Dienstfreie Zeit an Bord ist trotz Alkoholverbot kein Bereitschaftsdienst

Wer Kapitän an Bord ist, trägt die Verantwortung für die komplette Besatzung und das Schiff. Das bedeutet, dass er im Notfall in der Lage sein muss, das Kommando zu übernehmen. Alkohol oder Drogen sollte er daher auch während seiner dienstfreien Zeit nicht konsumieren, solange er sich an Bord befindet. Ist er damit in permanenter Bereitschaft?
Das Arbeitsgericht Hamburg hatte zu klären, ob sich es sich bei den Zeiten, in denen ein Besatzungsmitglied dienstfrei hat, aber keinen Alkohol trinken darf, um bei einem möglichen Notfall einsatzbereit sein zu können, um Bereitschaftsdienst handelt.
Der Fall: Kapitän verlangt Vergütung für angeblichen Bereitschaftsdienst
Der Arbeitnehmer ist seit 2007 als Kapitän bei einer Reederei beschäftigt. Seine Wochenarbeitszeit beträgt ausweislich des letzten Heuervertrages 40 Stunden. An Bord der Schiffe des Arbeitgebers gilt eine Null-Toleranz-Politik bezüglich Alkohols oder Drogen: Beides darf laut Unternehmensrichtlinie während der Arbeitszeit nicht konsumiert werden. Darüber hinaus ist ein solcher Konsum auch während der dienstfreien Zeit an Bord untersagt. Der Grund: In Notfällen soll sichergestellt sein, dass alle erteilten Anweisungen eingehalten werden und alle Seeleute in der Lage sind, ihre Aufgaben wiederaufzunehmen, um für die sofortige Sicherheit des Schiffes zu sorgen.
Dies teilte der Arbeitgeber dem Kapitän nochmals auf eine Nachfrage wegen des Alkoholverbots mit. Daraufhin klagte der Kapitän vor Gericht und verlangte vom Arbeitgeber dienstfreien Zeiten, in denen er keinen Alkohol trinken dürfe, sondern jederzeit bereit sein müsse, das Kommando auf der Brücke im Notfall zu übernehmen, als Bereitschaftszeiten zu vergüten. Der Arbeitgeber weigerte sich.
ArbG Hamburg: Dienstfreie Zeit an Bord ist kein Bereitschaftsdienst
Das Arbeitsgericht Hamburg entschied, dass der Kapitän keinen Anspruch auf Vergütung von Bereitschaftsdiensten hat. Es sei nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber über die Normalarbeitszeit des Arbeitnehmers von 40 Wochenstunden hinaus Bereitschaftsdienst ausdrücklich oder konkludent angeordnet habe.
Insbesondere die erklärende E-Mail zur Null-Toleranz-Politik, die der Arbeitnehmer auf seine Nachfrage erhalten habe, sei nicht als Weisung hinsichtlich eines Bereitschaftsdienstes zu verstehen. Das Gericht machte deutlich, dass die Sicherstellung der Einsatzbereitschaft eines Besatzungsmitglieds nur dann zum Vorliegen von Bereitschaftsdienst führt, wenn das Besatzungsmitglied außerhalb seiner Arbeitszeit jederzeit mit der Aufnahme der Tätigkeit rechnen muss. Dies sei jedoch nicht der Fall, wenn nur verlangt werde, in Notfällen einsatzbereit zu sein.
Besatzung muss sich für Notfälle bereithalten
Notfälle wie ein Brand, eine Explosion, ein Sturm, Angriffe oder Mann-über-Bord-Szenarien, bei denen Gefahr für das Leben der Besatzung oder ein unverhältnismäßiger Schaden für das Schiff drohten, seien äußerst selten. Dementsprechend müssten weder die Besatzungsmitglieder noch der Kapitän außerhalb ihrer Dienstzeit fortwährend damit rechnen, zur Arbeit herangezogen zu werden.
Das Arbeitsgericht Hamburg stellte in seinem Urteil klar, dass ein Kapitän die Verantwortung für die Sicherheit der Besatzung und des Schiffes trägt und im Falle eines Notfalls in der Lage sein muss, dass Kommando des Schiffes zu übernehmen und entsprechende Rettungshandlungen einzuleiten. Dies bedeute aber nicht, dass er jederzeit damit rechnen müsse, zur Arbeit herangezogen zu werden, wie es während Bereitschaftsdienstzeiten der Fall ist, sondern nur in absoluten Ausnahmefällen.
Hinweis: ArbG Hamburg, Urteil v. 11.4.2025, See 1 Ca 180/23