Mobbing
Zusammenfassung
Name: LI1505617 Rz:Begriff
Mobbing meint nicht ein schlechtes Betriebsklima, einen gelegentlich ungerechten Vorgesetzten oder den üblichen Büroklatsch. Bei Mobbing wird eine Person systematisch oft und während einer längeren Zeit mit dem Ziel der Ausgrenzung direkt oder indirekt angegriffen. Mobbing kann jeden treffen. Häufig findet es auf der gleichen Hierarchieebene statt, oft von oben nach unten ("Bossing"), gelegentlich aber auch von unten nach oben ("Staffing").
Mobbinghandlungen können Angriffe, Ausgrenzungen oder Verletzungen sein: Da wird z. B. ein Kollege mundtot gemacht oder alle verlassen den Raum, wenn die Kollegin ihn betritt, oder jemand wird ständig als Versager bezeichnet. Auch Attacken gegen die Lebenssituation – hier spielen z. B. Homosexualität oder gesundheitliche Einschränkungen immer wieder eine Rolle – gehören dazu. Doch Mobbing lässt sich nicht auf ein simples Täter-Opfer-Schema reduzieren. Es gibt fast nie den aggressiven Täter, der sich in seinem Arbeitsumfeld ein hilfloses Opfer zum Quälen sucht. In den meisten Fällen entwickelt sich Mobbing aus einem Konflikt heraus. Wer "Täter" und wer "Opfer" ist, bleibt lange unklar. Zu Beginn der Auseinandersetzungen geht es nicht darum, jemanden absichtlich zu mobben. Und oft ist den Gegnern Wirkung ihres Handelns in letzter Konsequenz gar nicht bewusst. Erst mit der Zeit kristallisiert sich heraus, wer sich durch die Belastungssituation verändert und zum Unterlegenen wird.
Gelegentlich wird Mobbing auch von Unternehmensleitungen als "Strategie" eingesetzt, um die Zahl der Arbeitskräfte zu reduzieren.
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung
Bereits 1997 hat das Bundesarbeitsgericht Mobbing als das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte definiert. Schutz- und Handlungsmöglichkeiten gegen Mobbing ergeben sich aus ...
- dem Grundgesetz: Laut Art. 1 ist die Würde des Menschen unantastbar. Art. 2 beinhaltet die freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
- § 2 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Danach stehen Arbeitgeber in der Pflicht, ihre Arbeitnehmer vor arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zu schützen und auf eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit zu achten. Das beinhaltet auch den Schutz vor psychischen Belastungen.
- dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Auch hier findet sich der Begriff Mobbing nicht wörtlich. Allerdings definiert § 3 Abs. 3, dass eine Belästigung dann eine Benachteiligung ist, "wenn die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird". Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, um vor Benachteiligungen zu schützen.
- dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): In § 75 BetrVG sind die Grundsätze festgelegt, wie Betriebsangehörige zu behandeln sind. So ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Persönlichkeitsrechte seiner Mitarbeiter zu schützen. Er hat folglich dafür zu sorgen, dass in seinem Betrieb nicht gemobbt wird.
Bei der Arbeit obliegt dem Arbeitgeber nach § 241 BGB die Fürsorgepflicht. Unternimmt er nichts gegen Mobbing im Unternehmen, kann er deshalb haftbar gemacht werden. Allerdings gibt es im Gegensatz zu anderen Ländern, wie z. B. Frankreich oder Schweden, in Deutschland kein "Anti-Mobbing-Gesetz" und keine speziellen gesetzlichen Regelungen. Es gibt also keinen eigenen Paragrafen im Strafrecht, der Mobbing-Handlungen sanktioniert. Bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung wird deshalb auf die allgemeingültigen Rechtsnormen zurückgegriffen. Folgende Paragrafen können dabei angewandt werden:
- Beleidigung: § 185 StGB,
- Üble Nachrede: § 186 StGB,
- Verleumdung: § 187 StGB,
- Körperverletzung: § 223 StGB
- Sexuelle Belästigung: § 184i StGB,
- Fortdauernde Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems (Cyber-Mobbing): § 107c StGB.
Zwei Beispiele sollen zeigen, in welchen Fällen Betroffene vor Gericht Recht bekommen haben:
2013 erhielt ein Oberarzt 53.000 EUR Schadensersatz wegen Mobbing durch nicht gerechtfertigte Aufgabenentziehung vom Arbeitgeber bzw. Schikanierung und Degradierung. Das Urteil sprach das Arbeitsgericht Leipzig gegen den Chefarzt der Klinik aus (ArbG Leipzig, Az 9 Ca 2854/11).
Das Verwaltungsgericht Halle entschied 2019 auf Verletzung der Fürsorgepflicht im Falle einer städtischen Beamtin. Ihr wurden 23.000 EUR als Schmerzensgeld wegen Persönlichkeitsverletzung sowie zum Ersatz materieller Schäden zugesprochen (VG Halle, 5 A 519/16 HAL).
1 Ursachen von Mobbing
Warum schikanieren Kollegen andere Kollegen, bis diese krank werden? Was treibt einen Chef dazu, einen Mitarbeitenden zu drangsalieren, bis er kündigt? Die Ursachen dafür sind vielfältig. Oft kommen mehrere zusammen. Zu den wichtigsten Auslösern zählen:
- Mängel in der Arbeitsorganisation, z. B. durch unbesetzte Stellen oder mangelhaftes Zeitmanagement;
- Schwächen im Führungsverhalten, z. B. durch mangelnde Vorbildfunktion der Vorgesetzten oder Vernachlässigung der Fürsorgepflicht;
- eine besondere soziale Stellung der Betroffenen, wie z. B. Geschlecht, Nationalität oder Behinderung;
- Schwächen in der betrieblichen Moral, etwa durch Wegschauen bei nicht korrektem Verhalten oder Ignorieren bzw. Duldung von Fehlverhalten.
2.1 Angriffe am Arbeitsplatz
Mobbing beginnt schleichend und ist ein langwieriger Prozess. Durchschnittlich 15 Monate sind Mobbing-Opfer dem Psycho-Terror am Arbeitsplatz ausgesetzt. Häufig werden die Attacken hinter "Scherzen" versteckt, anonym durchgeführt oder mit "objektiven Daten" unterfüttert. So ist Böswilligkeit nur schwer zu beweisen.
2021 gaben bei einer telefonischen Umfrage 7 % der Befragten an, dass sie in den letzten 12 Monaten Mobbing, Schikane oder Gewalt ausgesetzt waren, so das statistische Bundesamt. Besonders häufig kam es zu Beleidigungen und Drohungen. Im gleichen Jahr sagten bei einer Umfrage von YouGov zusammen mit Statista 29 %, dass sie während ihres Arbeitslebens schon einmal am Arbeitsplatz gemobbt worden seien.
Für Mobbing gibt es bisher weder eine einheitliche theoretische Grundlage noch eine zuverlässige Messung. Deshalb greift man auch heute noch auf die Definition des Psychologen Heinz Leymann aus dem Jahr 1995 zurück: "Unter Mobbing wird eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen verstanden, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während einer längeren Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet." Leymann klassifizierte zudem 45 verschiedene Mobbinghandlungen in 5 Gruppen:
- Angriffe auf die Möglichkeiten, sich mitzuteilen,
- Angriffe auf die sozialen Beziehungen,
- Auswirkungen auf das soziale Ansehen,
- Angriffe auf die Berufs- und Lebenssituation,
- Angriffe auf die Gesundheit.
Der Psychologe Axel Esser, der Arbeitsrechtler Martin Wolmerath und der Personalentwickler Klaus Niedl unterteilten die Handlungen im Jahr 2000 in nur 2 Kategorien:
- Mobbing auf der Arbeitsebene und
- Mobbing auf der sozialen Ebene.
Leidensstatistik
Untersuchungen zeigen, worunter Mobbingopfer vor allem leiden: [ 1 ]
- Verbreiten von Gerüchten und Unwahrheiten,
- bewusstes Vorenthalten von Informationen/Weiterleiten von Fehlinformationen,
- Schlechtmachen vor anderen Personen,
- falsche Bewertung der Arbeitsleistung/ungerechte Kritik an der Arbeit,
- ständige Sticheleien/Hänseleien,
- Ausgrenzung/Isolierung/Nichtbeachtetwerden,
- Beleidigungen,
- Arbeitsbehinderung oder -entzug.
2.2 Cyber-Mobbing
Mobbingopfer leiden besonders unter Gerüchten und Unwahrheiten. Eine ideale Plattform dafür ist das Internet bzw. die Sozialen Medien. Findet Mobbing beispielsweise per E-Mail, auf Facebook, Instagram oder auf Videoplattformen wie YouTube statt, spricht man von Cyber-Mobbing. Während Mobbing am Arbeitsplatz meist nur Täter und Opfer sowie das nähere Umfeld betrifft und zeitlich auf den Arbeitsalltag begrenzt ist, sind Beleidigungen, verletzende Fotos oder Filme im Internet einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Sie können von Fremden eingesehen und jederzeit abgerufen werden. Die Opfer wissen oft lange nicht, was im Netz über sie verbreitet wird. Hinzu kommt: Was einmal im Internet steht, lässt sich nur schwer wieder entfernen. Selbst wenn es gelingt, Fotos und Beleidigungen entfernen zu lassen, sind die Opfer nicht davor geschützt, dass andere die Inhalte bereits gespeichert haben und wieder einstellen.
Name: LI11170158 Rz:Wichtig
Phasenmodell
Mobbing läuft fast immer in Phasen ab. Nicht immer werden alle Phasen durchlaufen. Manchmal gelingt es, den Prozess durch ein klärendes Gespräch zu stoppen.
- 1. Phase: Ein Konflikt wird nicht geklärt. Erste Schuldzuweisungen oder einzelne persönliche Angriffe finden statt.
- 2. Phase: Der Psychoterror beginnt: Der eigentliche Konflikt tritt in den Hintergrund. Eine bestimmte Person wird immer häufiger zur Zielscheibe systematischer Schikanen. Sie verliert nach und nach ihr Selbstwertgefühl. Von den Kollegen wird sie mehr und mehr ausgegrenzt.
- 3. Phase: Arbeitsrechtliche Sanktionen treffen den Falschen. Die Angelegenheit eskaliert. Die gemobbte Person verändert sich, kann sich nicht mehr konzentrieren und macht Fehler. Sie fällt auf und wird deshalb abgemahnt, versetzt oder mit Kündigung bedroht.
- 4. Phase: Der Gemobbte geht oder ihm wird gekündigt. Das Ziel des Mobbers oder der Mobber ist erreicht.
[ 1 ] |
BAuA, Mobbing-Report, 2003 sowie Befragung des Markt- und Sozialforschungsinstituts IFAK, 2008. |
[ 2 ] |
BAuA, Mobbing-Report, 2003. |
[ 3 ] |
Dr. Martin Resch vom Institut für Arbeitspsychologie und Arbeitspädagogik (IAP) in einer DGB-Information. |
[ 4 ] |
Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Soziale Beziehungen, BAuA-Projektbericht, 2016. |