteht gerade auch nach Ausspruch einer Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (BAG Urteil vom 13.06.1990 - 5 AZR 350/89 - EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 44; BAG Urteil vom 19.08.1976 - 3 AZR 173/75 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 4). Rechtsgrundlage dieser Beschäftigungspflicht ist eine ergänzende Rechtsfortbildung des Dienstvertragsrechts der §§ 611 ff. BGB auf Grund des § 242 BGB in Verbindung mit Art. 1 und 2 GG (vgl. BAG Beschluss vom 27.02.1985 - GS 1/84 - NZA 1985, 702). Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tritt dieser allgemeine Beschäftigungsanspruch nur zurück, wo überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (Hess. LAG Urteil vom 19.08.2002 - 16 SaGa 118/02 - veröff. in juris; Hess. LAG Urteil vom 14.03.2011 - 16 Sa 1677/10 - veröff. in juris).
Eine Klausel, die ohne weitere Vorbedingungen den Arbeitgeber für die Kündigungsfrist zur Freistellung des Arbeitnehmers berechtigt, verkehrt das Verhältnis von Regel- und Ausnahmefall, ungeachtet einer in jedem Einzelfall vorzunehmenden Kontrolle bei der Ausübung eines formularmäßig eingeräumten Rechts, ob die Grenzen billigen Ermessens überschritten wurden (§ 315 Abs.3 Satz 1 BGB). Sie ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Eine Suspendierung der Arbeitspflicht durch individuelle Vereinbarung ist im Regelfall zulässig, da der Beschäftigungsanspruch dispositiv ist. Das Recht des Arbeitnehmers, seinen Beschäftigungsanspruch in einer konkreten Situation geltend zu machen, wird aber durch einen generellen Vorausverzicht erheblich beeinträchtigt. Dies ist wegen des damit verbundenen Rechtsverlusts nicht hinzunehmen (vgl. Hess. LAG Urteil vom 14.03.2011 - 16 Sa 1677/10, veröff. in juris; Preis, Der Arbeitsvertrag, 4. Aufl., II F 10, Rz 19-29a; Clemenz/Kreft/Krause, AGB-Arbeitsrecht, § 307 Rz 184).
c) Das vorstehende Ergebnis gilt auch dann, wenn man von einer Teilbarkeit der Klausel ausgeht (Blue-pencil-Test).
aa) Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. Blue-pencil-Tests durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (vgl. BAG Urteil vom 06.05.2009 - 10 AZR 443/08 - EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44). Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Die Zerlegung einer ihrem Wortlaut nach eindeutig einheitlichen Regelung in mehrere selbständige Regelungen ist nicht zulässig (BAG Urteil vom 21.06.2011 - 9 AZR 238/10 - AP Nr. 54 zu § 307 BGB).
Streicht man das Wort "jederzeit" im ersten Satz und das Wort "insbesondere" im zweiten Satz des § 6, ist der Anwendungsbereich der Klausel nur auf ein Freistellungsrecht nach Ausspruch der Kündigung beschränkt.
bb) Auch eine solche Freistellungsklausel, welche auf das Recht zur Freistellung in der Kündigungsfrist beschränkt ist, hält im Regelfall einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand.
Es ist zumindest zu fordern, dass ein berechtigtes Freistellungsinteresses des Arbeitsgebers vorab umschrieben wird oder aber der Arbeitnehmer einer Gruppe angehört, bei der im Regelfall von einem Überwiegen des Interesses des Arbeitgebers an einer Suspendierung nach Ausspruch einer Kündigung ausgegangen werden darf (vgl. Hess. LAG Urteil vom 14.03.2011 - 16 Sa 1677/10, veröff. in juris; Küttner-Kania, Personalhandbuch 2012, 19. Auf., Freistellung von der Arbeit Rz 16; U. Fischer, Die formularmäßige Abbedingung des Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers, NZA 2004, 233, 234).
Dabei ist der von der Beklagten angeführten Entscheidung des LAG Köln vom 13.05.2005 zu widersprechen (- 4 Sa 400/05 - AE 2006, 24). Die Überprüfung einer Klausel nach §§ 305 ff. BGB mit dem Ergebnis, dass diese wirksam ist und insbesondere eine Vertragspartei nicht unangemessen benachteiligt, ist eine Inhaltskontrolle. Neben eine Inhaltskontrolle tritt im Einzelfall die Ausübungskontrolle gem. § 315 BGB, sie macht die erstere jedoch nicht entbehrlich (BAG Urteil vom 21.01.2005 - 5 AZR 364/04 - NZA 2005, 465). Eine "offene" Freistellungsklausel für den Fall der Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird nicht dadurch angemessen, dass die Ausübung des Rechts auf Freistellung auch einer Angemessenheitskontrolle nach dem Maßstab des § 315 BGB unterliegen kann.
cc) Eine Beschränkung des Rechts der Freistellung auf Fälle des berechtigten Interesses ist in der Klausel nicht geregelt, so dass offen bleiben kann, wie genau ein sachlicher Grund vorab beschrieben werden muss (vgl. Preis, Der Arbeitsvertrag, 4. Aufl., II F 10, Rz 25, 29a; Clemenz/Kreft/Krause, AGB-Arbeitsrecht, § 307 Rz 184).
Es kann auch nicht von einem abstrakten, aus Funktion und Rangordnung des Klägers folgenden Überwiegen des Interesses an einer Suspendierung ausgegangen werden.
Der Kläger gehört zwar der zweiten oder dritten Führungsebene der Beklagten an. Daraus folgt jedoch nicht, dass er sämtliche Entscheidungen der Geschäftsführung kennt. Die ihm in der Vergangenheit zugänglichen Informationen waren auf den Geschäftsbereich 5 beschränkt. Der Kläger ist außerdem nicht im Vertrieb, im ständigen Kontakt mit Kunden oder in der Entwicklung neuer Produkte tätig. Es ist keine Gefahr erkennbar, dass er Kunden abwirbt, beeinflusst oder einen Vorsprung der Beklagten gegenüber ihren Konkurrenten durch Weitergabe von Informationen zunichte machen kann. Ein besonderes Wettbewerbsverbot, wie durch § 9 des Arbeitsvertrages vorgesehen, ist nicht vereinbart worden.
Kenntnisse, die der Kläger über das Kartengeschäft von Banken besitzt, hat er in der Zeit vor Ausspruch der Kündigung erworben. Soweit die Beklagte in der Verhandlung am 20. März 2013 angeführt hat, der Kläger erlange Informationen über Kooperationspartner und die mit diesen getroffenen Vereinbarungen, ist festzustellen, dass der Kläger schon länger im Produktmanagement wegen der Kunden B, C und D arbeitete. Der Befürchtung der Beklagten, der Kläger könne Konditionen neuer Vereinbarungen - d.h. nach Ausspruch der Kündigung getroffen - für Visa-Card‚s und Master-Card‚s, insbesondere die Höhe der Kickbacks, an Konkurrenten verraten, dürfte es der Geschäftsleitung möglich sein, ihre Gewinnmargen geheim zu halten. Darüber hinaus kann sie den Kläger zur Verschwiegenheit verpflichteten, soweit tatsächlich Neuerungen im Kreditkartengeschäft anfallen, die ihm bisher nicht bekannt waren. Zudem war der Kläger nicht mit Vertriebsaufgaben befasst, diese gehörten in den Zuständigkeitsbereich der Abteilung Kartengeschäft Advisory und Services.
Die von der Beklagten geäußerte Befürchtung, der Kläger könne sich nach Erhalt der Kündigung möglicherweise illoyal verhalten, ist pauschal. Würde der Umstand einer Kündigung genügen, um bei jedem Arbeitnehmer illoyales Verhalten annehmen zu dürfen, wäre in jedem Fall einer Kündigung, sei es arbeitgeber- oder arbeitnehmerseitig, eine Suspendierung gerechtfertigt. Der Vorwurf gegenüber dem Kläger knüpft an kein aktuelles oder ein bestimmtes Verhalten der Vergangenheit an. Der Kläger ist außerdem durch seinen Arbeitsvertrag nach § 8 Abs. 2 zur Verschwiegenheit verpflichtet. Kenntnisse über die Höhe der Bezüge ihm unterstellter Arbeitnehmer kann der Kläger nach Ausspruch der Kündigung nicht mehr erhalten werden, wenn - wie die Beklagte ausführt - ihm wegen der Schließung der Abteilung keine Mitarbeiter mehr unterstellt werden können.
Schließlich ist der Kläger kein leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 KSchG, sondern AT-Angestellter. Die Wertung des § 14 Abs. 2 S. 2 KSchG kann daher nicht auf sein Arbeitsverhältnis übertragen werden.
2. Für ein Recht der Beklagten, den Kläger unabhängig von der in § 6 des Arbeitsvertrages getroffenen Regelung nach der Kündigung vom 14. Dezember 2012 freizustellen, kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Die Beklagte hat nicht konkret vorgetragen, dass ein grober Vertragsverstoß die Vertrauensgrundlage beeinträchtigt und z.B. ein Geheimnisverrat oder Konkurrenztätigkeit zu befürchten sind.
3. Der Verfügungsanspruch ist auch durchsetzbar und nicht wegen der Auflösung der bisherigen Abteilung 52 unmöglich.
Die Beklagte kann ihre Pflicht zur Beschäftigung des Klägers in dem (noch) bestehenden Arbeitsverhältnis erfüllen, indem sie diesem im Rahmen ihres Weisungsrechts Aufgaben der früheren Abteilung 52 zuweist. Trotz der von der Beklagten im Kündigungsrechtsstreit vorgetragenen Umorganisation fallen noch Aufgaben dieses Bereichs an. Sie sind jetzt der Abteilung Kartengeschäft Advisory und Services zugeordnet. Das Gesamtprojekt E dauert nach Angaben der Beklagten bis Ende Januar 2014, auch die Zusammenarbeit mit der D wird fortgesetzt. Soweit die Beklagte vorgetragen hat, dass Aufgaben auf externe Dienstleister verlagert oder automatisiert bzw. "verschlankt" worden seien, ist der Kläger diesen Behauptungen mit erheblichen Vortrag entgegengetreten. Die Beklagte hat nicht widerlegt, dass der Auslagerungsprozess, z.B. an F, G und einen Makler der Gesellschaft H, bereits seit 2009 erfolgte. Auch reduzierte Arbeiten müssen noch erledigt werden.
Eine Beschäftigung des Klägers bedingt nicht zwingend, dass ihm andere Arbeitnehmer unterstellt werden. Eine Abteilung mit reduzierten Aufgaben kann gegebenenfalls auch nur aus ihrem Leiter bestehen. Deshalb kann der Streit der Parteien darüber, ob Arbeitnehmer der früheren Abteilung 52 deren Aufgaben teilweise noch ausüben oder der Arbeitnehmer I für diese Aufgaben neu eingestellt wurde, dahinstehen.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ein Einsatz des Klägers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist überhaupt nicht mehr möglich ist oder darüber hinaus erhebliche zusätzliche Kosten verursachen würde. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich nur eingeschränkt auf Zwänge von Organisationsentscheidungen berufen kann, deren Zeitpunkt und Art und Weise der Umsetzung sie selbst bestimmen konnte.
II. Der Kläger hat auch einen Verfügungsgrund.
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung kommt nur in Betracht, wenn Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht sind, aus denen sich herleiten lässt, dass eine Entscheidung im Eilverfahren zur Abwehr wesentlicher Nachteile erforderlich ist (§§ 935, 940 ZPO).
Dabei ist auch für einen Anspruch auf Beschäftigung im zweifelsfrei (noch) bestehenden Arbeitsverhältnis notwendig, dass der Arbeitnehmer Tatsachen darlegt und glaubhaft macht, dass er über die Rechtswidrigkeit der ihm zugemuteten Maßnahme hinaus Beeinträchtigungen unterliegt, welche es rechtfertigen ihm einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren (Hess LAG Urteil vom 19.08.2002 - 16 SaGa 1118/02 - veröff. in juris).
Gefordert werden muss, dass die einstweilige Regelung dringend geboten ist, um einen erheblichen, nicht hinzunehmenden und nicht mehr auszugleichenden Schaden zu verhindern (Hess. LAG Urteil vom 28.06.2010 - 16 SaGa 811/10, veröff. in juris; Hess. LAG Urteil vom 03.03.2005 - 9 SaGa 2286/04 - veröff. in juris;GK-ArbGG-Vossen, § 62 Rz 69a; Korinth, Einstw. Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, I Rz 94.).
Dabei ist grundsätzlich danach zu differenzieren, ob der Arbeitgeber generell eine Beschäftigung verweigert oder diese nur zu bestimmten Bedingungen ermöglichen will, wie etwa bei einem Streit über die Rechtmäßigkeit einer Versetzung.
Schließt ein Arbeitgeber eine Beschäftigung unter allen Bedingungen aus, kann der Arbeitnehmer den eintretenden Schaden, welcher in der erzwungenen Untätigkeit liegt, nur durch eine im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz erstrittene Beschäftigung abwenden. Die Beschäftigungspflicht ist eine Fixschuld, der Anspruch geht zugleich mit der Nichterfüllung unter. Die vom Arbeitgeber zu Unrecht verweigerte Beschäftigung kann dann dazu führen, dass die Ablehnung einer einstweiligen Verfügung auf eine mit dem Rechtsschutzgedanken nicht zu vereinbarende Rechtsschutzverweigerung hinausläuft. Zweck des aus einer an verfassungsrechtlichen Wertungen (Art. 1, 2 GG) orientierten, im Wege zulässiger Rechtsfortbildung entwickelten, Beschäftigungsanspruchs (vgl. BAG Beschluss vom 27.02.1985 - GS 1/84 - NZA 1985, 702) ist es, den ideellen Interessen des Arbeitnehmers an einer Beschäftigung Rechnung zu tragen. Die Möglichkeit der Persönlichkeitsentfaltung und des Erhalts der Achtung und Wertschätzung der Menschen des Lebenskreises des Arbeitnehmers wird durch eine Verweigerung der Beschäftigung verletzt. Der entstehende Schaden kann nicht nachträglich ausgeglichen werden und verstärkt sich mit zunehmender Dauer der Untätigkeit.
Nach diesen Voraussetzungen hat der Kläger einen Verfügungsgrund dadurch ausreichend dargelegt, dass er auf seine unstreitige Freistellung während der Kündigungsfrist und die erzwungene berufliche Untätigkeit von mehr als 7 Monaten verwiesen hat.
III. Für einen Anspruch des Klägers auf Verurteilung der Beklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verurteilen, ihn auch nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zu einer möglicherweise zeitlich danach liegenden Entscheidung erster Instanz im Kündigungsrechtsstreit zu beschäftigen, besteht weder ein Verfügungsanspruch, noch ein Verfügungsgrund.
Nach Ablauf der Kündigungsfrist besteht ein so genannter vorläufiger Weiterbeschäftigungsanspruch nur bei offensichtlicher Unwirksamkeit der Kündigung bzw. nach Obsiegen in erster Instanz (BAG Beschluss vom 27.02.1985 - GS 1/84 - NZA 1985, 702). Darlegungen zur offensichtlichen Unwirksamkeit der Kündigung sind nicht erfolgt, zudem besteht für eine Regelung ab dem 01. August 2013 kein Eilbedürfnis.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem Verhältnis von Obsiegen und Verlieren in dem Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz, § 92 Abs. 1 ZPO.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 72 Abs. 4 ArbGG).
Hinweis: Der Berichtigungsbeschluss ist in den Entscheidungstext eingearbeitet:
In dem am 20. März 2013 verkündeten Urteil wird eine Auslassung in den Entscheidungsgründen von Amts wegen berichtigt gem. § 319 ZPO.
Der vollständige Satz, beginnend auf Seite 12 des Urteils, unten, und auf Seite 13 des Urteils endend, lautet (Ergänzung unterstrichen):
"Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich nur eingeschränkt auf Zwänge von Organisationsentscheidungen berufen kann, deren Zeitpunkt und Art und Weise der Umsetzung sie selbst bestimmen konnte."
Die Auslassung, die dazu führt, dass der letzte Satz auf Seite 12 des Urteils offensichtlich unvollständig ist, ist unbeabsichtigt erfolgt und beruht wahrscheinlich auf ein Versehen beim Textumbruch.
Den Parteien ist rechtliches Gehör gewährt worden.
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.