LAG Düsseldorf Urteil vom 12.11.2008 - 12 Sa 1102/08
Entscheidungsstichwort (Thema)
Diskriminierung von Männern durch einen frauenfördernden Hinweis in der Stellenausschreibung?
Leitsatz (amtlich)
Weist der öffentliche Arbeitgeber in einer ansonsten geschlechtsneutral gehaltenen Ausschreibung darauf hin, dass „ein besonderes Interesse an Bewerbungen von Frauen bestehe”, werden hierdurch männliche Stellenbewerber nicht i.S.d. AGG unzulässig benachteiligt, wenn in der für die Stelle maßgeblichen Vergleichsgruppe Frauen unterrepräsentiert sind.
Tenor
Unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.06.2008 teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
A. Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz bzw. auf Entschädigung wegen Benachteiligung auf Grund seines Geschlechts bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses.
Die Beklagte entwickelte im Jahr 2007 ein „Sport- und Bewegungsmodell”, das – mit dem Ziel der Bewegungs-, Sport- und Talentförderung – die Erkennung und Förderung sowohl motorisch leistungsschwacher als auch sport- und bewegungsbegabter Kinder vorsieht. Dazu werden alle Zweitklässler der Grundschulen im Rahmen des Sportunterrichtes getestet und ihnen – nach einer individuellen Auswertung der Testergebnisse – speziell auf ihre jeweiligen Stärken oder Schwächen zugeschnittene Empfehlungen für verschiedene Sport- und Bewegungsangebote gegeben.
Für das Modellprojekt suchte die Beklagte mit einer im Juli 2007 in der Tageszeitung, bei der Arbeitsagentur und im Internet veröffentlichten Ausschreibung „eine/n Diplom-Sportlehrer/in” in einer auf 2 Jahren befristeten, nach Entgeltgruppe 10 TVöD vergüteten Teilzeittätigkeit. In dem Ausschreibungstext werden Aufgabenschwerpunkte, Tätigkeitsanforderungen und erwünschte Berufserfahrungen genannt. Weiterhin enthält der Text den Passus: „Es besteht ein besonderes Interesse an Bewerbungen von Frauen und von Schwerbehinderten”.
In der Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes waren Ende Juli 2007 bei der Beklagten insgesamt 253 männliche Mitarbeiter und 241 weibliche Mitarbeiterinnen, in der Entgeltgruppe 10 TVöD (= A 11 BBG) 62 männliche Mitarbeiter und 54 weibliche Mitarbeiterinnen beschäftigt. Im Sportamt waren jeweils 2 Männer und 2 Frauen im gehobenen Dienst tätig. Im Schuldienst sind, beim Land Nordrhein-Westfalen beschäftigt, die männlichen Mitarbeiter gegenüber den weiblichen Mitarbeiterinnen deutlich unterrepräsentiert.
Der am 07.10.1969 geborene Kläger, der im Jahr 1997 das zweite Staatsexamen für Sportlehrer an Schulen der Sekundarstufe I/II abgelegt hatte und zuletzt vorwiegend im Bereich der Fortbildung von Fitness- und Sporttrainern sowie als Personal Trainer tätig war bzw. ist, hatte, wie auch einige andere Bewerber, bereits im Vorfeld von deren möglichen Einrichtung der Stelle erfahren und sich wiederholt telefonisch bei dem im Sportamt beschäftigten Zeugen M. nach der Ausschreibung erkundigt.
Der Kläger behauptet, dass bei einem dieser Anrufe der Zeuge M. sinngemäß geäußert habe, dass ihm, M., für die zu besetzende Stelle „eine Frau lieber sei”. Die Beklagte bestreitet dies.
Die Beklagte leitete mit Schreiben vom 20.07.2007 den Ausschreibungstext dem Kläger unmittelbar zu. Unter dem 02.08.2007 bewarb sich der Kläger auf die Stelle. Insgesamt gingen auf die Ausschreibung die Bewerbungen von 31 Männern und 38 Frauen mit der erforderlichen Qualifikation (Studium) ein. Aus den 69 Bewerbern wurden 6 zum Vorstellungsgespräch geladen, nämlich 2 Männer, darunter der Kläger, und 4 Frauen. Die Durchführung der Vorstellungsgespräche und der Auswahl des einzustellenden Bewerbers erfolgte durch die Personalauswahlkommission der Beklagten am 20.09.2007. Der Personalauswahlkommission gehörten der zuständige Fachdezernt (Beigeordnete), der Zeuge P. als Sachgebietsleiter im Personalamt, der für die Sachbearbeitung im Sportamt zuständige Zeuge M., ein Mitglied des Personalrats sowie eine Mitarbeiterin der Gleichstellungsbeauftragten an. In den einzelnen Vorstellungsgesprächen wurden jedem Bewerber die in einem Fragenkatalog (Bl. 112 f.) formulierten Fragen gestellt. Anschließend wurden die Bewertungen ihrer Antworten in einer Liste (114 ff.) erfasst. Danach erzielte der Kläger bei der ersten Frage 5 von 7 Punkten (die später eingestellte Mitbewerberin D. 7 von 7), bei der zweiten Frage 3 von 6 Punkten (die eingestellte Bewerberin 5 von 6). In der Zusammenfassung (Bl. 117) dokumentierte die Personalauswahlkommission ihren Gesamteindruck zum Kläger, der letztlich auf den 3. Rang gesetzt wurde, wie folgt:
„Die Mitglieder der Kommission erachten alle Fragen als perfekt beantwortet, es ist eine große theoretische Erfahrung vorhanden. Er hat bereits als Tester mitgewirkt und ist sehr strukturiert. Hinsichtlich der praxisorientierten Arbeit mit Kindern fehlten konkrete Aussagen.”
Zu der ausgewählten Bewerberin heißt es:
„Die Mitglieder der PAK erachten alle Fragen als sehr gut beantwortet, die Ausführungen für sehr zutreffend. Der Eindruck war sehr gut. Sie wirkt offen, frisch und selbstsicher in ihrer gesamten Darstellung. Sie zeigt stark praxisorientiertes Handeln. Beste Ideen zu den Förderprogrammen.
In dem Protokoll vom 20.09.2007 (Bl. 118) begründete die Personalauswahlkommission ihr einstimmiges Votum für die Bewerberin wie folgt:
„Diese hat sowohl die Fragen erschöpfend und wohl strukturiert beantwortet. Sie stellt ihre Berufserfahrung und insbesondere die praxisorientierte Erfahrung in der Arbeit mit Kindern überzeugend dar. Nach einhelliger Meinung der PAK-Mitglieder bringt sie die besten Voraussetzungen für einen praxisbezogenen und methodischen Zugang zu Eltern und Kindern mit.”
Frau D. ist zum 01.11.2007 als Sportlehrerin für das Projekt „Sport- und Bewegungsmodell” eingestellt worden. Sie ist die einzige in der Funktion des/der Sportlehrers/Sportlehrerin beschäftigte Mitarbeiterin bei der Beklagten.
Mit Schreiben vom 23.10.2007 (Bl.16) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich die Personalauswahlkommission für einen anderen Bewerber entschieden habe.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.12.2007 (Bl. 18 f.) an die Beklagte machte der Kläger geltend, dass angesichts des Ausschreibungstextes und Äußerungen in Gesprächen einerseits und seiner Qualifikation andererseits eine nicht gerechtfertigte Bevorzugung von Frauen vorliege und seine Benachteiligung zu vermuten sei.
„Bei nachteiligungsfreier Auswahl hätte eine Einstellung erfolgen müssen. …
Als Rechtsfolge des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 AGG sind Sie meiner Mandantschaft zum Schadensersatz verpflichtet, § 15 AGG. Die Höhe des Schadens ist nicht begrenzt. Dies bedeutet in dem hier zu Rede stehenden Fall, dass Herr T. während der Dauer des auf 2 Jahre befristeten Arbeitsverhältnisses so zu stellen ist, wie er bei Aufnahme der Stelle stehen würde. Da die Stelle mit einem Entgelt gemäß Gruppe E 10 TVöD ausgeschrieben ist, ergibt sich gemäß der als Anlage beigefügten Berechnung ein Jahresbruttogehalt in Höhe von 19.169,28 EUR. Für die zweijährige Dauer der Beschäftigung ergibt sich mithin ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 38.338,56 EUR, der hiermit ausdrücklich geltend gemacht wird.”
Mit der im Februar 2008 vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von EUR 38.338,56 (24 Monatsgehälter) in Anspruch genommen. Mit Schriftsatz vom 18.03.2008 hat er sein Zahlungsbegehren in Höhe von EUR 4.792,32 (3 Monatsgehälter) hilfsweise auf § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG gestützt.
Er hat vorgetragen, dass aufgrund des Passus in der Ausschreibung „Es besteht ein besonderes Interesse an Bewerbungen von Frauen und von Schwerbehinderten” und der Äußerung des Zeugen M., dass ihm eine Frau lieber sei, seine Benachteiligung wegen des Geschlechts zu vermuten sei. Angesichts seiner Qualifikation, Fortbildung, erworbenen Lizenzen und Berufserfahrung hätte bei einer benachteiligungsfreien Auswahl die Einstellungsentscheidung zu seinen Gunsten getroffen werden müssen.
Die Beklagte hat eine Benachteiligung des Klägers auf Grund seines Geschlechts in Abrede gestellt und den Ausschreibungstext unter Hinweis auf § 8 Abs. 4 Satz 2 LGG NRW und die vorhandene Unterrepräsentanz der Frauen verteidigt. Die Personalauswahlkommission habe Frau D. als bestgeeignete Bewerberin angesehen. Der Kläger habe zwar mit seinem theoretischen Wissen nicht weniger überzeugt. Frau D. habe jedoch ihre praxisorientierte Erfahrung bei der Arbeit mit Kindern darzustellen vermocht und daher – nach Einschätzung der Personalauswahlkommission – die besten Voraussetzungen für einen praxisbezogenen und methodischen Zugang zu Kindern und Eltern aufgewiesen. Insoweit habe der Kläger nicht überzeugt. Die Personalauswahlkommission habe auch im Hinblick auf den beruflichen Werdegang des Klägers und aus seiner Persönlichkeit den Eindruck gewonnen, dass ihm die erforderliche Beziehung zu Kindern im Grundschulalter fehle.
Der Kläger ist der Bewertung, die die Personalauswahlkommission zu seinen Lasten vornahm, entgegen getreten.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 38.338,56 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 10.06.2008 der Klage in Höhe von EUR 2.396,16 stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die Beklagte das Urteil, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an. Sie beantragt die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung. Er greift ebenfalls das Urteil an, soweit es den Anspruch auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG aberkannt und als Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG lediglich 1 ½ Monatsgehälter statt 3 Monatsgehälter zuerkannt hat.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen Bezug genommen.
Die Kammer hat in der Verhandlung am 12.11.2008 den Kläger angehört und durch Vernehmung der Zeugen N. und Q. Beweis erhoben. Hierzu wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12.11.2008 hingewiesen.