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Prävention

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Zusammenfassung

Name: LI1721746 Rz:

Begriff

Unter Prävention versteht man im Arbeits- und Gesundheitsschutz, das Auftreten von Krankheiten oder Gesundheitsbeeinträchtigungen durch gezielte Interventionsmaßnahmen weniger wahrscheinlich zu machen bzw. zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Prävention zielt zudem darauf ab, Beschäftigte zu befähigen, gesundheitsgefährdende Risikofaktoren zu erkennen und zugleich ihre gesundheitsrelevanten Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern.

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Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Mit dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) hat durch ein erweitertes Verständnis von Arbeits- und Gesundheitsschutz ein Paradigmenwechsel zu einem präventiven Arbeitsschutz stattgefunden:

"Maßnahmen des Arbeitsschutzes … sind Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen bei der Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit" (§ 2 Abs. 1 ArbSchG). Außerdem schreibt das ArbSchG vor, dass der Arbeits- und Gesundheitsschutz als kontinuierlicher Verbesserungsprozess zu organisieren ist.

Im § 20 SGB V ist der gesetzliche Auftrag der Krankenkassen zur primären Prävention und Gesundheitsförderung verankert, durch vorgesehene Leistungen zur Verminderung von Krankheitsrisiken sowie zur Förderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten. Der Leitfaden Prävention formuliert die Handlungsfelder und Kriterien des GKV-Spitzenverbandes zur Qualitätssicherung und -entwicklung sowie zur Umsetzung der §§ 20, 20a und 20b SGB V.

Zur grundlegenden Verbesserung der Zusammenarbeit von Sozialversicherungsträgern, Ländern und Kommunen wurde im Juli 2015 zudem das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention (Präventionsgesetz – PrävG) verabschiedet.

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1 Theoretische Fundierung und Abgrenzung zur Gesundheitsförderung

Zur Erklärung von Gesundheit und Krankheit existieren zahlreiche Modelle. Da in der Prävention die Entstehung sowie Risikofaktoren von Krankheit im Fokus stehen, stellt neben dem biomedizinischen Modell (Pathogenese) das Risikofaktorenmodell als bestimmendes Modell für Krankheitsentstehung die theoretische Fundierung dar. Das Modell bildet die Grundlage vieler Präventionsansätze, welche darauf abzielen, durch die Vermeidung von Risikofaktoren das Auftreten von Erkrankungen zu verhindern. Die Zielgruppe von Prävention stellen demnach Risikoträger oder bereits Erkrankte dar.

Im Gegensatz zum Risikofaktorenmodell legen das Salutogenese-Modell und das Systematische Anforderungs-Ressourcen-Modell den Schwerpunkt sowohl auf die Entstehung und Förderung von Gesundheit als auch auf die grundlegenden Modelle der Gesundheitsförderung. Im Vordergrund steht somit nicht die Vermeidung von Risikofaktoren, sondern gesunderhaltende Schutzfaktoren sowie Ressourcenstärkung. Die Zielgruppe ist demnach etwas weiter gefasst und umfasst im Großen und Ganzen die Gesamtbevölkerung.

Prävention und Gesundheitsförderung zielen gleichermaßen darauf ab, einen individuellen sowie kollektiven Gesundheitsgewinn zu ermöglichen. Beide Interventionsformen können ergänzend verstanden werden. Je nach Situation ist die eine oder andere angemessen und erfolgversprechender.

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2 Arten der Prävention

In der Prävention werden verschiedene zeitliche Stufen und Ansätze unterschieden:

  • Primärprävention: Primärprävention umfasst Maßnahmen, die vor dem Erstauftreten eines unerwünschten Zustands durchgeführt werden, und zielt auf die Entstehungsverhinderung von Krankheit. Maßnahmen für Arbeitgeber können die Beseitigung oder Verringerung von Risiken und Gefahren am Arbeitsplatz sein, bevor die Gefährdungen bzw. Belastungen wirksam werden. Sie zielen auf sichere und gesundheitsgerechte Verhältnisse am Arbeitsplatz. Dies gilt für die Verhältnisse am Arbeitsplatz, aber auch für das Verhalten der Mitarbeiter durch bspw. die Schaffung ergonomischer Arbeitsplätze oder das Angebot von Präventionskursen vor Ort.
  • Sekundärprävention: Sekundärprävention zielt auf die Früherkennung von Krankheit von scheinbar gesunden Personen. Erkrankte sollen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt erkannt werden, um so eine frühzeitige Therapie einleiten zu können. Maßnahmen können z. B. Vorsorgeuntersuchungen oder Screenings sein (auch am Arbeitsplatz).
  • Tertiärprävention: Tertiärprävention richtet sich an bereits Erkrankte und zielt auf die Verhütung von Krankheitsverschlechterung und Rückfällen sowie auf die Vermeidung von Folge- und Begleiterkrankungen. Ist eine Erkrankung bereits eingetreten, dann sollte geklärt werden, ob der Mitarbeiter durch Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation seine Arbeitskraft erhalten und ein möglicher Rückfall durch technische Maßnahmen verhindert werden kann. Die Maßnahmen haben das Ziel, die Verschlimmerung eines Gesundheitsproblems zu vermeiden und gleichzeitig die Fortführung beruflicher Tätigkeit zu ermöglichen. Im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (§ 167 SGB IX) ist der Arbeitgeber seit Mai 2004 zur Mitarbeit verpflichtet.

Eine eindeutige Trennung zwischen diesen 3 Präventionsbereichen ist nicht immer möglich. Der Begriff Prävention wird zunehmend in zusammengesetzten Begriffen verwendet. Das Fachwort steht am Anfang und bezeichnet das Fachthema oder den Problembereich: Rücken-, Burnout- oder Stressprävention.

Zudem kann zwischen Verhaltensprävention, Verhältnisprävention und Systemprävention differenziert werden. Diese unterscheiden sich wie folgt:

Verhältnisprävention bezieht sich auf die Verhältnisse, mit und in denen der Mensch lebt bzw. arbeitet und will Einfluss auf Gesundheit bzw. Krankheit durch die Veränderung der Lebensbedingungen innerhalb des Settings (Schule, Arbeit, Freizeit, Umwelt) nehmen. Dies umfasst am Arbeitsplatz die Arbeitsplatzgestaltung, die Arbeitsstätte, die Arbeitsmittel und die sonstige Arbeitsumwelt.

Die Verhältnisprävention zielt nicht primär auf das Verhalten des Einzelnen ab, sondern auf die Interaktion des Menschen mit dem Verhältnis bspw. bezüglich der ergonomischen Anpassung an seine physiologischen Gegebenheiten (z. B. Körpermaße) und die richtige Nutzung und den Umgang mit den gegebenen Verhältnissen (Verhaltensdimension). Grundsätzlich ist bei der Entwicklung von Verhältnissen auf die individuelle Anpassung an den Menschen und seine physiologischen und psychologischen Gesetzmäßigkeiten zu achten.

Verhaltensprävention bezieht sich auf den einzelnen Menschen bzw. Mitarbeiter im Hinblick auf das individuelle Gesundheitsverhalten, z. B. bei und im Zusammenhang mit der Arbeit. Ziel ist die Minimierung von gesundheitsgefährdendem Verhalten durch Motivation zur Risikovermeidung sowie Förderung gesundheitsgerechter Verhaltensweisen, z. B. durch Informations- und Aufklärungsmaßnahmen und die gezielte Entwicklung von Mitarbeiterkompetenzen. Es sind die klassischen Themen, die zu einer umfassenden Gesundheitskompetenz beitragen:

  • Bewegungsprogramme,
  • Entspannungstechniken,
  • Ernährungskurse,
  • Nichtraucherseminare,
  • Anti-Stress-Programme.

Systemprävention zielt auf das Gesamtsystem im Unternehmen ab. Sie umfasst das Miteinander in Bezug auf die Zusammenarbeit in der Hierarchie und im Gesamtunternehmen. Es geht um Themen wie

  • Team- und Unternehmensentwicklung (Leitbild, Betriebsvereinbarungen, Ziele),
  • Kommunikation, Führungsstil und Kooperation, Arbeitsklima,
  • soziale Bedingungen fördern.
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3 Prävention im Arbeits- und Gesundheitsschutz

Prävention spielt im Arbeitsschutz eine zentrale Rolle. Der moderne Arbeits- und Gesundheitsschutz setzt bereits vor dem Auftreten von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ein. Durch gezielte Unterweisungen lernen die Beschäftigten, Gesundheitsgefahren zu erkennen und ihnen durch ihr Verhalten zu begegnen. Es geht nicht nur um Lärm, dicke Luft oder schlechtes Licht, sondern um die gesamte Bandbreite der Belastungen in der Arbeitswelt. Dazu zählen auch psychische und psychosoziale Belastungsfaktoren wie Mobbing.

Leistungsfähigkeit und -bereitschaft sowie die Entfaltung von Kreativität und intellektuellen Potenzialen sind eng an die Bedingungen von Gesundheit und Wohlbefinden gekoppelt. Ein gesunder und motivierter Mitarbeiter kann seine Humanressourcen optimal im Unternehmen einsetzen.

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3.1 Kooperationen in der betrieblichen Prävention

Im betrieblichen Arbeitsschutz und Gesundheitsmanagement sind folgende verschiedene Akteure tätig:

  • staatliche Arbeitsschutzbehörden (z. B. Gewerbeaufsichtsamt),
  • Unfallversicherungsträger und Berufsgenossenschaften,
  • Träger der gesetzlichen Rentenversicherung,
  • Verbände der Sozialpartner wie Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände,
  • Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammern, Innungen, Fachverbände,
  • Krankenkassen,
  • Arbeitsverwaltung mit Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsämter,
  • externe Dienstleister mit Beratungskompetenzen in verschiedenen Gebieten.

Die strukturellen Grundlagen für eine dauerhafte, verbindliche und zielorientierte Kooperation der Sozialversicherungsträger unter Einbezug weiterer verantwortlicher Akteure auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sind das Ziel des Präventionsgesetzes.

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3.2 Leitfaden Prävention: Ziele

Der GKV Spitzenverband, die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen, hat im Jahr 2000 den Leitfaden Prävention formuliert, der aktuell in der Fassung vom 4.12.2023 vorliegt.

Die Zielvorgaben zeigt Tab. 1:

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Rechtsnatur, Ziele und Gliederung der Leistungen der Krankenkassen nach § 20 SGB V

Verpflichtende Satzungsleistungen zur

  • Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (Primärprävention),
  • Förderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesundheitsförderung),
  • Beitrag zur Verminderung der sozial bedingten und geschlechtsbezogenen Ungleichheit von Gesundheitschancen.
3 Leistungsarten
Leistungen zur individuellen verhaltensbezogenen Prävention (§ 20 SGB V) Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten (§ 20a SGB V) Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung (§§ 20b und 20c SGB V)
Tab. 1: Gliederung der Leistungen der Krankenkasse nach § 20 SGB V [ 1 ]

Folgende Ziele wurden in Bezug auf die betriebliche Gesundheitsförderung neu und ausführlicher formuliert: [ 2 ] .

  1. Zahl und Anteil der betreuten Betriebe, die über ein Steuerungsgremium für die betriebliche Gesundheitsförderung unter Einbeziehung der für den Arbeitsschutz und das betriebliche Eingliederungsmanagement zuständigen Akteure verfügen, sind erhöht.
  2. Fachkräfte der Krankenkassen kennen das Leistungsspektrum aller Träger zur arbeitsweltbezogenen Prävention, Gesundheits-, Sicherheits- und Teilhabeförderung sowie die Verknüpfungsmöglichkeiten von Leistungen der Krankenkassen zur betrieblichen Gesundheitsförderung mit den Leistungen von Unfall- und Rentenversicherungsträgern zum Arbeitsschutz, zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie zur betrieblichen Eingliederung.
  3. Die Zahl der durch überbetriebliche Beratung und Vernetzung erreichten Klein- und Kleinstbetriebe mit bis zu 49 Beschäftigten ist erhöht.
  4. Zahl und Anteil der Betriebe mit Aktivitäten zur Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung (Gesundheitszirkel, Zukunftswerkstätten, Arbeitssituationsanalysen und vergleichbare Formate) im Rahmen eines ganzheitlichen betrieblichen Gesundheitsförderungsprozesses sind erhöht.
  5. Zahl und Anteil der Betriebe mit einem hohen Anteil Beschäftigter ohne abgeschlossene Berufsausbildung, die Maßnahmen betrieblicher Gesundheitsförderung durchführen, sind erhöht.
  6. Schutz und Stärkung des Muskel-Skelett-Systems in der Arbeitswelt: Zahl und Anteil der mit verhältnis- und verhaltensbezogenen Maßnahmen zur Vorbeugung und Reduzierung arbeitsbedingter Belastungen des Bewegungsapparates sowie zur Förderung von Bewegung im Betrieb und im betrieblichen Umfeld sind erhöht.
  7. Schutz und Stärkung der psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt: Zahl und Anteil der Betriebe, die auf die Stärkung psychosozialer Ressourcen und die Minderung von Risiken für die psychische Gesundheit bei Beschäftigten gerichtete verhältnis- und verhaltensbezogene BGF-Maßnahmen durchführen, sind erhöht.
[ 1 ]

Quelle: GKV-Spitzenverband, Leitfaden Prävention, Fassung vom 4.12.2023, S. 14.

[ 2 ]

Abschn. 3.2 Leitfaden Prävention

[ 3 ]

Quelle: Leitfaden Prävention.

[ 4 ]

Quelle: Leitfaden Prävention.

[ 5 ]

officeplus, Evaluation des Einsatzes von officeplus-Stehpulten bei der Drägerwerk AG (1997 bis 2003), 2005.