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Sächsisches FG Urteil vom 18.05.2018 - 4 K 194/18

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Taxifahren zur Wohnungsbesichtigung als Umzugskosten. kein Werbungskostenabzug für Prüfung, Abbau und Entsorgung von Elektrogeräten anlässlich eines beruflich veranlassten Umzugs, jedoch teilweise Steuerermäßigung nach § 35a EStG. Werbungskostenabzug für Ohropax. Behandlungs- und Krankheitskosten nach einem Autounfall auf dem Weg zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mit der Entfernungspauschale abgegolten. neuer Anzug als bürgerliche Kleidung

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Leitsatz (redaktionell)

1. Die Kosten eines beruflich veranlassten Umzugs können zwar nach den Vorschriften des Bundesumzugskostengesetzes (BUKG) geltend gemacht werden (R 9.9 Abs. 2 LStR). Es steht dem Steuerpflichtigen jedoch offen, ihm entstandene höhere Werbungskosten nachzuweisen. Daher können auch Fahrten mit dem Taxi zur Besichtigung von Wohnungen am neuen Beschäftigungsort als Werbungskosten berücksichtigungsfähig sein.

2. Aufwendungen für die Anschaffung von Ohropax sind als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn dadurch der Lärm durch während der Arbeitszeit im Büro des Arbeitgebers stattfindende Baumaßnahmen gedämpft worden ist.

3. Lässt der Arbeitnehmer anlässlich eines beruflich veranlassten Umzugs Elektrogeräte in seiner alten Wohnung ausbauen und entsorgen, stellen die Aufwendungen hierfür keine als Werbungskosten abziehbare Umzugskosten dar. Die Kosten für die Prüfung und den Abbau der Geräte in der Wohnung sind jedoch Handwerkerleistungen i. S. v. § 35a Abs. 3, 4 EStG, nicht aber die Kosten des Abtransports und der Entsorgung.

4. Die AfaA infolge der Beschädigung des während eines Unfalls getragenen Anzugs, die Aufwendungen für Medizin sowie für Fahrten zu Ärzten und zur Physiotherapie, die durch einen auf dem Weg zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte erlittenen Unfall verursacht worden, sind als außergewöhnliche Aufwendungen durch die Entfernungspauschale abgegolten und deswegen nicht gesondert als Werbungskosten abzugsfähig. Die Aufwendungen für einen vom Arbeitnehmer angeschafften neuen Anzug stellen Aufwendungen für bürgerliche Kleidung dar und sind als solche nicht als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

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Normenkette

EStG § 9 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2, S. 1, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 35a Abs. 3-4, § 12 Nr. 1 S. 2; LStR R 9.9 Abs. 2

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Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 20.4.2016, geändert durch Bescheid vom 13.11.2017 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.1.2018 wird dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer 2014 festgesetzt wird unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 162,95 EUR sowie unter Abzug der Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen gemäß § 35a Abs. 3, 4 EStG i.H.v. 20 % von 139,– EUR. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Verfahrens haben der Kläger 85 % und der Beklagte 15 % zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

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Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 20.4.2016, geändert durch Bescheid vom 13.11.2017 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.1.2018. Er verlangt die Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit; namentlich die Anerkennung weiterer Aufwendungen für die Wohnungssuche, die Anerkennung weiterer Aufwendungen im Zusammenhang mit der Aufgabe der früheren Wohnung, insoweit z.T. hilfsweise die Anerkennung als Handwerkerleistungen, die Anerkennung weiterer Aufwendungen im Zusammenhang mit einem auf dem Weg zur ersten Tätigkeitsstätte erlittenen Unfall und für die Beschaffung von Arbeitsmitteln.

Der Kläger erzielt u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mit Schreiben vom 12.10.2015 hat der Kläger seine Einkommensteuererklärung 2014 eingereicht. Er hat darin unter Zeile 47 weitere Werbungskosten i.H.v. 19.671,– EUR erklärt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einkommensteuererklärung 2014 und die Anlage zur Anlage N verwiesen.

Mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom 20.4.2016 (Bl. 3 der Rechtsbehelfsakten) hat der Beklagte unter teilweiser Abweichung von der Einkommensteuererklärung die Einkommensteuer 2014 auf … EUR festgesetzt. Dabei hat er neben der Entfernungspauschale und den Verpflegungsmehraufwendungen weitere Werbungskosten i.H.v. 11.016,– EUR berücksichtigt. Als Erläuterung hat er u.a. eine Anlage (Bl. 5 der Rechtsbehelfsakten) beigefügt, in der zu den einzelnen geltend gemachten Positionen Stellung genommen wird.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 3.5.2016 Einspruch eingelegt. Nach mehrfachem wechselseitigen Schriftverkehr hat der Beklagte mit Schreiben vom 27.10.2017 (Bl. 75 der Rechtsbehelfsakten) ausgeführt, für das Streitjahr seien Werbungskosten i.H.v. 12.539,– EUR anzuerkennen. Mit Blick auf den vom Kläger vorgeschlagenen Anerkennungsgrad bzgl. der Werbungskosten betrachte er den Einspruch als erledigt. Mit Aktenvermerk über die Einspruchserledigung vom 27.10.2017 hat der Beklagte das Einspruchsverfahren als erledigt behandelt und mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom 13.11.2017 die Einkommensteuer 2014 auf … EUR unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten i.H.v. 12.539,– EUR festgesetzt. Mit Schreiben vom 19.11.2017 hat der Kläger erklärt, er stimme der Erledigung des Einspruchs nicht zu, da in wesentlichen Punkten keine gleichlautende Beurteilung von Finanzamt und Steuerpflichtigem erfolgt sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 10.1.2018 hat der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Finanzverwaltung lasse bei einem beruflich veranlassten Wohnungswechsel die tatsächlichen Umzugskosten ohne weitere Prüfung grundsätzlich bis zur Höhe der Beträge als Werbungskosten zu, die nach dem BUKG höchstens gezahlt würden. Reisekosten würden für höchstens zwei Tage – im Streitfall zugunsten des Klägers für die Fahrt am 1.1.2014 und am 18.3.2014 zum Suchen und Besichtigen einer neuen Wohnung anerkannt. Nicht als Werbungskosten abziehbar seien Aufwendungen für die Anschaffung von Kleidung und Wohnungsausstattung. Der Haushaltswarenkauf und die Elektrogeräteentsorgung könnten mithin keinen Eingang in die Steuerfestsetzung finden. Die Taxibenutzung für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte könne keine Berücksichtigung finden, da § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG dahingehend zu verstehen sei, dass lediglich Aufwendungen für regelmäßig verkehrende öffentliche Verkehrsmittel nicht unter die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale fielen. Der Werbungskostenabzug für bei der Berufsausübung getragene bürgerliche Kleidung scheide aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 10.1.2018 (Bl. 87 der Rechtsbehelfsakten) verwiesen.

Der Kläger trägt vor, der Beklagte habe fehlerhaft 160,– EUR für Taxifahrten zu Wohnungsbesichtigungen nicht als Werbungskosten anerkannt. Er habe am 27.1.2014 kurzfristig eine neue Beschäftigung in L. gefunden. Vorübergehend sei er in einem kleinen Apartmenthotel untergekommen und habe sich auf die Suche nach einer neuen, arbeitsplatznahen Wohnung begeben, um in diese berufsbedingt umzuziehen.

Der Beklagte erkenne fehlerhaft 307,50 EUR Handwerksleistungen nicht als steuerrelevante Ausgaben an. Im Zusammenhang mit dem berufsbedingten Umzug hätten aus der bisherigen Wohnung in A. Elektrogeräte entfernt werden müssen, die er im Zusammenhang mit dem Mietvertragsabschluss von der Wohnungseigentümerin als Bestandteil der Einbauküche habe erwerben müssen. Die Handwerkerkosten für die Entsorgungsmaßnahme habe der Beklagte nicht als steuerrelevante Ausgaben zugelassen. Die Ausgaben seien aber entweder als Werbungskosten im Zusammenhang mit dem berufsbedingten Umzug zu berücksichtigen oder sie müssten hilfsweise als Handwerksleistungen in Abzug gebracht werden i.H.v. 279,29 EUR Bruttoarbeitskosten gemäß Rechnung.

Er verlange die korrekte einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung seiner Unfallfolgekosten. Am 1.10.2014 habe er auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall erlitten. Ihm seien Ausgaben i.H.v. 24,37 EUR für Medizin, 835,95 EUR für einen im Dezember 2014 beschafften neuen Anzug sowie 183,50 EUR Taxikosten für Fahrten zur Uniklinik, zum Orthopäden und zur Physiotherapie entstanden.

Weiterhin verlange er die Berücksichtigung von Aufwendungen i.H.v. 2,95 EUR für Ohropax. Die Anschaffung sei am 14.2.2014 erfolgt, weil in den Büroräumen des Arbeitgebers über längere Zeit tagsüber Baumaßnahmen durchgeführt worden seien.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 1.2.2018 verwiesen.

Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 13.11.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.1.2018 dahingehend abzuändern, das die Einkommensteuer 2014 unter Berücksichtigung weiterer Aufwendungen i.H.v. 1.514,27 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, hilfsweise unter Berücksichtigung von 279,29 EUR als Handwerkerleistungen, festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, § 7 BUKG begrenze die bewertungsfähigen Aufwendungen zur Wohnungssuche und Besichtigung auf zwei Reisen. Im Streitfall seien die Reisen vom 1.1.2014 und am 18.3.2014 zum Suchen und Besichtigen einer neuen Wohnung anerkannt worden. Die Aufwendungen für Haushaltswaren und Hausratentsorgung könnten keinen Eingang in die Werbungskostenermittlung finden. Die Geräteentsorgung könne nicht nach § 35a EStG berücksichtigt werden, weil der Schwerpunkt der Leistung nicht im Haushalt des Klägers ausgeübt worden sei. Die Unfallfolgekosten könnten nicht als Werbungskosten qualifiziert werden. Die Aufwendungen i.H.v. 2,95 EUR seien Werbungskosten. Der Herabsetzung der Einkommensteuer stehe § 1 Abs. 1 Kleinbetragsverordnung entgegen.

Mit Beschluss vom 19.4.2018 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Steuerakten verwiesen.