LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 30.06.2020 - 6 Sa 447/19
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Freistellung nach dem MTV Chemie bei Umwandlung einer bestehenden Lebenspartnerschaft in eine Ehe
Leitsatz (redaktionell)
§ 8 Abs. 1 Nr. 1 MTV Chemie, wonach einem Arbeitnehmer bei seiner Eheschließung, der die Eingehung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gleichgestellt ist, ohne Anrechnung auf seinen Urlaub und ohne Verdienstminderung eine Dienstbefreiung von zwei Tagen gewährt wird, ist nicht dahin auszulegen, dass eine erneute Dienstbefreiung zu gewähren ist, wenn die eingetragene Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt wird.
Normenkette
BGB §§ 1310, 1353 Abs. 1, § 616 Abs. 1; LPartG §§ 1, 20a Abs. 1; MTV-Chemie § 8 Abs. 1 Nr. 1; PStG § 14; TVG § 4 Abs. 1; BGB §§ 611, 133, 157
Tenor
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I.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06. November 2019 - 4 Ca 605/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
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II.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf bezahlte Freistellung im Zusammenhang mit der Umwandlung ihrer eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der chemischen Industrie, das am Standort A-Stadt ca. 650 Mitarbeiter beschäftigt. Die Klägerin, ausgebildete Chemieingenieurin FH und Wirtschaftsingenieurin FH, ist seit 01. April 1997 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt seit 01. Juni 2011 kraft schriftlichen Arbeitsvertrages vom 12. Mai 2011 (Bl. 6 ff. d. A., im Folgenden: AV) als Produktionsingenieurin Refining Technologies in A-Stadt. Die Klägerin wird als außertarifliche Angestellte geführt. Gemäß § 8 Abs. 6 AV finden die jeweils gültigen Betriebsvereinbarungen der Beklagten Anwendung, soweit sich deren Anwendung auf außertarifliche Angestellte erstreckt. Die Klägerin ist Mitglied im Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter der chemischen Industrie e. V. (VAA - Führungskräfte Chemie).
Am 27. August 2011 ging die Klägerin eine eingetragene Lebenspartnerschaft nach den damaligen Regelungen des LPartG ein. Aus Anlass der Verpartnerung gewährte die Beklagte der Klägerin am 29. und 30. August 2011 zwei Tage bezahlte Freistellung in Anlehnung an § 8 Abs. 1 Nr. 1 Manteltarifvertrag mit der IG Bergbau, Chemie, Energie vom 24. Juni 1992 idF. vom 16. April 2008 (im Folgenden: MTV Chemie).
Nachdem zum 01. Oktober 2017 die gesetzliche Möglichkeit hierzu eröffnet worden war, wandelten die Klägerin und ihre Lebenspartnerin am 08. Mai 2018 ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe um. Die Klägerin hatte zuvor am 15. März 2018 für den 08. Mai 2018 Urlaub beantragt, den die Beklagte ihr genehmigt hatte. Am 09. Mai 2018 legte die Klägerin der Beklagten die Eheurkunde vor und beantragte erfolglos die nachträgliche Umwandlung des erhaltenen Urlaubstages in eine Freistellung unter Fortzahlung ihrer Vergütung aus Anlass ihrer Eheschließung.
Die Klägerin hat am 02. Mai 2019 beim Arbeitsgericht Mainz Klage erhoben, mit der sie die Gutschrift eines Urlaubstages wegen erfolgter Heirat und hilfsweise die Feststellung begehrt, dass sie wegen ihrer Eheschließung einen Tag Anspruch auf bezahlte Freistellung hat.
Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, ihr Anspruch auf jedenfalls einen Tag Freistellung anlässlich der Umwandlung ihrer Lebenspartnerschaft in eine Ehe ergebe sich aus den tariflichen Vorschriften in § 8 Abs. 1 Nr. 1 MTV Chemie bzw. der von der Beklagten gehandhabten betrieblichen Übung in Verbindung mit dem zur Akte gereichten Mitarbeiterhandbuch "Entgelt plus+" über zusätzliche Angebote und Leistungen für Mitarbeiter / innen der Beklagten in A-Stadt (Bl. 12 ff. d. A.; im Folgenden: Mitarbeiterhandbuch). Zumindest hilfsweise lasse sich ihr Anspruch bereits aus § 616 BGB herleiten. Die Beklagte verkenne - insbesondere vor den Wertungen des AGG -, dass sie Ungleiches ohne rechtliche Legitimation gleichbehandele, was sich bereits aus dem außergerichtlich herangezogenen Beispiel der einer standesamtlichen Trauung mit einer kirchlichen Eheschließung ergebe. Es könne bei Lichte besehen nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass ihr in ergänzender Vertragsauslegung bzw. nach § 616 BGB aus dem Arbeitsvertrag, betrieblicher Übung bzw. dem Betriebshandbuch "Entgelt-Plus+" der Tag Sonderurlaub zustehe. Es liege unstreitig eine Anspruchskonkurrenz vor. Es sei nicht ersichtlich, warum keine nach dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz von der Beklagten an den Tag gelegte betriebliche Übung der Anwendung von § 8 Abs. 1 Nr. 1 MTV Chemie vorliegen solle, zumal die Beklagte die Tarifverträge nach ihrem eigenen Vortrag einheitlich anwende. Die Beklagte sei nicht zuletzt aufgrund von Art. 3 GG verpflichtet, ihr den Sonderurlaub bzw. eine bezahlte Freistellung zu gewähren. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt ernstlich in Frage gestellt, dass die - für die Klägerin erstmalige - Eingehung der Ehe Anspruch auf zwei Tage Sonderurlaub vermittele. Daran ändere auch § 20a LPartG nichts, da das LPartG lediglich den Fall regele, dass zuvor schon eine Lebenspartnerschaft bestanden habe.
Die Klägerin hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, dem Urlaubskonto der Klägerin (Personalnummer: 00000) einen Tag Urlaub wegen erfolgter Heirat gutzuschreiben.
- hilfsweise, festzustellen, dass die Klägerin wegen ihrer Eheschließung einen Tag Anspruch auf bezahlte Freistellung hat.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage wird abgewiesen.
Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, es fehle der Klage an einer Anspruchsgrundlage. Die Klägerin, deren Mitgliedschaft im VVA rein vorsorglich mit Nichtwissen bestritten werde, behaupte nicht, Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) zu sein. Aus § 8 Abs. 1 Nr. 1 MTV Chemie könne die Klägerin keinen tariflichen Anspruch herleiten, da die Klägerin nicht darlege, Mitglied der tarifschließenden IG BCE zu sein. Soweit die Klägerin ihren Anspruch aus dem Handbuch "Entgelt plus+" herleiten wolle, begründe das Handbuch selbst keinerlei Ansprüche, sondern informiere die Beschäftigten lediglich über unterschiedlichste soziale Leistungen der Beklagten aus Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen oder auf freiwilliger Grundlage, was ausdrücklich benannt werde. Eine Betriebsvereinbarung zu Freistellungsansprüchen wie von der Klägerin geltend gemacht existiere nicht, auch der Arbeitsvertrag enthalte keine Bezugnahmeklausel. Hinsichtlich der von der Klägerin beanspruchten betrieblichen Übung möge es zutreffen, dass die Beklagte Beschäftigten, die eine Ehe oder eine Lebenspartnerschaft eingingen, entsprechende Freizeit gewähre. Dass auch eine Übung existiere, Beschäftigten, die bereits Freizeittage aus Anlass ihrer Verpartnerung nach dem LPartG erhalten hätten, darüber hinaus weitere Freizeittage bei der Umwandlung dieser Lebenspartnerschaft in eine Ehe zu gewähren, habe die Klägerin bislang nicht dargelegt und entspreche nicht den Tatsachen. Ein Anspruch ergebe sich schließlich auch nicht aus § 616 BGB. Mit dem LPartG seien Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft rechtlich bereits weitgehend gleichgestellt gewesen. Die Unterschiede im Adoptionsrecht und der Behandlung der Lebenspartnerschaft als eigene Institution seien durch das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20. Juli 2017 aufgehoben worden. Davon abgesehen hätten bereits zuvor keine Rechtsunterschiede mehr bestanden. Auch die Tarifvertragsparteien hätten im Jahr 2005 durch Einführung der Fußnote 7a zu § 8 Abs. 1 Nr. 1 MTV Chemie eingetragene Lebenspartnerschaften der Ehe im Hinblick auf den Freistellungskatalog gleichgestellt. Auch wenn die Klägerin sich formal auf die Rechtsprechung zu § 616 BGB und den Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 1 MTV Chemie beziehen könne, handele es weder um eine (Neu-) Schließung einer Ehe mit einer anderen Person als derjenigen, mit der bereits schon einmal eine Ehe bestanden habe, noch um eine Wiederverheiratung mit derselben Person nach vorheriger Scheidung, sondern nach § 20a LPartG ausdrücklich um eine Umwandlung, gewissermaßen um eine institutionelle Verwandlung. Allein das Verständnis der Neubegründung einer rechtlich privilegierten Partnerschaft liege auch § 8 Abs. 1 Nr. 1 MTV Chemie zugrunde. Eine andere Sichtweise würde homosexuelle Paare gegenüber heterosexuellen besserstellen, denn letztere könnten aus Anlass der Erneuerung ihres Ehegelübdes keinen Anspruch auf weitere Freistellung geltend machen. Entscheidend spreche gegen einen Anspruch aus § 616 BGB allerdings, dass die Klägerin am 08. Mai 2018 nach der Urlaubsgewährung überhaupt keine Verpflichtung mehr zur Dienstleistung gehabt habe. § 616 BGB löst iVm. § 275 Abs. 3 BGB die Konfliktsituation zwischen arbeitsvertraglicher Dienstleistungsverpflichtung und der rechtlichen Verpflichtung nach § 20a LPartG zur Eingehung der Ehe persönlich vor dem Standesbeamten zu erscheinen. eine solche Konfliktsituation habe vorliegend nicht mehr bestanden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 06. November 2019 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der zulässige Hauptantrag sei unschlüssig. Freistellungsansprüche wie der in § 8 MTV Chemie seien schon immer dahingehend ausgelegt worden, dass sie nur einmal in Anspruch genommen werden könnten, auch wenn standesamtliche und kirchliche Eheschließung an verschiedenen Tagen stattfänden. Die Umwandlung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe im Sinne von § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB könne dann ebenso wenig einen erneuten Freistellungsanspruch auslösen, wie die Veredelung einer bereits geschlossenen Zivilehe durch das Sakrament der kirchlichen Hochzeit. Da die Klägerin damit keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung für den Tag, an dem sie bereits Erholungsurlaub genommen habe, habe, so komme eine "Gutschrift" auf dem Urlaubskonto nicht in Betracht. Dem Hilfsantrag fehle es schon an einem Feststellungsinteresse, da der begehrte Ausspruch keine rechtlichen Auswirkungen habe, wenn die Klageabweisung bezüglich des Antrag zu 1) rechtskräftig würde. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 101 f. d. A. verwiesen.
Die Klägerin hat gegen das am 26. November 2019 zugestellte Urteil mit am 10. Dezember 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz von 03. Dezember 2019 Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 26. Februar 2020, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, begründet.
Die Klägerin trägt zweitinstanzlich nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 26. Februar 2020 (Bl. 117 ff. d. A.), ihres Schriftsatzes vom 23. April 2020 (Bl. 179 ff. d. A.) und ihres Schriftsatzes vom 17. Juni 2020 (Bl. 192 d. A.), hinsichtlich deren weiterer Einzelheiten ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, unter Verweisung auf ihr erstinstanzliches Vorbringen vor, der von der Kammer willkürlich gewählte und "hinkende" Vergleich der Umwandlung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe mit der "Veredelung" einer bereits geschlossenen Zivilehe durch das Sakrament einer kirchlichen Hochzeit liege argumentativ neben der Sache, zeige aber, dass die Argumente der Klägerin außen vor geblieben seien. Bereits im Kammertermin sei darauf hingewiesen worden, dass die Rechtslage im Hinblick auf eine Zivilehe und eine kirchliche Ehe seit Jahrzehnten unverändert geblieben sei, wohingegen sich die Rechtslage für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften erst ab der am 01. Oktober 2017 geltenden Änderung, wonach diese erstmalig eine Ehe wie heterosexuelle Paar eingehen können, eben wesentlich geändert habe. Die eingegangene Lebenspartnerschaft sei ein anderes Rechtsinstitut als die nunmehr von der Klägerin erstmalig eingegangene Ehe. Wenn das Urteil erster Instanz sich gerade auf einer dreiviertel Seite mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandersetze, mache dies hinreichend deutlich, dass dies dem Streitgegenstand in diesem Verfahren nicht im Ansatz gerecht werde. In der Sache selbst habe das Gericht sich auch nicht mit § 616 BGB auseinandergesetzt, so dass das Urteil bereits insoweit angreifbar und wegen Rechtsmängeln und fehlender Begründung aufzuheben sei. Auch der Vortrag der Beklagten in erster Instanz könne daran nichts ändern. Dass diese sich auf eine angeblich fehlende, tarifliche Anspruchsgrundlage berufe, scheitere spätestens an § 616 BGB bzw. der betrieblichen Übung in Verbindung mit dem quasi als Betriebsvereinbarung zu wertenden Betriebshandbuch. Dass bereits Urlaub für den 08. Mai 2018 gewährt worden sei, stehe nicht entgegen, da jeder arbeitsunfähige Arbeitnehmer sich nachträglich Erholungsurlaubstage gut schreiben lassen könne. Es möge sei, dass derartige Freistellungsansprüche, soweit sie sich auf eine normale Ehe beziehen, diesbezüglich dahingehend ausgelegt werden, dass bei einer "Doppelheirat" im Sinne einer standesamtlichen und einer kirchlichen dieser Urlaub nicht zwei Mal beantragt und gewährt werden könne. Vorliegend handele es sich jedoch um einen erstmaligen Antrag der Klägerin für die erstmalige Eingehung der Ehe mit ihrer Ehepartnerin einen Tag Sonderurlaub zu gewähren. Die Klägerin habe nicht mehrfach Urlaub im Sinne einer standesamtlichen oder gar kirchlichen Hochzeit erhalten wollen. Es gehe auch nicht um eine Besserstellung homosexueller Paare gegenüber heterosexuellen ohne Grund, sondern diese würden durch die neue gesetzliche Möglichkeit endlich gleichgestellt. Das Arbeitsgericht setze sich nicht im Ansatz mit den Argumenten der Klägerin auseinander. Die Konzernbetriebsvereinbarung K19BV03 zeige hinreichend deutlich, dass bei zunächst beantragtem Erholungsurlaub dieser bei begründetem Anlass nachträglich in eine Freistellung umgewandelt werden könne; zum Zeitpunkt der Eheschließung der Klägerin sei dies betrieblich noch so gehandhabt worden (ZV E.). Die Beklagte nenne keinen Grund, warum der Anspruch aus der KBV nicht auch für die Klägerin gelten solle.
Die Klägerin beantragt zuletzt - nach teilweiser Rücknahme der Berufung im Hinblick auf den erstinstanzlich verfolgten Hilfsantrag -,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - 4 Ca 605/19 - vom 06. November 2019 die Beklagte zu verurteilen, dem Urlaubskonto der Klägerin (Personalnummer: 00000) einen Tag Urlaub wegen erfolgter Heirat gutzuschreiben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das von der Klägerin angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 26. März 2020 (Bl. 128 ff. d. A.) und ihres Schriftsatzes vom 20. Mai 2020 (Bl. 187 ff. d. A.), hinsichtlich deren weiterer Einzelheiten ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, zweitinstanzlich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags wie folgt, das Arbeitsgericht habe die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin habe durch den für den 08. Mai 2018 gewährten Urlaubstag ihren Urlaubsanspruch für diesen Tag "verbraucht". Auch als Schadensersatzanspruch könne sie den Urlaubstag nicht beanspruchen, da keine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten ersichtlich sei. Ein tariflicher Anspruch nach § 8 MTV Chemie bestehe mangels Tarifbindung der Klägerin an den MTV Chemie nicht. Dem Geltungsbereich des MTV-Akad unterfalle die Klägerin nicht; dieser gebe eine Freistellungsregelung auch nicht her. Das Handbuch "Entgelt Plus+" sei lediglich ein veröffentlichtes Informationspapier, vermöge jedoch keine Betriebliche Übung herzuleiten und stelle auch keine Betriebsvereinbarung dar. Der Arbeitsvertrag regele den geltend gemachten Freistellungsanspruch nicht. Auch wenn sie in der Vergangenheit außertariflichen Beschäftigten, die eine Ehe eingehen oder nach früherem Recht eine Lebenspartnerschaft eingegangen seien, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht entsprechende Freizeit gewährt habe, habe die Klägerin nicht dargelegt, dass auch eine Übung existiert habe, Beschäftigten, die bereits zwei Freizeittage aus Anlass ihrer Verpartnerung erhalten hätten, darüber hinaus weitere Tage bei der Umwandlung dieser Lebenspartnerschaft in eine Ehe zu gewähren. Die Klägerin könne den Anspruch auch nicht damit begründen, sie habe am 08. Mai 2018 "erstmalig die Ehe geschlossen". Insoweit übersehe die Klägerseite, dass der Gesetzgeber sehr wohl die Eheschließung von zwei bislang nicht (oder nur vorübergehend nicht) verheirateten Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts in § 1353 BGB und die Umwandlung nach § 20a LPartG unterscheide, welche gewissermaßen eine institutionelle Verwandlung der bislang bestehenden Rechtsbeziehung beinhalte. Nur die Neubegründung einer rechtlich privilegierenden Partnerschaft, sei es die Ehe oder die bis 2017 mögliche eingetragene Lebenspartnerschaft, sei als "Eheschließung" nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 MTV Chemie zu verstehen. In der Tarifregelung liege auch keine Diskriminierung homosexueller Menschen aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität, da bereits vor Inkrafttreten des neuen § 1353 BGB die Lebenspartnerschaft mit der Ehe gleichbehandelt worden seien, was die Fußnote zur tariflichen Regelung zeige. Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 616 BGB, da der Klägerin schon aus Anlass ihrer Verpartnerung im August 2011 eine entsprechende Freistellung gewährt worden sei. Zum anderen, weil angesichts des Urlaubstages der Klägerin für den 08. Mai 2018 keine nach § 616 iVm. § 275 Abs. 3 BGB aufzulösende Konfliktsituation eingetreten sei. Die von der Klägerin vorgelegte K19BV03 vom 10. April 2019 habe erst ab dem 01. April 2019 und damit nach dem 08. Mai 2018 Geltung gehabt. Im Übrigen sei in der KBV lediglich geregelt, wie das Wort "bei" in § 8 Abs. 1 Nr. 1 MTV Chemie verstanden werden sollte (konkret: 14 Tage vor oder nach der Hochzeit), nicht jedoch, dass eine Umwandlung bereits beantragten und gewährten Urlaubs stattfinden könne.
Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.