HI1096768

FG Baden-Württemberg Urteil vom 16.03.1995 - 14 K 323/91

rechtskräftig

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

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Tatbestand

Bei den Einkommensteuer- (ESt-)Veranlagungen 1984 und 1985 ist streitig, ob zwischen einem Landwirteehepaar und ihren beiden Kindern steuerlich anzuerkennende Arbeitsverhältnisse vorliegen und ob die angeblichen Lohnzahlungen als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.

Der im Jahre 1940 geborene Kläger betreibt gemeinsam mit seiner im Jahre 1941 geborenen Ehefrau in R. Ortsteil G. eine Landwirtschaft, die sie im Jahre 1967 je zur Hälfte als Miteigentümer erworben haben. Auf einer Fläche von rd. 34 Hektar (davon rd. 19 Hektar Pachtland) betreiben sie in erster Linie Schweinemast (ca. 120 Vieheinheiten). Der Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebs betrug in den streitigen Veranlagungszeiträumen 45.800,– DM und der Wirtschaftswert 104.902,– DM.

Der Kläger und seine Ehefrau haben zwei inzwischen volljährige Kinder, die in ihrem Haushalt wohnen. Ihre am 30. Januar 1965 geborene Tochter befand sich bis zum 30. Juni 1983 in A. in einem Ausbildungsverhältnis und im Anschluß daran in einem Anstellungsverhältnis als Arzthelferin. Sie hatte dort eine tägliche Arbeitszeit von 7.30 Uhr bis 17.30 Uhr und einen monatlichen Nettolohn von rd. 1.000,– DM. Der am 17. August 1968 geborene Sohn des Klägers besuchte in den streitigen Veranlagungszeiträumen 1984 und 1985 das Technische Gymnasium in B. Er erhielt für seine Mithilfe im elterlichen Betrieb im April 1985 180,– DM, von Mai 1985 bis Februar 1986 monatlich 340,– DM und von März 1986 bis Mai 1987 monatlich 350,– DM zuzüglich vermögenswirksamer Leistungen von monatlich 78,– DM. Die Tochter erhielt ab 15. April 1986 monatlich 410,– DM. Diese Beträge wurden nach einer Bescheinigung der Sparkasse … vom 11. November 1994 auf gesonderte Konten der Kinder eingezahlt

In ihren im Wege des Bestandsvergleichs aufgestellten Gewinnermittlungen für die Wirtschaftsjahre 1984/1985 und 1985/1986, in denen sie Gewinne von 48.394,– DM und 49.718,– DM erklärten, machten der Kläger und seine Ehefrau die folgenden Zahlungen als Betriebsausgaben geltend:

Wirtschaftsjahr

Wirtschaftsjahr

1984/1985

1985/1986

DM

DM

Lohnzahlungen an Tochter

2.460,00 DM

Lohnzahlungen an Sohn

1.668,00 DM

5.066,00 DM

Summe der Lohnzahlungen

1.668,00 DM

7.526,00 DM

Im Rahmen einer im Oktober 1987 für die Veranlagungszeiträume 1983 bis 1985 durchgeführten Betriebsprüfung (Bp) kam der Prüfer zu dem Ergebnis, daß zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau eine Mitunternehmerschaft bestehe. Er vertrat die Auffassung, es lägen keine steuerlich anzuerkennenden Arbeitsverhältnisse mit den Kindern vor, da keine schriftlichen Arbeitsverträge abgeschlossen und keine eindeutigen und festen Arbeitsbedingungen vereinbart worden seien. Die Arbeitslöhne stünden in keinem erkennbaren Verhältnis zum Arbeitseinsatz der Kinder und seien als Taschengeld anzusehen. Bei der Tochter komme hinzu, daß sie als Arzthelferin im Vollerwerb beschäftigt und ihr Einsatz im elterlichen Betrieb zeitlich sehr eingeschränkt sei. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Bp-Bericht vom 11. März 1988 – insbesondere auf Tz 26 d und e – Bezug genommen.

Das Finanzamt (FA) folgte der Auffassung des Betriebsprüfers und änderte die unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen ESt-Bescheide 1984 und 1985 durch Bescheide vom 02. Januar 1989 unter Berücksichtigung der Prüfungsfeststellungen. Dagegen legte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers am 30. Januar 1989 im Namen beider Ehegatten mit der Begründung Einspruch ein, Arbeitsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern seien steuerlich anzuerkennen, wenn sie dem Fremdvergleich standhielten. Der Abschluß schriftlicher Arbeitsverträge sei nicht notwendig, da solche Verträge bei Aushilfsarbeiten auch zwischen fremden Partnern nicht üblich seien. Entgegen der Darstellung im Prüfungsbericht sei bereits in der Schlußbesprechung dargelegt worden, daß der Arbeitseinsatz weit über die normale von Kindern zu erbringende Dienstleistungspflicht hinausgegangen sei. Sowohl der Sohn als auch die Tochter erbrächten an mindestens fünf Tagen in der Woche Arbeitseinsätze für den landwirtschaftlichen Betrieb, der eine Muttersauenhaltung mit ca. 40 Muttersauen betreibe und die aufgezogenen Ferkel bis zur Schlachtreife mäste. Da gerade die Muttersauenhaltung sehr arbeitsaufwendig und die Ehefrau des Klägers gesundheitlich angeschlagen sei und keine körperlich schwere Arbeiten mehr verrichten dürfe, seien der Kläger und seine Ehefrau auf die Mithilfe der Kinder im landwirtschaftlichen Betrieb dringend angewiesen. Diesen Darlegungen sei in der Schlußbesprechung von Seiten der Betriebsprüfung nicht widersprochen worden. Wie aus der Buchführung ersichtlich, seien die Arbeitslöhne pünktlich zum Monatsende an den Sohn und die Tochter überwiesen worden. Auch wenn die Tochter als Arzthelferin im Vollerwerb beschäftigt sei, sei ein Arbeitseinsatz im landwirtschaftlichen Betrieb möglich. Bei der Gewinnermittlung nach § 13 a Einkommensteuergesetz (EStG) veranschlage die Finanzverwaltung den Arbeitseinsatz von außerlandwirtschaftlich beschäftigten Kindern im landwirtschaftlichen Betrieb mit 0,2 Vollarbeitskräften, was zu einem entsprechend höheren Wert der Arbeitsleistung führe. Somit könne bei einem buchführungspflichtigen Landwirt nicht ausgeführt werden, daß durch die Vollbeschäftigung des Kindes im außerlandwirtschaftlichen Bereich die Tätigkeit im landwirtschaftlichen Betrieb sich in einem äußerst eingeschränkten Rahmen bewege.

Das FA wies den Einspruch mit der Begründung zurück, die Arbeitsverhältnisse hielten einem Fremdvergleich nicht stand, da die Entlohnung sich offenbar nicht nach der Anzahl der erbrachten Arbeitsstunden, sondern nach einem monatlichen Festbetrag bemessen habe. Dies sei zwischen fremden Dritten gerade bei Aushilfstätigkeiten nicht üblich. Der Kläger und seine Ehefrau hätten weder während der Betriebsprüfung noch während des Rechtsbehelfsverfahrens detaillierte Angaben bezüglich der Art und der Dauer der von den Kindern verrichteten Tätigkeiten gemacht. Ihre allgemein gehaltenen Ausführungen seien nicht geeignet, die Existenz ernsthaft vereinbarter Arbeitsverhältnisse nachzuweisen. Zu dem Hinweis auf § 13 a EStG sei zu bemerken, daß das FA nicht die tatsächliche Mitarbeit der Kinder im landwirtschaftlichen Betrieb in Frage stelle, sondern lediglich verneine, daß die Mitarbeit im Rahmen eines steuerlich beachtlichen Arbeitsverhältnisses erfolge. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die gegen beide Ehegatten ergangene Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 1989 Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die nur im Namen des Klägers erhobene Klage vom 23. August 1989, die am 24. August 1989 bei Gericht einging. Zur Begründung wiederholt sein Prozeßbevollmächtigter im wesentlichen sein Vorbringen im Einspruchsverfahren. Ergänzend trägt er vor, der Kläger und seine Ehefrau hätten mit ihren Kindern Arbeitsverhältnisse vereinbart und diese auch tatsächlich durchgeführt. Es sei ihnen unerfindlich, wie das FA behaupten könne, im Rahmen der Schlußbesprechung seien weder über die Art noch über die Dauer der Tätigkeit konkrete Angaben gemacht worden. Bereits in der Schlußbesprechung habe der Kläger darauf hingewiesen, daß ein viehstarker Betrieb einen erheblichen Arbeitseinsatz erfordere und daß zudem durch die gesundheitliche Behinderung seiner Ehefrau die tägliche Mitarbeit beider Kinder erforderlich sei. Der Kläger habe alle Fragen, die ihm gestellt worden seien, beantwortet. Nach der genauen Anzahl der Stunden sei nicht gefragt worden. Die Diskussion sei vielmehr auf einen von der Finanzverwaltung angebotenen Kompromiß hinausgelaufen, auf den sich der Kläger und seine Ehefrau nicht eingelassen hätten. Zwischen ihnen und ihren Kindern hätte von Beginn der Arbeitsverhältnisse an Klarheit über Art und Umfang der auszuübenden Tätigkeiten bestanden. Dem Sohn habe das tägliche Ausmisten des Zuchtsauenwartestalles und der Eberstelle sowie das Einstreuen und Füttern der Tiere oblegen. Hierfür habe er nachmittags oder abends etwa eine Stunde verwendet. Hinzu sei – vornehmlich samstags – die Mithilfe beim Verladen der Mastschweine, das Umbuchten und Zusammenstellen der Mastgruppen gekommen. Außerdem habe er regelmäßig Einsätze bei der anfallenden Feldarbeit (Pflugarbeiten, Bodenbearbeitung mit Grubber und Egge, Mithilfe bei Ernte und Silagebereitung) sowie das Reinigen und Schmieren der eingesetzten Maschinen und Geräte übernommen. Mit diesen Arbeiten sei er mindestens 50 Stunden monatlich beschäftigt gewesen. Die Tochter habe täglich Arbeiten im Ferkelstall verrichtet, insbesondere Versorgung und Aufzucht der Saugferkel, Säuberung und Desinfektion der Abferkelbuchten, Hilfe bei Kastration und Impfen der Ferkel, Waschen, Entwurmen und Einstellen der Sauen in Abferkelbuchten, Umbuchten und Zusammenstellen von Mastgruppen sowie Mithilfe beim Verladen der Mastschweine. Hinzu sei auch bei der Tochter die Mithilfe bei der Ernte und Silierung gekommen. Aus alledem ergebe sich auch für die Tochter eine Arbeitszeit von mindestens 50 Arbeitsstunden monatlich. Der Hinweis des FA, die Entlohnung habe sich nicht nach der Anzahl der Arbeitsstunden bemessen, sondern sei nach einem monatlichen Festbetrag erfolgt, gehe fehl. Die Beteiligten der Arbeitsverhältnisse hätten aufgrund ihrer Erfahrung recht genau den Zeitaufwand abschätzen können. Es habe von vornherein festgestanden, daß beide Arbeitnehmer mit einer Mindestarbeitszeit von 50 Stunden pro Monat belastet würden. In diesem Rahmen habe sich der tatsächliche Zeitaufwand gehalten. Eine stundenmäßige Festlegung – im Streitfall hätten sich also etwa 50 Stunden angeboten – in einem schriftlichen Arbeitsvertrag wäre zwar möglich aber entbehrlich gewesen und sei für die steuerliche Anerkennung ohnehin verzichtbar. Sie sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) lediglich aus Beweisgründen zweckmäßig. Entscheidend sei, daß zwischen den Beteiligten der Arbeitsverhältnisse Einigkeit über einen Mindesteinsatz von 50 Stunden monatlich bestanden habe. Daß diese Mindestarbeitszeit eher zu knapp bemessen und teilweise überschritten worden sei, wenn nämlich beispielsweise Tiere dringend zu versorgen gewesen seien oder Erntearbeiten einen erhöhten Arbeitseinsatz erfordert hätten, stehe der Anerkennung nicht entgegen, möge dadurch auch der durchschnittliche Stundenlohn zeitweise abgesunken sein. Der Kläger sei damit in derselben rechtlichen Situation, wie sie dem BFH-Urteil vom 28. Juli 1983 (Bundessteuerblatt –BStBl– II 1984, 60) zugrunde gelegen habe, in dem das betreffende Arbeitsverhältnis anerkannt worden sei. Bei den Arbeiten der Kinder des Klägers handele es sich um solche Tätigkeiten, die üblicherweise auf arbeitsvertraglicher Grundlage erbracht würden, nicht dagegen um untergeordnete Tätigkeiten auf familienrechtlicher Grundlage. Die Mitarbeit der Tochter im elterlichen Haushalt sei nur von untergeordneter Bedeutung gewesen. Lohnfortzahlungen an die Kinder seien auch bei Krankheit und während des Urlaubs erfolgt. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Klagebegründung vom 30. November 1989 Bezug genommen.

Das FA hat die angefochtenen ESt-Bescheide 1984 und 1985 durch Bescheide vom 29. April 1993 geändert und darin die aufgrund des Steueränderungsgesetzes 1991 erhöhten Kinderfreibeträge berücksichtigt sowie die Bescheide teilweise für vorläufig erklärt. Der Prozeßbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 19. Mai 1993, das am 21. Mai 1993 bei Gericht einging, beantragt, die Änderungsbescheide zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens zu machen. Er beantragt in der Sache,

die geänderten ESt-Bescheide 1984 und 1985 in der Fassung vom 29. April 1993 erneut zu ändern und bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft für 1984 Gehaltszahlungen in Höhe von 834,– DM und für 1985 Gehaltszahlungen in Höhe von 4.597,– DM als Betriebsausgaben anzuerkennen.

Das beklagte FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt es vor, der Kläger habe erstmals im Klageverfahren detaillierte Angaben zu den Aufgaben gemacht, die seinen Kindern im landwirtschaftlichen Betrieb zugewiesen worden seien. Er habe erstmals geltend gemacht, daß der Arbeitslohn der Kinder auf der Basis einer monatliche Mindestarbeitszeit von 50 Stunden ermittelt worden sei. Der Kläger und seine Ehefrau seien im Rahmen der Betriebsprüfung sehr wohl nach der Art der von den Kindern übernommenen Tätigkeiten und nach den Kriterien zur Bemessung des Arbeitslohns befragt worden. Hierzu hätten sie jedoch bei weitem nicht derart konkret geantwortet, wie dies nunmehr im Klageverfahren dargestellt werde. Es werde vom Kläger nicht näher dargelegt, in welchem Umfang die Tochter z.B. im Haushalt gearbeitet habe. Das Arbeitsverhältnis mit dem Sohn sei nicht als Aushilfsbeschäftigung nach § 40 a Abs. 2 EStG behandelt worden. Vielmehr sei die Form des ordentlichen Arbeitsverhältnisses mit Lohnsteuerkarte gewählt worden. Mangels Erreichen der Tabelleneingangsstufe habe sich keine Steuerschuld ergeben. Folgerungen daraus seien jedoch nicht gezogen worden. Es seien weder Vereinbarungen über Urlaub, Lohnfortzahlungen oder Kündigung des Arbeitsverhältnisses dargelegt noch seien Lohnaufzeichnungen in irgendeiner Form gefertigt worden, so daß von einer Vereinbarung und Durchführung wie zwischen fremden Dritten nicht ausgegangen werden könne. Das FA sehe deshalb keine Veranlassung, der nunmehr vorgetragenen Sachverhaltsdarstellung mehr Gewicht beizumessen, als den im Verlauf der Prüfung und im Einspruchsverfahren gemachten Ausführungen.

Auf Antrage des Berichterstatters vertrat das FA mit Schreiben vom 25. November 1994 die Auffassung, zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau liege eine Mitunternehmerschaft vor. Auf die Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft könne jedoch verzichtet werden, weil es sich um einen Fall von geringer Bedeutung handele.

Am 16. März 1995 fand eine mündliche Verhandlung statt. In ihr wurden die Kinder des Klägers, S. und D. zu den Einzelheiten des Abschlusses und der Durchführung der streitigen Arbeitsverhältnisse und der Betriebsprüfer … F. zu der Frage vernommen, welche Angaben der Kläger hierzu während der Betriebsprüfung gemacht hat. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.