Gesunde Führung
Zusammenfassung
Name: LI1502125 Rz:Begriff
"Führungskräfte nehmen ihre Fehlzeiten mit" – diese Aussage ist in der betrieblichen Praxis weit verbreitet. Sie verdeutlicht den Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Führungskräften und der Gesundheit der Beschäftigten. Führungskräfte gestalten maßgeblich die Arbeitsbedingungen und -abläufe, beeinflussen die Aufgabenverteilung zwischen den Mitarbeitern und sind dafür verantwortlich, welche Qualifizierungsmaßnahmen angeboten werden. Auch die Art und Weise der Kommunikation innerhalb einer Abteilung wird stark vom Verhalten der Führungskraft beeinflusst. Der Zusammenhang zwischen dem Führungskräfteverhalten und der Gesundheit von Mitarbeitern ist auch durch neueste Forschungsergebnisse belegt.
1.1 Führungsverhalten als Belastungsfaktor
Eine Reihe empirischer Studien haben sich mit Auswirkungen des Führungsverhaltens auf die Belastungssituation von Mitarbeitern auseinandergesetzt. So haben Mitarbeiter, deren Vorgesetzte sich gegenüber ihren Bedürfnissen und Aufgabenzielen gleichgültig zeigen, höhere Fehlzeiten als ihre Kollegen. [ 1 ]
Eine Umfrage zeigte, dass hohe Fehlzeiten und ein schlechtes Verhältnis der Angestellten zu ihrem direkten Vorgesetzten eindeutig miteinander korrelieren. Vor allem sorgen ungleiche Behandlung von Mitarbeitern, geringe Entscheidungsbeteiligung und Missachtung üblicher Delegationsregeln seitens der Vorgesetzten für Kritik. [ 2 ] Ebenso ist die Stress auslösende Wirkung von mangelnder Einbindung und Rücksprache belegt. [ 3 ]
Auch der Führungsstil wirkt sich auf Fehlzeiten aus. Ein partizipativer Führungsstil wirkt belastungs- und fehlzeitenreduzierend. Bei einem autoritären Führungsstil dagegen steigen die Fehlzeiten. [ 4 ] Andere Studien zeigen positive Korrelationen zwischen aufgabenorientiertem Führungsstil und hohen Fehlzeiten sowie positive Korrelationen von mitarbeiterorientiertem Führungsstil und hoher Anwesenheit.
Eine Zusammenfassung verschiedener Metaanalysen [ 5 ] stellt belastende, demotivierende und tendenziell fehlzeitenfördernde Verhaltensweisen von Führungskräften wie folgt heraus:
- Konzentration auf die Sachaufgaben und Vernachlässigung der Personenaufgaben;
- autoritäres Führungsverhalten;
- zu geringe Anerkennung der Leistung der Mitarbeiter;
- zu häufige und zu unsachliche Kritik;
- Vorenthalten von Informationen;
- mangelnde Vermittlung des Sinns der Arbeit;
- ungerechte Arbeitsverteilung und fehlende Gleichbehandlung der Mitarbeiter;
- zu ausgeprägte Kontrolle und Aufsicht;
- unklare und ständig wechselnde Zielvorgaben und Führungsrichtlinien;
- zu geringe Einarbeitung neuer Mitarbeiter oder von Mitarbeitern in neue Aufgaben;
- zu häufige Versetzung an verschiedene Arbeitsplätze und kurzfristige Änderungen der Tätigkeitsinhalte;
- Nichteinhalten von Versprechen über Entwicklungsmöglichkeiten;
- mangelnde Weiterbildungsangebote;
- mangelnde Berücksichtigung der persönlichen Berufsziele der Mitarbeiter;
- Leistungsziele werden nicht realistisch gesetzt und verursachen dadurch Zeitdruck und Überstunden;
- häufiges Einmischen in Delegationsbereiche (Managementdurchgriff).
1.2 Führungsverhalten als Ressource
Führungskräfteverhalten kann einen gesundheitsfördernden Faktor darstellen. Studien belegen, dass ein ermutigendes Verhalten von Seiten der Vorgesetzten eine erhöhte Effektivität und geringere Spannung der Angestellten zur Folge hat. [ 6 ] Eine andere Studie zeigt, dass sich Führungsqualitäten wie Zielklarheit, Wertschätzung und Respekt positiv auf die Anwesenheitsrate von Mitarbeitern auswirken. Auch die Einstellung der Führungskräfte gegenüber der Mitarbeitergesundheit ist wichtig für die langfristige Implementierung Betrieblicher Gesundheitsförderung. [ 7 ]
Die Fehlzeiten der Mitarbeiter können durch das Führungskräfteverhalten auch positiv beeinflusst werden. Vor allem dann, wenn sich Vorgesetzte zugänglich gegenüber Änderungsvorschlägen der Mitarbeiter zeigen. Positive Auswirkungen auf die Anwesenheitsrate hat es, wenn die Aufgabenverteilung gemeinsam stattfindet und die Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. [ 8 ]
Auch ein positiver Zusammenhang zwischen dem Unterstützungsverhalten der Führungskraft und der Mitarbeitergesundheit ist belegt. Dieser Zusammenhang scheint kein direkter zu sein. Vielmehr wirkt sich ein sozial unterstützendes Führungsverhalten gesundheitsfördernd auf das allgemeine Unterstützungsverhalten in einer Abteilung aus. [ 9 ]
Bei der Beurteilung der Arbeit durch Beschäftigte nimmt das Führungsverhalten ebenso eine wichtige Rolle ein. An erster Stelle innerhalb der Qualitätskriterien lagen dabei Aspekte wie
- die Behandlung "als Mensch" durch Vorgesetzte;
- Vorgesetzte sorgen für eine gute Arbeitsplanung;
- Vorgesetzte vermitteln Anerkennung und konstruktive Kritik;
- Vorgesetzte kümmern sich um fachliche und berufliche Entwicklung;
- Vorgesetzte haben Verständnis für individuelle Probleme. [ 10 ]
2 Gesundheitsförderliche Rollen von Führungskräften
Führungskräfte haben in ihrem Führungsalltag verschieden Funktionen inne. Und – ob sie es wollen, oder nicht – damit erfüllen sie auch im Kontext der Mitarbeitergesundheit unterschiedliche Rollen. Im Folgenden sind diese so dargestellt, wie sie sich im idealen Fall gesundheitsfördernd auf die Mitarbeiter auswirken.
2.1 Gestaltung von Arbeitsbedingungen: Partizipation und Wertschätzung
Gestaltung von Rahmenbedingungen
Aufgrund von Regelungen und Vorgaben sowie durch die Festsetzung von Verfahrenswegen wirken Führungskräfte in dieser Funktion als Gestalter der Arbeitsorganisation und der Arbeitstätigkeit. Mitarbeiter sollten die Möglichkeit haben, auf ihre Arbeitsbedingungen Einfluss zu nehmen, um Reaktanz (= Abwehrreaktion auf psychischen Druck) zu vermeiden.
Sie beeinflussen:
- Ausmaß der Mitarbeiterpartizipation bei Planungs- und Entscheidungsprozessen
- Art der Arbeitsanforderungen
- Ausmaß der Arbeitsbehinderungen
- Gestaltung des Arbeitsumfelds (Ergonomie, …)
Wichtig
Empowerment
"Empowering Leadership" bedeutet eine Führung auf Augenhöhe, Teamarbeit, Vermittlung der Relevanz der Aufgaben sowie Partizipation und Selbstorganisation. Es ist ein Führungsansatz, der darauf abzielt, den Mitarbeitern mehr Verantwortung, Autonomie und Entscheidungsbefugnisse zu übertragen, um sie zu ermächtigen und zu ermutigen, selbstständig zu handeln, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Empowering Leadership fördert die Selbstorganisation, Partizipation und Teamarbeit und verabschiedet sich von einem hierarchischen Führungsverständnis, das auf Druckmitteln zur Durchsetzung von Leistungszielen basiert.
Empowering Leadership trägt zur Gesundheit der Mitarbeiter bei, da es den Mitarbeitern ermöglicht, mehr Kontrolle über ihre Arbeitssituation zu erhalten. Dies kann zu einem Gefühl der Selbstwirksamkeit und des Engagements führen, was wiederum Stress reduzieren und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz verbessern kann. Zudem fördert Empowering Leadership eine offene Kommunikation, Partizipation und Teamarbeit, was das Gefühl der Zugehörigkeit und Unterstützung stärken kann. Durch diese positiven Auswirkungen auf die Arbeitsumgebung und das Arbeitsklima kann Empowering Leadership dazu beitragen, die Gesundheit der Mitarbeiter zu fördern.
Gestaltung von zwischenmenschlichen Beziehungen
Führungskräfte wirken gestaltend auf die zwischenmenschlichen Beziehungen in ihrer Abteilung ein. Durch ihr Sozial- und Führungsverhalten haben sie einen direkten Einfluss auf die Beschäftigten sowie auf andere Vorgesetzte und Kollegen. Sie wirken v. a. ein auf:
- Klima innerhalb der Abteilung,
- Anerkennung von Leistungen,
- faire Beurteilung der Angestellten,
- Gespräch und Gesprächsführung,
- Umgang mit Stress,
- soziale Unterstützung der Mitarbeiter bei der Aufgabenerledigung.
Gute Mitarbeiterführung beinhaltet das präventive Erkennen von Fehlentwicklungen und rechtzeitiges Planen von Interventionsmaßnahmen. Die Führungskraft sollte in der Lage sein, erste Anzeichen von Mobbing oder Burnout bei Mitarbeitern zu erkennen.
Name: LI1502127 Rz:Wichtig
Unterstützung der Mitarbeiter
Durch gegenseitige Unterstützung kann dafür gesorgt werden, dass Mitarbeiter besser mit Belastungen umgehen können. Bei schwierigen Aufgaben ist fachliche Unterstützung nötig, wohingegen monotone Aufgaben mit emotionaler Unterstützung besser bewältigt werden können.
Mitarbeiter, denen eine gewisse Fehlerquote zugestanden wird, empfinden die Anforderungen als weniger belastend. Sie sollten nicht mit schwierigen Aufgaben alleingelassen werden. Sinnvoll sind auch Weiterbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter zur Stressprävention und zum Stressmanagement. Dies wirkt sich belastungsreduzierend aus. Auch demonstrieren Führungskräfte so ihre Wertschätzung. Sie zeigen, dass der Mitarbeiter als wichtigstes Potenzial für den ökonomischen Erfolg eines Unternehmens ernst genommen wird.
[ 1 ] |
Stadler/Spieß, Gesundheitsförderliches Führen – Defizite erkennen und Fehlbelastungen der Mitarbeiter reduzieren, Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin, 2005, S. 384 ff. |
[ 2 ] |
Bertelsmann-Stiftung 2001. |
[ 3 ] |
Cooper/Roden, Mental health and satisfaction amongst tax officers, Social Science and Medicine 1985; S. 474 ff. |
[ 4 ] |
Rosenstiel/Regnet/Domsch (Hrsg.), Führung von Mitarbeitern. Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement, 8. Aufl., 2020. |
[ 5 ] |
Stadler/Spieß, Gesundheitsförderliches Führen – Defizite erkennen und Fehlbelastungen der Mitarbeiter reduzieren, Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin, 2005, S. 384 ff. |
[ 6 ] |
Laschinger/Wong/McMahon/Kaufmann, Leader behaviour impact on staff nurse empowerment, job tension and work effectiveness, Journal of nursing administration, 1999, S. 28 ff. |
[ 7 ] |
Dellve/Skagert/Vilhelmsson, Leadership in workplace health promotion projects: 1– 2-year effects on long-term work attendance, European Journal of Public Health, S. 471 ff. |
[ 8 ] |
Schmidt, Wahrgenommenes Vorgesetztenverhalten, Fehlzeiten und Fluktuation, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 1996, S. 54 ff. |
[ 9 ] |
Wilde/Hinrichs/Schüpbach, Der Einfluss von Führungskräften und Kollegen auf die Gesundheit der Beschäftigten – zwei empirische Untersuchungen in einem Industrieunternehmen, Wirtschaftspsychologie, 2008, S. 100 ff. |
[ 10 ] |
Fuchs, INQA-Bericht. Was ist gute Arbeit? Anforderungen aus der Sicht von Erwerbstätigen. Konzeption und Auswertung einer repräsentativen Untersuchung, 2. Aufl., 2006. |
[ 11 ] |
Macomo/Klasmeier, authentic leadership – for better and for worse? Leader well-Being and inconsistency as moderating factors in the relation between daily authentic leadership and follower well-being, in: European Journal of Work and Organizational Psychology, 2024, S. 1-11, Projektnummer: F 2549. |