HI520342

Aufhebungsvertrag

LI1097876

Zusammenfassung

Name: LI1097877 Rz:

Begriff

In beiderseitigem Einverständnis kann ein Arbeitsverhältnis jederzeit durch einen Aufhebungsvertrag sofort oder unter Einhaltung einer Frist (oftmals der Kündigungsfrist) beendet werden. Die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform muss in jedem Fall beachtet werden.

Im Unterschied zu einer bloßen Ausgleichsquittung oder einem nach Ausspruch einer Kündigung geschlossenen "Abwicklungsvertrag" beenden der Aufhebungsvertrag und auch der nach einer Kündigung vor dem Arbeitsgericht geschlossene Prozessvergleich das Arbeitsverhältnis unmittelbar.

Name: LI1097878 Rz:

Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Arbeitsrecht: Die wichtigsten Regelungen zum Aufhebungsvertrag finden sich in den §§ 126, 145157 und 623 BGB.

HI941128

Arbeitsrecht

HI3401243

1 Gestaltungsmittel Aufhebungsvertrag

Vor- und Nachteile eines Aufhebungsvertrags

Ein Arbeitsverhältnis kann bei Einverständnis beider Vertragsparteien jederzeit durch einen schriftlichen Aufhebungsvertrag (im allgemeinen Sprachgebrauch auch "Auflösungsvertrag") beendet werden.

Gesetzliche Einschränkungen bestehen hierfür nicht. Es müssen dabei weder der allgemeine noch der besondere Kündigungsschutz beachtet werden. Auch unterliegt die Vereinbarung eines Aufhebungsvertrags nicht der Mitbestimmung eines Betriebs- bzw. Personalrats oder einer Schwerbehindertenvertretung.

Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags ohne einen wichtigen Grund kann die Agentur für Arbeit allerdings dazu veranlassen, eine Sperrzeit festzustellen, die ein Ruhen der Ansprüche auf Entgeltersatzleistungen für einen bestimmten Zeitraum zur Folge hat. Gleiches gilt, wenn bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag die maßgebliche Kündigungsfrist nicht eingehalten wurde.

Arbeitgeberseitig veranlasste Aufhebungsverträge sind als anzeigepflichtige Beendigungstatbestände bei Massenentlassungen anzeigepflichtig. [ 2 ]

Gebot fairen Verhandelns

Der Arbeitgeber kann frei darüber entscheiden, wem er den Abschluss eines Aufhebungsvertrags anbietet. Gibt er dem Arbeitnehmer ausreichend Bedenkzeit für eine Beratung, gilt grundsätzlich das Prinzip der Selbstverantwortung: Es ist Sache des Arbeitnehmers, sich über ggfs. negative Auswirkungen seiner Entscheidung selbst zu informieren.

Bei den Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags gilt das Gebot fairen Verhandelns. [ 3 ] Dieses Gebot wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft oder ausnutzt, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss des Vertrags erheblich erschwert oder unmöglich macht. Der unfair behandelte Vertragspartner ist dann so zu stellen, als hätte er den Vertrag nicht geschlossen. Das hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden muss. [ 4 ]

Ob in einer konkreten Verhandlungssituation dieses Mindestmaß an Fairness ausnahmsweise nicht mehr gewahrt wurde, ist stets anhand der Gesamtumstände im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden.

Prüfungsmaßstab ist in diesem Fall der eines "verständigen Arbeitgebers". So ist die Drohung mit einer (außerordentlichen) Kündigung dann widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber bei dem in Rede stehenden Sachverhalt eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Dieser Prüfungsmaßstab gilt auch dann, wenn aufseiten des Arbeitgebers bei Ausspruch der Drohung ein Rechtsanwalt zugegen ist oder dieser die Drohung mit einer (außerordentlichen) Kündigung selbst ausspricht.

Das Gebot fairen Verhandelns ist nicht allein deswegen verletzt, weil der Arbeitgeber den von ihm angebotenen Aufhebungsvertrag gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur sofortigen Annahme unterbreitet. Dass der Arbeitnehmer dieses Angebot nur sofort annehmen kann und daher entgegen einer gegebenenfalls geäußerten Bitte keine (weitere) Bedenkzeit erhält und/oder keinen Rechtsrat einholen kann, ist ein im Rahmen von Vertragsverhandlungen zulässiger Druck und nicht unfair.

[ 5 ]

HI941129

2 Zustandekommen

Ein Aufhebungsvertrag kommt – wie andere Verträge auch – durch Angebot und Annahme zustande. [ 6 ] Aufhebungsverträge bedürfen gem. § 623 BGB zur Wirksamkeit der Schriftform nach § 126 BGB.

Die elektronische Form nach § 126a BGB ist ausgeschlossen. Dies gilt unverändert auch nach Inkrafttreten des IV. Bürokratieentlastungsgesetzes zum 1.1.2025. [ 7 ]

Ein ohne Einhaltung der Schriftform abgeschlossener Aufhebungsvertrag ist unwirksam [ 8 ] , trotz der Möglichkeit, einen Arbeitsvertrag durch mündliche Absprache, formfrei begründen zu können. Das Schriftformerfordernis gilt auch für einen Abwicklungsvertrag, welcher dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gewährt, vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. [ 9 ]

Besonderheiten sind zu beachten, wenn ein Aufhebungsvertrag mit einem Minderjährigen geschlossen wird. Grundsätzlich ist dazu die Einwilligung bzw. Genehmigung des Erziehungsberechtigten erforderlich. [ 10 ] Hat der Minderjährige jedoch den Arbeitsvertrag mit einer Ermächtigung des Erziehungsberechtigten geschlossen, so kann er im Rahmen des § 113 BGB auch den Aufhebungsvertrag schließen, sofern die Ermächtigung nicht zurückgenommen wurde. Das gilt allerdings nicht in einem Berufsausbildungsverhältnis. In diesem Fall ist die schriftliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters notwendig. [ 11 ]

HI1692317

3 Inhalt

Übliche Regelungen

Den Inhalt des Vertrags können die Vertragsparteien frei gestalten. Üblicherweise werden Regelungen zu folgenden Sachverhalten getroffen:

  • Beendigungszeitpunkt,

    Name: LI16708977 Rz:

    Hinweis

    "Turboklausel" bzw. "Sprinterklausel"

    Oftmals wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt, auf eigenen Wunsch unter Einhaltung einer bestimmten Ankündigungsfrist (bspw. 2 Wochen zum Ende eines Kalendermonats) vor dem vereinbarten Beendigungszeitpunkt aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Regelmäßig wird für diesen Fall auch die Erhöhung einer vereinbarten Abfindungszahlung um das aus Arbeitgebersicht dadurch ersparte monatliche Entgelt zugesagt.

  • Freistellung von der Arbeit unter Anrechnung auf Urlaub und sonstige Ansprüche mit Zeiten bezahlter Freistellung,
  • Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes entsprechend den §§ 9, 10 KSchG,
  • offene Vergütungsansprüche, einschließlich etwaiger Gratifikationen und Variablen sowie
  • Arbeitszeugniserteilung.

    Name: LI16708978 Rz:

    Achtung

    Folgestreitigkeiten vermeiden

    Die Pflicht zur Zeugniserteilung bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers ergibt sich bereits aus dem Gesetz. [ 12 ] Zur Vermeidung von Folgestreitigkeiten sollten jedoch Regelungen hinsichtlich der Gesamtbewertung und optionaler Zeugnisbausteine (bspw. der "Dankes-, Bedauerns- und Gute Wünsche-Formel" als Schlussabsatz) ausdrücklich vereinbart werden.

    Name: LI16708979 Rz:

    Praxis-Beispiel

    Zeugniserteilung

    "Der Arbeitgeber erteilt dem Arbeitnehmer zum Beendigungstermin ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, in welchem die Formulierung der Leistungs- und Führungsbeurteilung der Note "gut" entspricht und das am Schluss eine übliche "Bedauerns-, Dankes- und Gute-Wünsche-Formel" enthält".

Weiterhin empfehlen sich konkrete Bestimmungen

  • zur Rückgabe bzw. Übergabe von Arbeitsmitteln und Dokumenten/Daten,
  • hinsichtlich der Weiternutzung (oder Übernahme) von Firmenwagen, geleasten E-Bikes, Telekommunikationseinrichtungen u. ä.,
  • zur Weitergeltung einer Verschwiegenheitsklausel auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses,
  • über die Herausgabe bzw. die Übermittlung der Arbeitspapiere sowie
  • zur Aufnahme einer allgemeinen Erledigungsklausel, nach der mit Erfüllung dieser Vereinbarung sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, vollumfassend erledigt sind.

    Name: LI16708980 Rz:

    Achtung

    Ausnahmen ausdrücklich benennen

    Dies gilt für alle Ansprüche, die von der Erledigung nicht erfasst werden sollen oder aus rechtlichen Gründen nicht erfasst werden können. Zum Beispiel alle Ansprüche aufgrund des Aufhebungsvertrags, auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Handlung. Ferner solche aus unverzichtbaren, gesetzlichen Vorschriften wie z. B. Ansprüche auf den gesetzlichen Mindesturlaub oder Mindestlohn, unverfallbare Anwartschaften aus Zusagen einer betrieblichen Altersversorgung, etc.

Weitere, optionale Regelungen

  • Nachvertragliches Wettbewerbsverbot, vgl. §§ 74 ff. HGB

    Name: LI16708992 Rz:

    Hinweis

    Karenzentschädigung

    Verbindlich ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nur bei Zusage einer Karenzentschädigung. Diese muss mindestens in Höhe der Hälfte der zuletzt vertragsmäßig bezogenen Leistungen für die Dauer des Verbots gewährt werden. [ 13 ] Eine realistische Einschätzung von Kosten und (wirtschaftlichem) Nutzen ist daher zwingend erforderlich!

  • Outplacementberatung

    Name: LI16708993 Rz:

    Hinweis

    Berufliche Neuorientierung

    Zur Unterstützung der beruflichen Neuorientierung kann arbeitgeberseitig die Übernahme von Beratungskosten für einen externen Dienstleister zugesagt werden. Empfehlenswert ist dabei eine vorherige, arbeitgeberseitige Festlegung der Auswahl und Beauftragung des Dienstleisters sowie dessen maximale Beratungsdauer.

Beendigungszeitpunkt

Eine Rückdatierung des Beendigungszeitpunkts ist nur möglich, wenn das Arbeitsverhältnis bereits außer Vollzug gesetzt wurde. [ 14 ] Anderenfalls wird von einem sog. "faktischen Arbeitsverhältnis" ausgegangen. Auch falls ein Arbeitnehmer zwar nicht gearbeitet, aber seine Arbeitskraft angeboten hat, ist das Arbeitsverhältnis gleichwohl "in Vollzug" gesetzt worden. [ 15 ] Wird dann zurückdatiert, ist der Aufhebungsvertrag zwar unwirksam, kann aber nach § 140 BGB umgedeutet werden in einen Aufhebungsvertrag, der das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Abschlusses beendet. [ 16 ] Ein solcher Vertrag wird jedoch meist mit sozialversicherungsrechtlichen Nachteilen verbunden sein.

Die Einhaltung der für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Kündigungsfrist ist anzuraten, wenn Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld vermieden werden sollen. Auf die Pflicht des Arbeitnehmers, sich frühzeitig persönlich bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden, sollte der Arbeitgeber hinweisen (vgl. aber unten 4.).

Wird die maßgebliche Kündigungsfrist im Aufhebungsvertrag um ein Vielfaches überschritten, ist nach Auffassung des BAG [ 17 ] u. U. auch von einem befristeten Vertrag im Sinne des TzBfG auszugehen. Dann ist aber für die Wirksamkeit der unterstellten Befristungsabrede ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG erforderlich. Entscheidend für die Einordnung des Vertrags ist nach der obigen Entscheidung des BAG eine Gesamtwürdigung der Umstände. Enthält die Vereinbarung auch Regelungen, wie sie in einem Aufhebungsvertrag regelmäßig getroffen werden (z. B. Freistellungen, Urlaubsregelungen, Abfindungen), spricht dies trotz deutlicher Überschreitung der maßgeblichen Kündigungsfrist mehr für einen Aufhebungsvertrag (im Fall des BAG endete das Arbeitsverhältnis 1 Jahr nach Abschluss des Vertrags, während die maßgebliche Kündigungsfrist 1 Monat zum Monatsende betrug).

[ 1 ]

§ 159 SGB III; s. Arbeitslosenversicherung.

[ 2 ]
[ 3 ]
[ 4 ]
[ 5 ]
[ 6 ]
[ 7 ]

BGBl. I 2024, Nr. 323 v. 29.10.2024.

[ 8 ]
[ 9 ]
[ 10 ]
[ 11 ]
[ 12 ]
[ 13 ]
[ 14 ]
[ 15 ]
[ 16 ]
[ 17 ]
[ 18 ]
[ 19 ]
[ 20 ]

BAG, Urteil v. 18.2.2020, 3 AZR206/18.

[ 21 ]
[ 22 ]

§ 144 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 6 SGB III.

[ 23 ]

Die Bundesagentur für Arbeit hat hierzu auf ihrer Homepage auch eine Formulierungshilfe für Arbeitgeber veröffentlicht.

[ 24 ]
[ 25 ]
[ 26 ]
[ 27 ]
[ 28 ]
[ 29 ]
[ 30 ]
[ 31 ]
[ 32 ]
[ 33 ]
[ 34 ]
[ 35 ]
[ 36 ]
[ 37 ]
[ 38 ]
[ 39 ]
[ 40 ]
[ 41 ]