Hessisches FG Urteil vom 14.01.2019 - 2 K 1434/17
vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [VI R 30/19)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreiheit einer in der Höhe schwankenden Theaterbetriebszulage
Leitsatz (redaktionell)
- Voraussetzung für eine Steuerbefreiung nach § 3b Abs. 1 EStG ist, dass die geleisteten Zuschläge neben dem Grundlohn gezahlt werden und nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte auch an Sonntagen und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sind.
- Die Steuerbefreiung tritt nur ein, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags-oder Nachtarbeit gezahlt und eine Hand von Einzelaufstellungen der erbrachten Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit nachgewiesen werden.
- Eine variable Theaterbetriebszulage in Höhe von bis zu 20 % des schwankenden Bruttoverdienstes, die unabhängig vom Umfang der geleisteten Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit oder Nachtarbeit gewährt wird, ist Bestandteil des arbeitsvertraglichen Arbeitslohnes und nicht von der Steuerpflicht ausgenommen.
Tatbestand
Der Kläger zu 1 bezog in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit als Darsteller der A-Produktionsgesellschaft. Der Arbeitslohn setzte sich hierbei aus steuerpflichtigen Einkünften nach § 19 des Einkommensteuergesetzes und aus Einkünften für Sonntags-, Feiertags-und Nachtzuschläge zusammen.
Basis für die Gehaltszahlungen an den Kläger zu 1 war der Manteltarifvertrag zwischen den Produktionsgesellschaften und damit des Arbeitgebers des Klägers zu 1 sowie der Gewerkschaft ver.di vom 27.2.2009 und vom 3.5.2012. Darin war geregelt, dass sich das Arbeitsentgelt für die Mitarbeiter aus der Grundvergütung und der vereinbarten Zulage (Theaterbetriebszulage) zusammensetzt.
Laut dem Vertrag hatte jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung dieser Theaterbetriebszulage i. H. v. 20 % des Arbeitsentgeltes, wobei diese Betriebszulage als tariflicher steuerfreier Zuschlag für Nachtarbeit und für Sonntags-und Feiertagsarbeit gezahlt wurde.
Im Streitfall erfolgte die Ermittlung der steuerfreien Einkünfte des Klägers zu 1, der Theaterbetriebszulage, hierbei seitens des Arbeitgebers.
Dabei fand folgendes Procedere statt:
Der Angestellte (hier: Der Kläger) erhielt in jedem Monat zunächst die volle Theaterbetriebszulage i. H. v. 20 % des Arbeitsentgeltes ausgezahlt und diese wurde voll versteuert. Im Folgemonat wurde dann anhand der Zeiterfassung ermittelt, in welchem Umfang die bereits ausgezahlte Theaterbetriebszulage tatsächlich auf geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entfällt. Wurde anhand dieser Überprüfung festgestellt, dass von der bereits gezahlten Zulage nur ein Teil auf Sonntags-, Feiertags-und Nachtarbeit entfällt, dann wurde nur dieser Teil nachfolgend steuerfrei gestellt und der Restbetrag voll versteuert.
Nach Beendigung einer Lohnsteueraußenprüfung bei dem Arbeitgeber für die Jahre 2008-2015 am 7.9.2016 wurde durch die Finanzverwaltung eine Kontrollmitteilung an das zuständige Wohnsitzfinanzamt des Klägers zu 1 versendet, in dem die Meinung vertreten wurde, dass eine Steuerfreiheit der gezahlten Theaterbetriebszulage gemäß § 3 b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes nicht gegeben wäre. Daraufhin erließ der Beklagte am 28.11.2016 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2013 und 2014, in denen er die gezahlte Theaterbetriebszulage versteuerte. Hiergegen haben die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben.
Die Klägerseite verweist zunächst darauf, dass eine Bindungswirkung der Anrufungsauskunft nach § 42 e des Einkommensteuergesetzes zwar grundsätzlich nur gegenüber demjenigen bestehe, der sie beantragt habe. Dies sei im vorliegenden Fall der Arbeitgeber. Da es sich jedoch im Streitfall um eine Auslegung derselben Rechtsvorschrift über denselben Sachverhalt handele, könne die Finanzverwaltung aus Gründen der Rechtssicherheit und Verlässlichkeit nicht unterschiedliche Rechtsstandpunkte einnehmen. Insoweit müsste die Bindung der Anrufungsauskunft auch gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer gelten.
Weiter trägt die Klägerseite vor, es sei unstreitig Voraussetzung für die steuerfreie Gewährung der Theaterbetriebszulage durch die Produktionsgesellschaft gewesen, dass der Kläger zu 1 tatsächlich während der in § 3 b des Einkommensteuergesetzes genannten Zeiten Arbeitsleistungen erbracht hat. Diese seien auch tatsächlich anhand des Spiel- und des Einsatzplanes konkret ermittelt und im darauffolgenden Monat in der tatsächlichen Höhe verrechnet worden.
So habe beispielsweise in dem Fall, dass der Kläger zu 1 z. B. aufgrund krankheits- oder urlaubsbedingter Fehlzeiten keine Tätigkeiten während der in § 3 b des Einkommensteuergesetzes genannten Zeiten geleistet hatte, die Theaterbetriebszulage 0 % des gesamten Bruttobetrages betragen. Dem Kläger zu 1 sein folglich für den betreffenden Zeitraum keine steuer- und sozialversicherungsfreien Zuschläge gewährt worden. Vielmehr habe der Kläger zu 1 eine Ergänzung des Grundlohnes in maximaler Höhe von 20 % des Gesamtproduktbetrages erhalten, welcher insgesamt steuer- und sozialversicherungspflichtig gewesen sei.
Hiermit werde deutlich, dass mit der Theaterbetriebszulage gerade keine Abgeltung für die mit der Tätigkeit am Theater verbundenen Aufwendungen, insbesondere Erschwernisse und unregelmäßige tägliche Arbeitszeiten erfolgt sei, sondern der Zuschlag gerade ausschließlich für die tatsächlich erbrachten Tätigkeiten während der gemäß § 3 b des Einkommensteuergesetzes begünstigten Zeiten gewährt worden sei. Unschädlich sei hingegen, dass die gewöhnlich und durchschnittlich gewährten Zuschläge während der Lohnfortzahlungszeiträume aufgrund der urlaubs- oder krankheitsbedingten Fehlzeiten gewährt worden sein. Denn dies entspreche lediglich den gesetzlichen Ansprüchen der Arbeitnehmer.
Wie sich im Übrigen aus der Stellungnahme der Gewerkschaft ver.di vom 4.8.2017 ergebe, sei die Theaterbetriebszulage eindeutig als Zahlung einer Zulage neben dem Grundlohn vereinbart worden. Hintergrund sei seitens der Gewerkschaft gewesen, dass monatliche Lohnschwankungen vermieden werden sollten, um somit den Arbeitnehmern eine bessere finanzielle Planung zu ermöglichen.
Dass die Gehaltsabrechnungen gemäß dem vereinbarten Verfahren erfolgt sein und somit nur die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden für Sonntags-, Nacht- oder Feiertagsarbeit gemäß § 3 b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes steuerfrei belassen worden seien, sei seitens der zuständigen Prüferin auch nicht beanstandet worden.
Sollte im Übrigen das Vergütungsmodell in den Gehaltsabrechnungen nicht immer eindeutig dargestellt worden seien, könne dies allerdings nicht dazu führen, die vereinbarte Zulage nicht als solche anzusehen, da die Gehaltsabrechnung ein reine Abrechnungsfunktion habe und nicht die vertraglichen Regelungen außer Kraft setzen könne.
Weiterhin bleibt zu prüfen, ob es durch den Erlass eines Haftungsbescheides gegen den Arbeitgeber in gleicher Sache nicht bereits zu einer doppelten Erhebung der Steuer auf den betreffenden Sachverhalt gekommen sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Kläger vom 2.8.2017 und vom 28.11.2017 Bezug genommen.
Die Kläger beantragen,
die geänderten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2013 und 2014, jeweils vom 28.11.2016, aufzuheben und durch die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide für 2013 und 2014 zu ersetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, dass die regelmäßige Zahlung der Theaterbetriebszulage im Rahmen der monatlichen Vergütung nicht davon abhängig gewesen sei, dass der Kläger zu 1 tatsächlich während der in § 3 b des Einkommensteuergesetzes genannten Zeiten Arbeitsleistungen erbracht habe. Gemäß § 4 Nr. 1 a bis c des Künstlervertrages mit der A-Produktionsgesellschaft mbH habe der Kläger für seine Arbeitsleistung einen festgelegten Bruttoarbeitslohn bezogen auf eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit als Gage erhalten, unabhängig davon, um welche Zeiten es sich dabei gehandelt habe. Laut § 4 Nr. 1 e des Künstlervertrages sei in dieser fest vereinbarten monatlichen Gage die Theaterbetriebszulage i. H. v. 20 % als monatliche Vergütung enthalten gewesen. Auch der Wortlaut des Manteltarifvertrages besage, dass die Theaterbetriebszulage als tariflicher Zuschlag für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit gezahlt worden sei und in den jeweiligen Tabellenstufen der Vergütungstabelle enthalten gewesen sei, und die Gage als feste monatliche Vergütung sich aus einer Grundgage und der Theaterbetriebszulage zusammengesetzt habe. Der Kläger habe demnach einen endgültigen Anspruch auf die Bruttovergütung mit der darin enthaltenen Theaterbetriebszulage gehabt, daran ändere auch der Ausweis des Stundenlohns im Arbeitsvertrag nichts.
Nach Auffassung des Beklagten sei die Theaterbetriebszulage daher Teil des Grundlohns im Sinn von § 3 b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes gewesen und kein neben dem Grundlohn gezahlter Begünstigter Zuschlag, denn § 3 b Abs. 2 S. 1 des Einkommensteuergesetzes definiere den Grundlohn als laufenden Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zustehe. Der laufende Arbeitslohn sei, wie sich aus § 39 b des Einkommensteuergesetzes ergebe, von sonstigen Bezügen abzugrenzen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 23.1.2018 Bezug genommen.
Dem Gericht haben die einschlägigen Steuerakten des Beklagten vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für 2013 und 2014 sind rechtmäßig. Der Beklagte hat darin zu Recht die vom Arbeitgeber dem Kläger gezahlte Theaterbetriebszulage nicht gemäß § 3 b des Einkommensteuergesetzes steuerfrei belassen.
Nach § 3 b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge dann steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden. Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist unter anderem, dass die Zuschläge neben dem Grundlohn geleistet werden. Sie dürfen nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonntagen und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sein.
Die Steuerbefreiung tritt zudem nur ein, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden. Erforderlich sind grundsätzlich Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit.
Im Streitfall sind die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung der an den Kläger gezahlten Theaterbetriebszulage gemäß § 3 b des Einkommensteuergesetzes nicht erfüllt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs handelt es sich dann nicht um eine nach § 3 b des Einkommensteuergesetzes begünstigten Gehaltszuschlag, wenn einem unregelmäßig Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit bzw. Nachtarbeit leistenden Arbeitnehmer in den jeweiligen Kalendermonaten die Zulage in unveränderter Höhe endgültig bzw. definitiv gewährt wird, ohne dass es hierbei auf die von ihm tatsächlich geleistete Tätigkeit zu den nach § 3 b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes begünstigten Zeiten ankommt (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. September 2013 VI R 48/12, juris Dokumentation).
So verhält es sich im Streitfall.
Vertraglich vereinbart und auch tatsächlich ausgezahlt war eine in der Höhe feststehende Theaterbetriebszulage i. H. v. 20 % des Bruttoverdienstes des Klägers zu 1, die jeweils unabhängig vom Umfang der geleisteten Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit bzw. Nachtarbeit dem Kläger in voller Höhe gewährt wurde. Variabel war die Theaterbetriebszulage nur hinsichtlich ihres Anteils, der nach Abrechnung der tatsächlich geleisteten Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit und Nachtarbeit von der Steuerpflicht und Sozialversicherungspflicht ausgenommen wurde.
Vorliegend handelte es sich bei der pauschalen Theaterbetriebszulage i. H. v. 20 % des Bruttoarbeitslohns auch nicht um eine Abschlagszahlung oder um einen Vorschuss im Hinblick auf eine spätere Einzelabrechnung (vergleiche dazu: Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8. Dezember 2011 VI R 18/11, Bundessteuerblatt II 2012, 291), sondern um einen der Höhe nach feststehenden, dem Kläger arbeitsvertraglich zustehenden Bestandteil des Arbeitslohnes.
Im Streitfall konnte sich der Kläger zu 1 auch nicht mit Erfolg auf die Bindungswirkung einer vom zuständigen Finanzamt B gegenüber dem Arbeitgeber erteilten Anrufungsauskunft berufen. Eine solche Bindungswirkung besteht nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs jedenfalls nicht gegenüber den Wohnsitzfinanzämtern bei der Einkommensteuerveranlagung der einzelnen Arbeitnehmer (vergleiche Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17. Oktober 2013 VI R 44/12, Bundessteuerblatt II 2014, 892).
Für den Vortrag, dass es wegen eines Haftungsbescheides gegenüber dem Arbeitgeber möglicherweise zu einer doppelten Erfassung der Steuer gekommen sei, hat die Klägerseite keinen substantiierten Sachvortrag erbracht.
Nach alledem war der Klage der Erfolg zu versagen.
Die Kläger haben als unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen
(§ 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung).