LAG Köln Urteil vom 22.04.2010 - 7 Sa 1260/09
Entscheidungsstichwort (Thema)
Incentive-Zahlung. Arbeitsordnung. Verweisungskette. Verfallfristen. Fülligkeit
Leitsatz (amtlich)
Es stellt keine widersprüchliche, unklare oder aus anderen Gründen intransparente Regelung dar, wenn der Arbeitsvertrag eines sog. AT-Angestellten auf die Arbeitsordnung des Arbeitgebers verweist und diese den Verfall beiderseitiger Ansprüche bestimmt, wenn diese nicht innerhalb der tariflich dafür vorgesehenen Fristen geltend gemacht worden sind.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.09.2009 in Sachen 10 Ca 10828/08 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger noch aus dem zum 31.12.2004 beendeten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ein Anspruch auf eine Incentive-Zahlung für das Kalenderjahr 2004 zusteht.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 10. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 03.09.2009 Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 06.10.2009 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 05.11.2009 Berufung einlegen und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 14.12.2009 am 14.12.2009 begründen lassen.
Der Kläger stellt verschiedene rechtliche Überlegungen an, warum seiner Ansicht nach seine Forderung auf eine Incentive-Zahlung für das Kalenderjahr 2004 entgegen Nr. 13 Abs. 1 seines Arbeitsvertrages in Verbindung mit Abschnitt 1.13 der für die Beklagte geltenden Arbeitsordnung und § 19 Ziffer 2 des Manteltarifvertrages für die Metallindustrie NRW nicht verfallen sein soll.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,
- die Berufungsbeklagte unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 03.09.2009, 10 Ca 10.828/08, zu verurteilen, an den Berufungskläger 12.272,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2005 zu zahlen;
- hilfsweise: die Berufungsbeklagte unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 03.09.2009, 10 Ca 10828/08, zu verurteilen, die an den Berufungskläger zu leistende Incentive-Zahlung für das Geschäftsjahr 2004 festzusetzen und den aus der Festsetzung sich ergebenden Betrag nebst 4 % Zinsen seit dem 01.05.2005 zu zahlen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beruft sich in Übereinstimmung mit dem Urteil des Arbeitsgerichts darauf, dass ein Anspruch des Klägers auf eine Incentive-Zahlung für das Jahr 2004 verfallen sei, weil der Kläger sie erst geraume Zeit nach Ablauf der in § 19 Ziffer 2 MTV Metall NRW geregelten tariflichen Ausschlussfrist, nämlich im Laufe des Jahres 2008, erstmals geltend gemacht hat.
Auf die Einzelheiten der Berufungsbegründungsschrift, der Berufungserwiderungsschrift und des weiteren Schriftsatzes des Klägers vom 15.04.2010 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.09.2009 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.
I. Die Berufung des Klägers musste jedoch erfolglos bleiben. Die 10. Kammer des Arbeitsgerichts Köln hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden und ihre Entscheidung auch umfassend und überzeugend begründet.
1. Ein Anspruch des Klägers auf eine Incentive-Zahlung für das Jahr 2004 ist wegen einer um mehrere Jahre verspäteten Geltendmachung verfallen. Dies ergibt sich aus Nr. 13 Abs. 1 des Anstellungsvertrages des Klägers in Verbindung mit Abschnitt 1.13 der Arbeitsordnung der Beklagten und § 19 Ziffer 2 MTV Metall NRW.
a. Gemäß Nr. 13 Abs. 1 des Anstellungsvertrages der Parteien gilt für das Arbeitsverhältnis, soweit im Arbeitsvertrag nichts anderes festgelegt ist, insbesondere die Arbeitsordnung der Beklagten in ihrer jeweiligen Fassung. Nach Abschnitt 1.13 der Arbeitsordnung sind Ansprüche der Parteien gegeneinander schriftlich geltend zu machen und müssen, damit sie nicht verfallen, auch nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb der geltenden tariflichen Ausschlussfristen geltend gemacht werden. Die tarifliche Ausschlussfrist beträgt gemäß § 19 Ziffer 2 b) MTV Metall NRW drei Monate nach Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs.
b. Gemäß Nr. 2 b) Abs. 2 des Einstellungsvertrages der Parteien sollte die Abrechnung von dem Kläger zustehenden Incentive-Zahlungen „jeweils nach Feststellung der Zielerreichung, d. h. in der Regel im Folgejahr” erfolgen. In dem vom Kläger als Anlage 2 zu seiner Klageschrift vorgelegten Auslobungsschreiben der Beklagten vom Juni 2004 heißt es:
„Im November 2004 wird eine pauschale Vorauszahlung in Höhe von 1/3 der zu erwartenden variablen Vergütung geleistet. Nach Vorliegen des Jahresabschlusses 2004 wird die Zahlung je einzeln zielgetrennt ermittelt … Die Abrechnung wird dann in 2005 erfolgen”.
c. Der Kläger selbst geht offensichtlich von einer Fälligkeit seines Anspruchs auf die Incentive-Zahlung 2004 zum 30.04.2005 aus. Dies lässt sich daraus entnehmen, dass der Kläger im vorliegenden Verfahren mit Wirkung ab dem 01.05.2005 Verzugszinsen geltend macht. Auch wenn man jedoch die arbeitsvertragliche Fälligkeitsregelung und diejenige, die sich aus dem vom Kläger herangezogenen Auslobungsschreiben vom Juni 2004 ergibt, zu seinen Gunsten im vorliegenden Problemzusammenhang so auslegt, dass die Fälligkeit der Incentive-Zahlung – spätestens – auf den 31.12.2005 datiert, hätte der Anspruch somit bis spätestens 31.03.2006 schriftlich geltend gemacht werden müssen. Die erstmalige schriftliche Geltendmachung erfolgte indessen erst am 25.11.2008.
2. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die in Abschnitt 1.13 der Arbeitsordnung in Verbindung mit § 19 Ziffer 2 MTV Metall NRW geregelte Verfallklausel auch auf das Anstellungsverhältnis des Klägers anwendbar. Die in Nr. 13 Abs. 1 des Anstellungsvertrages des Klägers enthaltene Verweisungsnorm auf die Arbeitsordnung ist wirksam.
a. Das Berufungsgericht hat sich bereits in seiner Entscheidung vom 27.07.1999, 13 Sa 207/99 = LAGE § 364 BGB Nr. 1 mit einem Fall zu befassen gehabt, in dem im Arbeitsvertrag eines explizit als „außertariflich” bezeichneten Mitarbeiters in derselben Weise wie hier auf die identische Arbeitsordnung der Beklagten verwiesen wurde, wobei es ebenfalls um die rechtzeitige Geltendmachung von Ansprüchen im Sinne von Abschnitt 1.13 der Arbeitsordnung ging. Das Berufungsgericht hat dabei die Verweisungskette vom Anstellungsvertrag auf Abschnitt 1.13 der Arbeitsordnung und von dort auf § 19 Abs. 2 MTV Metall NRW als bedenkenfrei rechtswirksam angesehen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen im dortigen Urteil unter III 2 b (Randziffern 65 – 73 des juris – Ausdrucks) Bezug genommen.
b. Ergänzend ist zu betonen, dass der eigentliche Verfalltatbestand für nicht rechtzeitig geltend gemachte Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis nicht erst aus der Anwendung der Ziffern 2 und 4 des § 19 MTV Metall NRW auf das Arbeitsverhältnis folgt, sondern bei näherer Betrachtung bereits aus Ziffer 1.13 der Arbeitsordnung selbst zu entnehmen ist. Bereits Ziffer 1.13 der Arbeitsordnung und nicht erst die tarifliche Norm über die Ausschlussfristen schreibt nämlich die schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen vor und ordnet an, dass die Ansprüche bei nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen. Letztlich dient die Verweisung auf die tariflichen Ausschlussfristen nur dazu, die Frist, während welcher die Ansprüche geltend gemacht werden müssen, zu benennen und zu konkretisieren.
3. Die Verweisung des Anstellungsvertrages des Klägers auf Ziffer 1.13 der Arbeitsordnung in Verbindung mit § 19 Ziffer 2 b) MTV Metall NRW hält auch einer AGB – Kontrolle nach Maßgabe der §§ 305 ff. BGB Stand.
a. Bereits das o.a. Urteil des Berufungsgerichts vom 27.07.1999 befasst sich ausführlich mit der Frage, ob die Verweisung als irreführend, missverständlich oder überraschend anzusehen ist. Das Gegenteil ist zur Überzeugung des Berufungsgerichts der Fall.
b. Im Übrigen hat nunmehr das Arbeitsgericht in dem angegriffenen Urteil vom 03.09.2009 im Einzelnen ausführlich zu den hier zu beachtenden Kriterien der AGB – Kontrolle Stellung genommen. Die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts sind umfassend, überzeugend und richtig. Das Berufungsgericht macht sich Ziffer I, 1 – 7 der Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils ausdrücklich zu eigen. Die Ausführungen des Berufungsklägers in seiner Berufungsbegründung sind nicht geeignet, die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zu widerlegen.
c. Auch die jetzt vom Berufungskläger hervorgehobene These, es habe für ihn bei Anwendbarkeit der Verweisungskette völlig unklar sein müssen, wann die dreimonatige Verfallfrist des Manteltarifvertrages für ihn in Gang gesetzt werde, kann nicht zu einem für ihn günstigeren Ergebnis führen.
aa. Dies folgt schon daraus, dass die in Abschnitt 1.13 der Arbeitsordnung in Verbindung mit § 19 Ziffer 2 b) MTV Metall NRW enthaltene Verfallsregelung keine eigene Fälligkeitsbestimmung enthält, sondern an den Tatbestand der Fälligkeit lediglich anknüpft. Wäre unklar, wann die Fälligkeit des Anspruchs auf die Incentive-Zahlung für 2004 eingetreten ist, so läge dies jedenfalls nicht an der Verfallsregelung, sondern allenfalls an der Regelung über den Anspruch auf die Incentive-Zahlung. Auch eine Fälligkeitsregelung über den Anspruch auf die Incentive-Zahlung kann jedoch nicht in dem vom Kläger gemeinten Rechtssinne unklar sein, weil hilfsweise immer die gesetzliche Fälligkeitsregelung des § 271 BGB eingreift.
bb. Abgesehen davon erscheint die Argumentation des Klägers auch deshalb widersprüchlich, weil er selbst sehr genaue Vorstellungen von der Fälligkeit seines Anspruchs auf die Incentive-Zahlung 2004 hat. Andernfalls könnte er nicht Verzugszinsen mit Wirkung ab 01.05.2005 einklagen wollen. Schließlich kann auch aus den Regelungen in Nr. 2 b) Abs. 2 des Anstellungsvertrages und aus dem Auslobungsschreiben vom Juni 2004 entnommen werden, dass eine Fälligkeit des Anspruchs auf die Incentive-Zahlung spätestens am 31.12.2005 eingetreten ist.
4. In Anbetracht des Umstands, dass der Kläger mit der streitgegenständlichen Forderung bereits aufgrund der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Verfallfristen ausgeschlossen ist, braucht auf den weiteren Gesichtspunkt einer eventuellen Verwirkung des Anspruchs nicht näher eingegangen zu werden.
I. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision gegen die Entscheidung des vorliegenden Einzelfalls ist nicht gegeben.