LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 07.02.2023 - 8 Sa 392/21
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kurzarbeit und Direktionsrecht des Arbeitgebers. Transparenzgebot bei individualarbeitsrechtlich vorformulierten Kurzarbeitsklauseln. Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen. Annahmeverzug des Arbeitgebers bei Kurzarbeit. Bewilligung von Kurzarbeitergeld ohne Präjudiz für die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Kurzarbeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Kurzarbeit ist die vorübergehende Kürzung des Volumens der regelmäßig geschuldeten Arbeitszeit bei anschließender Rückkehr zum vereinbarten Zeitumfang. Die Einführung von Kurzarbeit bedarf einer besonderen normativen oder einzelvertraglichen Grundlage. Allein das Direktionsrecht des Arbeitgebers ist kein geeignetes Instrument, die vertragliche Vergütungspflicht einzuschränken.
2. Im Rahmen der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen besteht in der Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass individualarbeitsrechtliche, vorformulierte Kurzarbeitsklauseln angemessen und transparent i.S.d. §§ 307, 310 Abs. 4 Satz 2 BGB sein müssen.
3. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit.
4. Hat der Arbeitgeber Kurzarbeit angeordnet, ist ein wörtliches Angebot der Erbringung der Arbeitsleistung ausreichend, aber auch notwendig. Der Arbeitnehmer muss zumindest gegen die Anordnung der Kurzarbeit protestieren und damit seine Arbeitsleistung wörtlich anbieten.
5. Die Überprüfung der Anordnung von Kurzarbeit ist nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil die Agentur für Arbeit Kurzarbeitergeld bewilligt hat wie oben ausgeführt. Denn die §§ 95 ff. SGB III setzen die arbeitsrechtliche Zulässigkeit der Anordnung von Kurzarbeit ihrerseits voraus. Eine Entscheidung der Agentur für Arbeit erlaubt keine Aussage über die arbeitsrechtliche Wirksamkeit der Anordnung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber.
Normenkette
BGB §§ 307, 315, 615; GewO § 106 S. 1; SGB III § 95; BGB §§ 293-294, 310 Abs. 4 S. 2, § 611a Abs. 2; KSchG §§ 1-2
Tenor
-
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 9. September 2021, Az. 10 Ca 628/21, teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat November 2020 weitere 746,96 EUR brutto nebst Zinsen hieraus iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 2. Dezember 2020 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Dezember 2020 weitere 1.145,26 EUR brutto nebst Zinsen hieraus iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 4. Januar 2021 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Januar 2021 weitere 1.011 EUR brutto iHv. Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 2. Februar 2021 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen
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II.
Die Kosten des Rechtstreits für die erste Instanz haben die Beklagte zu 3/7 und der Kläger zu 4/7 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 1/10 und die Beklagte zu 9/10 zu tragen.
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III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für den Zeitraum von November 2020 bis Januar 2021 die Differenz zwischen Kurzarbeitergeld und Gehalt nachzuzahlen.
Die Beklagte ist ein Unternehmen, das Gerüste, Brücken und Dockanlagen aus Aluminium herstellt. Bei der Beklagten besteht kein Betriebsrat. Der Kläger ist als Metallfacharbeiter seit dem Jahr 2013 bei der Beklagten in der Serienproduktion zu einem Stundenlohn von 11,46 EUR brutto beschäftigt. Bis Oktober 2021 war er unstreitig überwiegend im Belagbau und nur in geringem Umfang in der Verpackung eingesetzt. Der Kläger leidet unter Asthma (vgl. ärztliche Bescheinigung v. 29. September 2016, Bl. 43 dA).
Unter dem 23. März 2020 vereinbarten die Parteien in einem den Mitarbeitern von der Beklagten zur Unterzeichnung vorgelegten "Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 26.09.2013" (Bl. 21 dA) Nachfolgendes:
"Der Arbeitgeber ist berechtigt, Kurzarbeit anzuordnen, wenn ein erheblicher, aus wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhender Arbeitsausfall vorliegt, und er dies bei der Agentur für Arbeit angezeigt hat. Im Fall der Einführung von Kurzarbeit ist der Arbeitnehmer mit der vorübergehenden Verkürzung seiner individuellen Arbeitszeit sowie der dementsprechenden Reduzierung seiner Vergütung einverstanden, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld erfüllt sind. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer gegenüber eine Ankündigungsfrist von 3 Wochen einzuhalten."
Mit Schreiben vom 9. Oktober 2020 (Bl. 6 dA) kündigte die Beklagte ihren Mitarbeitern Kurzarbeit für die Zeit ab November 2020 wegen saisonal bedingten Rückgängen bei den Gerüstverkäufen an. Mit den betroffenen Mitarbeitern würden rechtzeitig Einzelgespräche geführt. Später wurde dem Kläger mündlich mitgeteilt, er sei von der Kurzarbeit betroffen und würde ab dem 1. November 2020 in Kurzarbeit "Null" gehen.
Der entsprechend von der Beklagten gestellte Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit wurde bewilligt und sodann das beantragte Kurzarbeitergeld ausgezahlt. Im Einzelnen verteilte sich die Kurzarbeit auf die Arbeitnehmer der Beklagten wie folgt:
Kurzarbeit |
||||||||
Name |
Abteilung |
körp. voll belastbar |
Tätigkeiten |
Nov 20 |
Dez 20 |
Jan 21 |
Feb 21 |
Mrz 21 |
E. |
Automation |
ja |
Roboter u. Rohrlaser |
nein |
nein |
nein |
nein |
nein |
F. |
Serie |
ja |
Stanzen, Verpacken, Montage u. Maschinenbedienung |
nein |
nein |
nein |
nein |
nein |
G. |
Serie |
nein |
Schweißer u. Maschinenbediener |
ja |
ja |
ja |
ja |
ja |
H. |
Serie |
ja |
Belagbau |
ja |
ja |
ja |
ja |
ja |
A., |
Serie |
nein |
Belagbau |
ja |
ja |
ja |
ja |
ja |
I. |
Serie |
ja |
Schweißer |
ja |
ja |
ja |
ja |
ja |
J. |
Serie |
ja |
Verpackung, Schweißer u. Maschinenbediener |
ja |
ja |
ja |
ja |
ja |
K. |
Serie |
ja |
Konstruktionsmechaniker |
nein |
nein |
nein |
nein |
nein |
L. |
Sonderbau |
ja |
Konstruktionsmechaniker |
nein |
nein |
nein |
nein |
nein |
M. |
Sonderbau |
ja |
Konstruktionsmechaniker |
ja |
nein |
ja |
nein |
nein |
N. |
Sonderbau |
ja |
Konstruktionsmechaniker |
nein |
nein |
nein |
nein |
nein |
O. |
Sonderbau u. Serie |
ja |
Stv. Schweißaufsicht |
nein |
nein |
nein |
nein |
nein |
P. |
Sonderbau u. Serie |
ja |
Schweißer u. Maschinenbediener |
ja |
nein |
nein |
nein |
nein |
Q. |
Sonderbau u. Serie |
ja |
Magazinverwaltung, Abladen von Lkws u. Sägen |
ja |
ja |
ja |
ja |
ja |
R. |
Sonderbau u. Serie |
ja |
Zerspannungsmechaniker |
nein |
nein |
nein |
nein |
nein |
S. |
Sonderbau u. Serie |
ja |
Zerspannungsmechaniker |
nein |
nein |
nein |
nein |
nein |
T. |
Sonderbau u. Serie |
ja |
Schweißer, Monteur u. Maschinenbediener |
nein |
nein |
nein |
nein |
nein |
U. |
Sonderbau u. Serie |
ja |
Zerspannungsmechaniker |
nein |
nein |
nein |
nein |
nein |
V. |
Sonderbau u. Serie |
ja |
Säger |
nein |
nein |
nein |
nein |
nein |
W. |
Sonderbau u. Serie |
ja |
Schweißer |
nein |
nein |
nein |
nein |
nein |
X. |
Verpackung |
ja |
Verpackung |
ja |
ja |
ja |
ja |
ja |
Y. |
Verpackung |
ja |
Verpackung |
ja |
ja |
ja |
ja |
ja |
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass auch in den Monaten November 2020 - Januar 2021 Beläge gefertigt wurden. Unter anderem wurde dazu Herr W. eingesetzt. Unstreitig ist auch, dass der sonst ebenfalls im Belagbau tätige Herr H. während des gesamten Kurzarbeitszeitraums arbeitsunfähig war. Nach dem Vortrag der Beklagten reichte er vor und nach Einführung der Kurzarbeit stets Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein, die jeweils lediglich einen Zwei-Wochenzeitraum umfassten.
Am 6. November 2020 suchte der Kläger persönlich den Betrieb auf und sah dort Herrn W. im Belagbau arbeiten. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 10. November 2020 (Bl. 8 f. dA) teilte der Kläger der Beklagten mit, seiner Ansicht nach sei für ihn rechtswidrig Kurzarbeit angeordnet worden und forderte "ordnungsgemäße Beschäftigung". Dies wies die Beklagte mit E-Mail vom 11. November 2020 zurück (Bl. 10 dA). Mit Schreiben vom 11. November 2020 wurde dem Kläger untersagt, ohne vorherige Terminsabsprache im Betrieb zu erscheinen.
Die Beklagte rechnete für den Monat November 2020 für 168 Stunden Kurzarbeitergeld iHv. 815,68 EUR brutto (Bl. 11 dA), für den Monat Dezember 2020 für 176 Stunden Kurzarbeitergeld iHv. 828,19 EUR brutto (Bl. 12 dA) sowie für den Monat Januar 2021 für 160 Stunden Kurzarbeitergeld iHv. 827,00 EUR brutto (Bl. 13 dA) ab und zahlte den jeweiligen Nettobetrag an den Kläger aus. Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage die Zahlung der Differenz zwischen dem vollen Bruttogehalt und dem abgerechneten Kurzarbeitergeld.
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen,
es hätten Ende Oktober noch etliche Arbeiten im Belagbau offen gestanden. Die Anordnung von Kurzarbeit "Null" sei daher für ihn nicht nachvollziehbar. Die Firmen Z. und ZA. hätten mit einem Vorlauf von mehreren Wochen Arbeitsbühnen bestellt. Es seien je 100 Arbeitsbühnen sowohl im November als auch im Dezember 2020 angefertigt worden. Damit sei in beiden Monaten Arbeit für jeweils mindesten zwei Wochen für ihn vorhanden gewesen.
Aufgrund der schon vor der Kurzarbeit bestehenden Arbeitsunfähigkeit des einzigen anderen auf den Belagbau spezialisierten Arbeitnehmers, Herr H., sei es willkürlich für ihn Kurzarbeit "Null" anzuordnen, während andere Arbeitnehmer in Vollzeit weiter in der Produktion arbeiteten und seine Arbeit miterledigten. Damit habe die Beklagte gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Es gebe auch andere Einsatzmöglichkeiten für ihn außerhalb des Belagbaus, was dadurch belegt werde, dass er am 16. und 17. August 2021 mit diversen anderen Tätigkeiten beschäftigt worden sei, während ein Leiharbeitnehmer auf seinem Arbeitsplatz eingesetzt worden sei. Die Beklagte habe das Instrument der Kurzarbeit nutzen wollen, um ihr unangenehme Arbeitnehmer zu benachteiligen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Monat November 2020 weitere 1.114,64 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.12.2020 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Monat Dezember 2020 weitere 1.145,26 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.01.2021 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Monat Januar 2021 weitere 1.011,00 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.02.2021 zu zahlen;
- festzustellen, dass dem Kläger zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage noch 9 Tage Resturlaub aus dem Jahr 2020, sowie 28 Urlaubstage für das Jahr 2021 zustehen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen,
die Voraussetzungen der Kurzarbeit lägen vor. Das Arbeitsgericht dürfe angesichts der wirksamen Anordnung von Kurzarbeit keine dem Bescheid der Agentur für Arbeit entgegengesetzte Entscheidung treffen. Zumindest liege ein prima fascie Beweis für die Rechtmäßigkeit vor.
Es gebe keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die komplette Abteilung des Klägers sei von Kurzarbeit betroffen gewesen. Nur bei einer Mitarbeiterin habe die Kurzarbeit vermieden werden können, weil sie sehr viele unterschiedliche Tätigkeiten im Betrieb ausübe. In der Abteilung Serie seien neben dem Kläger die Mitarbeiter I., H. und G. zu 100 % von Kurzarbeit betroffen gewesen, weil sie wie der Kläger in ihren Fähigkeiten und somit in ihren möglichen Tätigkeiten auf eine der beiden Schwerpunktarbeiten begrenzt seien: Schweißen (I. und G.) oder Belagbau (H. und der Kläger). In der Verpackung habe der Kläger nicht eingesetzt werden können, weil die Verpacker selbst von Kurzarbeit betroffen waren. In den Vorjahren seien Versuche gescheitert, den Kläger an den Stanzen einzusetzen. Außerdem sei er wegen seines Asthmas nicht in der Lage Tätigkeiten auszuführen, die mit kurzen Taktzeiten oder mit dem Heben von mehr als 20 kg verbunden seien. Mit der Abteilung Sonderbau habe der Kläger nichts zu tun. Er sei dort nicht einsetzbar. Auch dort seien Mitarbeiter betroffen gewesen (Herr M., Herr Q. und Herr P.). Dies seien zu einem Zeitraum mit geringerem Bestelleingang schlechte Voraussetzungen gewesen, um den Kläger mit anderen Tätigkeiten auszulasten.
In geringem Maße seien bei Eingang kurzfristiger Bestellungen weiterhin Beläge gefertigt worden. Dies sei durch Mitarbeiter erfolgt, die auch andere Tätigkeiten im Betrieb hätten ausführen können. Diese Mitarbeiter seien ohnehin im Betrieb anwesend gewesen und hätten nicht mit einem vorgeschriebenen Vorlauf für die entsprechende Benachrichtigung von zwei Wochen erst aus der Kurzarbeit geholt werden müssen. Auch sei der Kläger seit Dezember immer wieder krankgeschrieben gewesen, so dass er nicht langfristig planbar gewesen sei. Für die Firma ZA seien 100 Beläge während der Kurzarbeit erstellt worden. Dabei habe man 3,5 Beläge pro Stunde montiert. Die Montagetätigkeit finde nach dem Schweißen statt. Bei einem 8-Stunden-Arbeitstag bedeute dies ein Auslastung von 3,5 Arbeitstagen. Nur 10,4 % der für die Firma WiederkehrZ. gefertigten Beläge seien sogenannte Durchstiegsbeläge gewesen, die auch vom Kläger hergestellt werden könnten. Alle anderen Beläge hätten reine Schweißkonstruktionen dargestellt, die der Kläger nicht fertigen könne. Herr W. sei hauptsächlich mit Schweißerarbeiten beschäftigt gewesen und habe nur in sehr geringem Umfang Beläge gefertigt.
Da unstreitig die Voraussetzungen der Kurzarbeit vorgelegen hätten, sei es zulässig gewesen, alle anfallenden Arbeiten mit Arbeitnehmern auszuführen, die aufgrund ihrer Fähigkeiten und Qualifikationen vielseitig einsetzbar sind.
Die geltend gemachten Zahlungsansprüche bestünden außerdem schon deswegen nicht, weil die Voraussetzungen des Annahmeverzugs nicht vorlägen. Der Kläger habe seine Arbeit am 6. November 2020 nicht persönlich im Betrieb angeboten, sondern die anderen Mitarbeiter von der Arbeit abgehalten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit hier ergänzend in Bezug genommenem Urteil vom 9. September 2021 abgewiesen und dies - zusammengefasst - wie folgt begründet:
Dem Kläger stünden keine Annahmeverzugslohnansprüche zu, weil die Beklagte auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarung vom 23. März 2021 wirksam Kurzarbeit "Null" für die Monate November 2020 bis Januar 2021 eingeführt habe.
Die Vereinbarung vom 23. März 2021 stelle eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne der §§ 305 ff. BGB dar, halte einer Inhaltskontrolle aber stand. Insbesondere sei sie angemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, da sie eine Ankündigungsfrist von drei Wochen enthalte und die Anordnung von Kurzarbeit an das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zahlung des Kurzarbeitergeldes gemäß § 96 SGB III koppele.
Die vereinbarten Voraussetzungen zur Einführung von Kurzarbeit hätten aufgrund des saisonalen Rückgangs beim Gerüstbau und damit einhergehendem erheblichem Arbeitsausfall, der die Voraussetzungen zur Bewilligung von Kurzarbeitergeld nach dem SGB III erfüllte, unstreitig vorgelegen. Die Einführung von Kurzarbeit "Null" gegenüber dem Kläger und damit die konkret getroffene Auswahl wahre nach objektiver Betrachtung die Grenzen des billigen Ermessens gemäß § 315 Abs. 1 und Abs. 3 BGB. Dem Interesse des Klägers, weiterhin in Vollzeit mit vollem Lohnanspruch zu arbeiten, habe zum einen das Interesse der anderen Arbeitnehmer gegenübergestanden, möglichst nicht von Kurzarbeit betroffen zu werden. Zum anderen sei auf Seiten des Arbeitgebers das unternehmerische Interesse zu berücksichtigen gewesen, die noch verbleibende Arbeit im Betrieb im Rahmen der Kurzarbeit so zu verteilen, dass effizient eine reibungslose Produktion in geringerem Umfang möglich sei. Der Arbeitgeberin stehe die unternehmerische Entscheidung zu, wie sie die verbleibende Arbeitszeit unter Beachtung der widerstreitenden Interessen aufteile. Die Organisationsentscheidung könne nicht auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüft werden. Die Beklagte habe zur Wahrung der Grenzen billigen Ermessens nicht die Kurzarbeit auf alle 22 Beschäftigten gleichmäßig verteilen müssen. Ebenso wenig sei sie verpflichtet gewesen, dem Kläger die verbleibenden Tätigkeiten im Belagbau zu belassen. Der Kläger behaupte nicht, dass die im Rahmen der Kurzarbeit angefallene Arbeit im Belagbau von den verbleibenden Arbeitnehmern nicht ohne überobligatorische Belastung mitgemacht werden konnte. Daher entspreche es den Grenzen billigen Ermessens, die verbleibende Arbeit anders als in dem Umfang des konkret in der einzelnen Tätigkeit anfallenden Zeitvolumens auf die Arbeitnehmerschaft aufzuteilen, solange - wie hier - keine willkürliche Entscheidung bei der Auswahl der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmern vorliege. Der Entscheidung der Beklagten zur Auswahl der in Kurzarbeit "Null" gesetzten Arbeitnehmer hätten nicht zu beanstandende sachgerechte Erwägungen zu Grunde gelegen. So habe sie sich dafür entschieden, im Kurzarbeitszeitraum die anfallenden Arbeiten mit denjenigen Arbeitnehmern auszuführen, die aufgrund ihrer Fähigkeiten und Qualifikationen quasi als "Allrounder" einsetzbar seien und alle aufgrund ihrer Fähigkeiten und Qualifikationen allein in Schwerpunktaufgaben einsetzbaren Arbeitnehmer in Kurzarbeit "Null" gesetzt. Unstreitig habe es für den Kläger außerhalb seiner Tätigkeit im Belagbau und aushilfsweise in der Verpackung keine weitergehenden Einsatzmöglichkeiten gegeben. Dementsprechend verweise der Kläger auch nur darauf, dass er die in verringertem Umfang angefallenen Arbeiten im Bereich Belagbau hätte ausführen können.
Schließlich habe der Kläger auch keinen Anspruch auf den vollen Lohn aus § 611a Abs. 2 BGB iVm. dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Es fehle bereits an der erforderlichen Vergleichbarkeit. Der Kläger sei wegen seiner eingeschränkten Einsetzbarkeit sowie seiner gesundheitlichen Belastung nicht mit den in den Monaten November 2020 bis Januar 2021 weiter beschäftigten Arbeitnehmern vergleichbar.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 9. September 2021 ist dem Kläger am 1. Oktober 2021 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 26. Oktober 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und die Berufung mit am 30. November 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 29. November 2021 begründet.
Zur Begründung der Berufung nimmt der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag in Bezug und trägt darüber hinaus nach Maßgabe der Berufungsbegründungsschrift zusammengefasst wie folgt vor:
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts verkenne sowohl das Gleichbehandlungsgebot als auch das Maßregelungsverbot. Hintergrund der Entscheidung der Beklagten zur Verteilung der Kurzarbeit sei gewesen, dass der Kläger nach einem Wechsel in der Position des Geschäftsführers der Beklagten mehrmals auf die ihm zustehenden Rechte habe hinweisen müssen und sich - wie auch andere inzwischen ausgeschiedene Mitarbeiter -- unbeliebt gemacht habe. Es seien nahezu ausschließlich Arbeitnehmer auf Kurzarbeit "Null" gesetzt worden, die dem Geschäftsführer wegen Geltendmachung ihrer Arbeitnehmerrechte negativ aufgefallen seien.
Es könne unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht sein, dass ein Arbeitnehmer auf Kurzarbeit "Null" gesetzt werde, während ein anderer Arbeitnehmer weiterhin in Vollzeit beschäftigt sei und in diesem Rahmen erhebliche Arbeiten übernehme, die am Arbeitsplatz des anderen anfallen. Auch sei nicht unstreitig, dass er nur sehr begrenzt einsetzbar sei. Ihm werde seit dem Ende der Kurzarbeit die Einnahme seines alten Arbeitsplatzes verweigert. Jeden Morgen werde er auf einen anderen Arbeitsplatz verwiesen. Die Beklagte habe ihm mitgeteilt, dass er nach seinem Arbeitsvertrag keinen festen Arbeitsplatz habe und in allen Abteilungen des Betriebs eingesetzt werden dürfe (E-Mail vom 8. Oktober 2021, Bl. 136 dA).
Die Beklagte befinde sich von Beginn der offensichtlich rechtswidrigen Kurzarbeit an im Annahmeverzug. Er habe sich erst rechtskundig machen müssen. Am Freitag, dem 6. November 2020, habe er persönlich den Betrieb aufgesucht und sich zu seinem Arbeitsplatz begeben, um seine Arbeit anzubieten und bei Annahme unverzüglich aufzunehmen. Ihm sei die Arbeitsaufnahme allerdings verweigert worden. Am Dienstag, dem 10. November 2020, habe der Geschäftsführer der Beklagten morgens um 11:24 Uhr per Fax das Schreiben vom gleichen Tag erhalten, in dem er ordnungsgemäße Beschäftigung gefordert habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 9. September 2021, Az. 10 Ca 628/21, teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
- an den Kläger für den Monat November 2020 weitere 1.114,64 EUR brutto nebst Zinsen hieraus iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 1. Dezember 2020 zu zahlen;
- an den Kläger für den Monat Dezember 2020 weitere 1.145,26 EUR brutto nebst Zinsen hieraus iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 1. Januar 2021 zu zahlen;
- an den Kläger für den Monat Januar 2021 weitere 1.011,00 EUR brutto iHv. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 1. Februar 2021 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil unter Verweis auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt darüber hinaus zusammengefasst wie folgt vor:
Die Berufung sei unzulässig, da erstinstanzlich mehrere Anträge gestellt und begründet worden seien und sich dennoch keine differenzierte Berufungsbegründung finde.
Die Berufung sei außerdem unbegründet. Der Kläger habe die Kurzarbeit widerspruchslos hingenommen, wodurch eine konkludente Vertragsänderung vorliege. Die Vereinbarung vom 23. März 2020 sei wirksam und halte einer AGB-Kontrolle stand. Angaben zum möglichen Volumen der Kurzarbeit machten keinen Sinn, weil die Einschränkung nicht vorhersehbar sei und eine partielle Beschränkung der Kurzarbeit den Erfolg des Projekts von Vornherein gefährden würde. Dem Arbeitgeber müsse die Option verbleiben auf "Null" zu gehen. Die Kurzarbeit diene dem Erhalt von Arbeitsplätzen, weshalb die Vorgaben nicht überstrapaziert werden dürften.
Die Kurzarbeit sei nach billigem Ermessen angeordnet worden. Die Ankündigung der Kurzarbeit vom 4. Oktober 2020 sei rechtzeitig erfolgt. Alle betroffenen Mitarbeiter seien über die Dauer der Kurzarbeit in einem persönlichen Gespräch am 29. Oktober 2020 informiert worden.
Die in der Vereinbarung vom 23. März 2020 niedergelegten Vorgaben seien erfüllt gewesen. Der Kläger sei innerhalb des Serienprozesses "Belagbau" genauso wie Herr H. behandelt worden, der ebenfalls mangels entsprechender Fähigkeiten und körperlicher Belastbarkeit nicht im Sonderbau habe eingesetzt werden können.
Überdies habe sie, die Beklagte, sich nicht im Annahmeverzug befunden. Bloßes Erscheinen im Betrieb sei für ein Arbeitsangebot nicht ausreichend. Dieses hätte gegenüber dem Geschäftsführer erfolgen müssen.
Zudem sei zu beachten, dass der Kläger sich im Januar selbst finanziell benachteiligt habe, indem er versäumt habe, seiner Krankenkasse Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen, so dass der Streitwert um den entsprechenden Betrag korrigiert werden müsse
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten vorgetragen, normalerweise würden im Betrieb der Beklagten etwa 571 Beläge monatlich gefertigt. In den Monaten, in denen Kurzarbeit angeordnet war, seien es nur etwa 150 pro Monat gewesen. Es habe sich um kurzfristige Aufträge gehandelt, die etwa drei Tage bis eine Woche Vorlaufzeit gehabt hätten. Der Kläger hat auf die Verspätung dieses Vortrags hingewiesen und ihn darüber hinaus mit Nichtwissen bestritten.
Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.