FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 09.09.2020 - 2 K 1486/17
Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuerrechtliche Behandlung der Berufshaftpflichtversicherung einer Rechtsanwalts-GbR
Leitsatz (amtlich)
Die Zahlung der Beiträge zur eigenen Berufshaftpflichtversicherung des Arbeitgebers (Rechtsanwalts-GbR) für seine "Tätigkeit als Rechtsanwalt", bei der sich der Versicherungsschutz auf die in der Anlage zum Versicherungsschein namentlich aufgeführten angestellten Rechtsanwälte erstreckt, ist für seine angestellten Rechtsanwälte Arbeitslohn. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber einen die Mindestversicherungssumme übersteigenden Versicherungsschutz wählt (gegen FG Thüringen, Urteil vom 08.11.2017 - 3 K 337/17, EFG 2018, 954, Revision VI R 12/18).
Eine Gleichbehandlung mit der eigenen Berufshaftpflichtversicherung einer Rechtsanwalts-GmbH ist nicht geboten.
Tatbestand
Strittig ist, ob die Beitragszahlungen einer Partnerschaftsgesellschaft für angestellte Rechtsanwälte zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung als Arbeitslohn zu behandeln sind.
Die Klägerin, eine Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung, wurde bis Januar 2014 in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft geführt.
Nach den Feststellungen einer im Jahr 2014 durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung hatte die Klägerin als Versicherungsnehmerin im Anmeldungszeitraum 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2013 eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Ausweislich des Versicherungsscheins wurde neben den in der Anlage 1 genannten mitversicherten Gesellschaften die "gesetzliche Haftpflicht" der in der Anlage 2 aufgelisteten 38 Rechtsanwälte/Rechtsanwältinnen bis zu einer Versicherungssumme in Höhe von 10.000.000 € versichert. Laut Versicherungsschein entfielen davon 250.000 € 4-fach maximiert je Rechtsanwalt und weitere 750.000 € 1-fach maximiert je Rechtsanwalt, weitere 4.000.000 € 1-fach maximiert für die Sozietät und weitere 5.000.000 € 2-fach maximiert für die Sozietät. Der Umfang der Versicherung richtete sich nach den Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen sowie Risikobeschreibungen zur Vermögens-Haftpflichtversicherung für Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte und Patentanwälte sowie nach den Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden. Die Höhe der Versicherungsprämie war an die Funktion der Tätigkeit der von der Klägerin beschäftigten Rechtsanwälte ausgerichtet. Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für die angestellten Rechtsanwälte wurde nach Einlassung der Klägerin von ihr getragen. Lohnsteuer führte sie hierfür nicht ab.
Die Übernahme in Höhe derjenigen Prämienbeiträge, die auf die angestellten Rechtsanwälte/Rechtsanwältinnen für deren Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung im Anmeldezeitraum 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2013 entfielen, wertete die Lohnsteuer-Außenprüfung in ihrem Prüfungsbericht vom 21. November 2014 - auch über die Mindestversicherungssumme von 250.000 € hinaus - in vollem Umfang als lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn. Der Beklagte machte sich die Ansicht der Lohnsteuer-Außenprüfung zu Eigen. Unter dem Datum vom 18. Dezember 2014 erließ er gegen die Klägerin einen Haftungsbescheid über Lohnsteuer sowie sonstige Lohnsteuerabzugsbeträge für den Streitzeitraum Januar 2010 bis Dezember 2013 über insgesamt 61.932,83 € (= 55.253,00 € Lohn + 3.038,77 € Solidaritätszuschlag + 1.229,24 € ev. Kirchensteuer + 2.411,82 € rk. Kirchensteuer) ohne Leistungsgebot verbunden mit folgendem Bemerken:
"… Ein Leistungsgebot (Zahlungsaufforderung) ergeht derzeit nicht, weil für den oben angegebenen Gesamtbetrag vorrangig die Arbeitnehmer in Anspruch genommen werden. Der Erlass eines Leistungsgebots bleibt für den Fall vorbehalten, dass die Steuererhebung bei den Arbeitnehmern nicht möglich ist. Es wird darauf hingewiesen, dass das Leistungsgebot nicht mehr mit Einwendungen angegriffen werden kann, die sich gegen den Haftungsbescheid richten. Gleiche oder ähnliche Berechnungsfehler sind bei einer größeren Zahl von Arbeitnehmern gemacht worden. …"
Gegen den so ergangenen Haftungsbescheid erhob die Klägerin am 2. Januar 2015 Einspruch. Im Kern wandte sie ein, dass zwar jeder angestellte Rechtsanwalt verpflichtet sei, eine Haftpflicht zu unterhalten. Dies gelte aber nur im Rahmen einer Mindestdeckungssumme von 250.000 €. Die höhere eigene Berufshaftpflichtversicherung einer Partnerschaftsgesellschaft diene überwiegend eigenbetrieblichen Interessen, da nach § 8 PartGG nur die Partner als Gesamtschuldner haften würden, weshalb eine persönliche Haftung des angestellten Rechtsanwalts nicht in Betracht komme. Dadurch reduziere sich das Interesse des Arbeitnehmers im Hinblick auf den Abschluss einer Haftpflichtversicherung auf die Mindestversicherungssumme, die benötigt werde, um die Zulassung als Rechtsanwalt zu erlangen. Ein Interesse an einer höheren Versicherungssumme in Höhe der gesetzlichen Mindestversicherungssumme für Partnerschaften von derzeit 10 Mio. € habe demgegenüber der einzelne Partner der Partnerschaftsgesellschaft, da er nach § 8 Abs. 2 PartGG neben der Gesellschaft hafte. Eine Rücksprache mit der Versicherung habe ergeben, dass die Mindestversicherungssumme pro Person im Rahmen des Gesamtpakets des vorliegenden Versicherungsvertrages mit 90 € pro Jahr und Person versicherungs-technisch kalkuliert sei (siehe hierzu das Angebot vom …). Allenfalls dieser Betrag sei als unmittelbare Zuwendung an den Arbeitnehmer zu erfassen.
Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 3. April 2017 im Wesentlichen aus den folgenden Gründen zurück: Im Streitfall handele es sich erst seit Februar 2014 um eine Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung. Im Prüfungszeitraum 2010-2013 habe es sich somit noch um eine Personengesellschaft gehandelt. Hinsichtlich einer Personengesellschaft habe der BFH mit Beschluss vom 6. Mai 2009 (VI B 4/09, BFH/NV 2009, 1431) festgestellt, dass die Übernahme der Haftpflichtversicherungsbeiträge eines bei einer in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen Rechtsanwaltssozietät angestellten Rechtsanwalts auch dann steuerpflichtigen Arbeitslohn darstelle, wenn die in § 51 Abs. 4 BRAO vorgesehene Mindestversicherungssumme bei weitem überstiegen werde. Dies ergebe sich aus § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des BFH zur Abgrenzung zwischen Entlohnung und notwendiger Begleiterscheinung betriebs-funktionaler Zielsetzung. So liege der Streitfall. Dass die Berechnung des geldwerten Vorteils unzutreffend wäre, sei von der Klägerin nicht dargelegt worden und auch nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Klägerin habe die streitige Lohnsteuer nicht einbehalten und abgeführt. Ein Haftungsausschluss sei nicht ersichtlich und auch von der Klägerin nicht vorgetragen worden. Im Übrigen müsse auch nach § 219 Satz 2 AO der Steuerschuldner nicht vor dem Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden. Das Finanzamt sei daher nach pflichtgemäßem Ermessen dem Grunde und der Höhe nach zur Inanspruchnahme der Klägerin durch den angefochtenen Haftungsbescheid berechtigt gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 3. April 2017 verwiesen.
Zur Begründung ihrer mit Fax vom 27. April 2017 erhobenen Klage hat die Klägerin unter Bezugnahme auf ihre im Einspruchsverfahren vorgebrachten Argumente Folgendes ergänzend und vertiefend ausgeführt:
Zwar sei für einen Rechtsanwalt der Nachweis über den Abschluss einer Haftpflichtversicherung zwingend, da eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nur erfolge, wenn ein solcher Versicherungsschutz bestehe und nachgewiesen werde. Diese Verpflichtung beschränke sich allerdings auf die gesetzliche Mindestversicherungssumme von 250.000 €. Der angestellte Rechtsanwalt in einer Partnerschaftsgesellschaft habe kein eigenes persönliches Haftungsrisiko. Er könne von Mandanten nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, da das Vertragsverhältnis (Anwaltsvertrag) allein zwischen der Partnerschaftsgesellschaft und dem Mandanten zustande komme. Demnach hafteten zivilrechtlich die Gesellschaft sowie die für den jeweiligen Fall verantwortlichen Partner persönlich, nicht aber der angestellte Rechtsanwalt, auch wenn er den konkreten Fall bearbeitet habe und deshalb Verursacher des möglichen Regressanspruches sei. Dementsprechend habe der angestellte Rechtsanwalt auch keinen persönlichen Vorteil aus der abgeschlossenen Haftpflichtversicherung und ihrer Höhe, da er hierdurch nicht geschützt werde. Bei ihm verbleibe mithin allenfalls der Vorteil aus der notwendigen Mindestversicherung in Höhe von 250.000 € Versicherungssumme, die nach der BRAO erforderlich sei. Demgegenüber sei die Partnerschaftsgesellschaft aber verpflichtet, aufgrund ihrer Rechtsform eine höhere Versicherungssumme abzudecken. Es gebe mehrere ältere Urteile, die noch zur GbR ergangen seien und Zeiträume betreffen, in denen es Partnerschaftsgesellschaften nicht gegeben habe. In diesen Entscheidungen habe der BFH ausdrücklich auch eine Höherversicherung als geldwerten Vorteil aus dem Arbeitsverhältnis gewertet. Dies sei insoweit nachvollziehbar, als bei einer Anwalts-GbR stets das Risiko bestehe, dass der angestellte Rechtsanwalt als Schein-Sozius anzusehen sei mit der Folge, dass er persönlich in Anspruch genommen werden könne. Dieses Risiko bestehe bei der Klägerin indes aufgrund der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft nicht. Die letzte Entscheidung des BFH zu diesem Thema datiere vom 10. März 2016 (VI R 58/14, BStBl II 2016, 621). Der Sachverhalt der vorgenannten BFH Entscheidung weiche darüberhinausgehend dadurch ab, dass im dortigen Fall für die Angestellten eine Doppelversicherung bestanden habe. Zum einen hätten sie selbst eine eigene Versicherung für die Mindestsumme von 250.000 € abgeschlossen und zum anderen habe die Gesellschaft zusätzlich eine höhere Versicherung abgeschlossen, die auch Vermögensschadens-Haftpflichtansprüche gegen die angestellten Rechtsanwälte umfasst habe. Der BFH habe in der genannten Entscheidung unter anderem ausgeführt, dass Vorteile dann keinen Arbeitslohncharakter besitzen würden, wenn sie im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt würden. Die für die Partnerschaftsgesellschaft notwendige hohe Versicherung mit entsprechend hohen Kosten sei betriebsbedingt und notwendig aufgrund der Entscheidung der Partner, ihre Kanzlei in Form einer Partnerschaftsgesellschaft zu organisieren und zu betreiben. Der angestellte Anwalt habe auf diese Organisationsform keinerlei Einfluss. Die auch bezüglich der Klägerin erfolgte Umwandlung der früheren GbR in eine Partnerschaftsgesellschaft (vor den streitgegenständlichen Zeiträumen) sei ohne Zutun der angestellten Anwälte erfolgt. In der Folge habe die Versicherungssumme auch für die angestellten Anwälte notwendigerweise erhöht werden müssen. Es habe sich mithin um eine Begleiterscheinung der Betriebsführung und der Betriebsorganisation gehandelt und nicht um eine Entlohnung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses.
In der Entscheidung vom 19. November 2015 (VI R 74/14, BStBl II 2016, 303) habe der BFH entschieden, dass der angestellte Rechtsanwalt einer Rechtsanwalts-GmbH keinen geldwerten Vorteil in Form des Versicherungsschutzes erlange. Der Senat werde sich mit der Frage befassen müssen, ob in Bezug auf die Frage der Berufshaftpflichtversicherung die Partnerschaftsgesellschaft eher einer GbR vergleichbar sei oder eher einer Anwalts-GmbH. Hierbei werde zu berücksichtigen sein, dass zum einen die erhöhten Mindestversicherungssummen bei der Partnerschaftsgesellschaft und bei der GmbH vorhanden seien, nicht aber bei der GbR, bei der es bei der gesetzlichen Mindestversicherungssumme jeden Anwalts bleibe. Darüber hinaus könne nicht ohne Bedeutung bleiben, dass sowohl bei der GmbH als auch bei der Partnerschaftsgesellschaft der angestellte Anwalt nicht mit eigenen Regressansprüchen, die gegen ihn persönlich erhoben werden, rechnen müsse. Bei der GbR sei dies, wie dargestellt, grundsätzlich anders. Auch in der BFH-Entscheidung vom 19. November 2015 hätten die angestellten Rechtsanwälte keine eigene zusätzliche Versicherung abgeschlossen (anders in der Entscheidung vom 10. März 1016). Der BFH habe in der Entscheidung vom 19. November 2015 ausgeführt, dass der tatsächlich von der Klägerin erworbene Versicherungsschutz der Deckung eigener Risiken diene, da in erster Linie die Gesellschaft abgesichert werde. Dies sei bei der Partnerschaftsgesellschaft nicht anders. Die Partnerschaftsgesellschaft habe für die angestellten Rechtsanwälte nach § 278 BGB einzustehen. Ohne die entsprechende hohe Absicherung durch eine Haftpflichtversicherung dürfe die Partnerschaftsgesellschaft als solche nicht selbst als Rechtsanwaltsgesellschaft tätig werden. Der BFH habe festgestellt, dass einerseits die Gesellschaft zur Versicherungsabdeckung verpflichtet sei, davon unabhängig aber die persönliche Verpflichtung jedes Anwalts gemäß § 51 Abs. 1 BRAO verbleibe. Wenn dann die Haftpflichtversicherung der Gesellschaft auch die Mindesthaftpflichtabdeckung für die Arbeitnehmer-Anwälte abdecke, bestehe zwar (so der BFH) ein Vorteil der Arbeitnehmer, der aber nur in Höhe der Mindestversicherungssumme als Arbeitslohn behandelt werden könne, nicht aber für Beträge, die diese Summe überschreiten. Ergänzend habe der BFH ausdrücklich auf die oben geschilderte Situation des Briefkopf-Anwalts, der als Scheinsozius in Anspruch genommen werden könnte, verwiesen.
In einer parallelen Entscheidung vom 19. November 2015 (VI R 47/14, BStBl II 2016, 301) habe der BFH auch für angestellte Klinikärzte den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung auch zu Gunsten der Angestellten nicht als Arbeitslohn gewertet, da der Versicherungsschutz allein der Deckung des Haftungsrisikos des Arbeitgebers dienen würde und damit ein eigener Versicherungsschutz des Arbeitgebers vorliege, sodass für den Arbeitnehmer lediglich eine Reflexwirkung eintrete.
Im Rahmen der Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte könne nach den vorliegenden Entscheidungen, insbesondere der Einbeziehung der jüngsten Entscheidung des BFH vom 10. März 2016, allenfalls der Anteil des Betrages, der sich auf die Mindestversicherungssumme des angestellten Anwalts beziehe, als geldwerter Vorteil bewertet werden und somit der Lohnsteuer unterworfen werden, da nur insoweit der Rechtsanwalt seine eigene Haftpflichtversicherung erspare. Hierbei müsse aber berücksichtigt werden, dass diese ihm selbst gar nichts nutze und sie für die Absicherung vollkommen unnötig sei, da es keine denkbare Situation gebe, in der auf diesen Haftpflichtversicherungsschutz zurückgegriffen werden müsse.
Die Klägerin beantragt,
1. den Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2013 vom 18. Dezember 2014 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. April 2017 aufzuheben,
2. hilfsweise,
den Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2013 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. April 2017 dahingehend abzuändern, dass lediglich in Höhe der anteiligen Versicherungsprämien für eine Mindestversicherungssumme in Höhe von 250.000 € Lohnsteuer anfällt,
3. äußerst hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung,
die Klage abzuweisen.