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BAG Urteil vom 09.02.2006 - 6 AZR 281/05

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifauslegung. Berechnung einer Besitzstandszulage

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Orientierungssatz

Nach § 2 Abs. 5 Überleitungsvereinbarung sind Einkommensdifferenzen der übergeleiteten Arbeitnehmer der Mitropa AG auszugleichen, die sich nach der Integration in das Tarifwerk der DB Reise & Touristik AG aus der Anwendung verschiedener tariflicher Entgeltsysteme ergeben. Für Differenzen, die sich aus der Reduzierung der Jahresarbeitszeit ergeben, ist kein Ausgleich vorgesehen.

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Normenkette

BGB § 613a Abs. 5 Nr. 3, § 280 Abs. 1; TVG §§ 1, 3 Abs. 1; ZPO §§ 565, 516, 559 Abs. 2, §§ 139, 287

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Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 06.04.2005; Aktenzeichen 3 Sa 1952/04)

ArbG Dortmund (Urteil vom 17.08.2004; Aktenzeichen 2 Ca 5622/03)

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Tenor

  • Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 6. April 2005 – 3 Sa 1952/04 – wird zurückgewiesen.
  • Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

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Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer Zulage nach einem Teilbetriebsübergang.

Die Klägerin war seit dem Jahr 1978 bei der MITROPA AG als Stewardess mit einer tariflichen Jahresarbeitszeit von zuletzt 2.040 Stunden beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ging mit Wirkung zum 1. Juli 2002 im Wege eines Teilbetriebsübergangs auf die Beklagte, die zuvor als DB Reise & Touristik AG firmierte, über. Im Hinblick auf die Überleitung der Arbeitsverhältnisse schlossen am 5. Juli 2002 die DB Reise & Touristik AG und ihre Konzernmutter, die DB AG, mit den Gewerkschaften TRANSNET (GdED) und Nahrung, Genuss und Gaststätten (NGG), deren Mitglied die Klägerin ist, eine “Vereinbarung zur Überleitung der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer/innen der Mitropa AG SiZ Tagverkehr incl. Logistik zur DB Reise & Touristik AG sowie SiZ Nachtverkehr zur DB ERS GmbH” vom 5. Juli 2002 (fortan: Überleitungsvereinbarung), deren § 2 lautet:

Rechte und Pflichten im Bereich SiZ-Tagverkehr

1. Die Arbeitnehmer/innen der Mitropa AG, deren Arbeitsverhältnis zum 01. Juli 2002 zur DB Reise & Touristik AG übergeleitet wird (SiZ Tagverkehr incl. Logistik), werden bis zum 31. Dezember 2002 in das Tarifwerk der DB Reise & Touristik AG integriert. Ab 01. Januar 2003 gilt das Tarifwerk der DB Reise & Touristik AG.

5. Soweit sich nach der Integration der übergeleiteten Arbeitnehmer/innen in das Tarifwerk der DB Reise & Touristik AG Einkommensdifferenzen ergeben, werden diese auf Basis der bei der DB Reise & Touristik AG geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen über die regelmäßige Arbeitszeit (1984 Stunden) ermittelt und die Differenz zwischen dem bislang höheren tariflichen Entgelt bei der MITROPA AG gegenüber dem tariflichen Entgelt bei der DB Reise & Touristik AG gesichert. Diese Sicherung erfolgt nach Maßgabe des KonzernZÜTV. Betrachtet werden die tarifvertraglichen Regelungen bis zum 31. Dezember 2002 im Verhältnis zu den tarifvertraglichen Regelungen ab dem 01. Januar 2003. Betrachtungszeitraum für die Differenzermittlung sind die letzten 12 Monate.”

Mit Wirkung zum 1. August 2002 schlossen der Arbeitgeberverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e.V. (MoVe) und die Gewerkschaft TRANSNET sowie die Verkehrsgewerkschaft GDBA einen “Tarifvertrag zur Sicherung und Anpassung von Entgeltdifferenzen (KonzernZÜTV)”, der ua. folgende Bestimmungen enthält:

§ 2

Ermittlung der Zulage Überleitung (ZÜ)

(1) a) Der Arbeitnehmer, bei dem der Anspruch auf Zahlung der Zulage PZÜ bzw. AZ/AZ-Z (oder diesen vergleichbare Zulagen) durch tarifvertragliche Regelung mit Ablauf des 31. Juli 2002 weggefallen ist, hat Anspruch auf Zahlung einer ZÜ.

(2) Führt eine der nachfolgenden Maßnahmen zu einer Änderung des Entgelts, wird die ZÜ neu berechnet bzw. neu bestimmt:

a) Einführung neuer tarifvertraglicher Entgeltstrukturen,

b) Betriebsübergang nach § 613a BGB zu einem Unternehmen im Geltungsbereich dieses Tarifvertrags.

Hierzu erfolgt eine arbeitnehmerbezogene individuelle Vergleichsberechnung der bisherigen und der neuen bzw. geänderten tarifvertraglichen Leistungen auf Basis einer Jahresbetrachtung.

In die Jahresbetrachtung sind die nachfolgenden Einkommensbestandteile einzubeziehen:

• Monatstabellenentgelt,

• ZÜ/ZÜ-K,

• Urlaubsgeld,

• jährliche Zuwendung sowie

• sonstige tarifliche Zulagen (ausgenommen Reisekosten bzw. diesen entsprechende Aufwandsentschädigungen).

Bei der Berechnung der ZÜ wird der sich aus der Vergleichsberechnung ergebende Differenzbetrag (Jahr) monatlich mit 1/13 berücksichtigt.

(3) Soweit sich eine gemäß § 2 Abs. 1 Buchst. b bestehende ZÜ in den Fällen nach Abs. 2 erhöht oder eine ZÜ sich neu ergibt, ist der in die ZÜ einzubeziehende Betrag nach Abs. 2 für den Vollzeitarbeitnehmer auf jeweils maximal 300,00 EUR/Monat begrenzt. Der jeweils 300,00 EUR übersteigende Betrag wird als Einmalbetrag mit seinem 30-fachen Monatswert endgültig abgegolten.”

Die Entlohnung der Klägerin erfolgte bis zum 31. Dezember 2002 auf Grundlage einer Jahresarbeitszeit von 2.040 Stunden nach den Tarifverträgen für die MITROPA AG, wie sie auch bis zum Teilbetriebsübergang Anwendung fanden. Die Beklagte wendet seit dem 1. Januar 2003 auf das Arbeitsverhältnis die in ihrem Unternehmen geltenden Tarifverträge an. Sie beschäftigt die Klägerin in Anwendung des Tarifvertrags zur Regelung einer Jahresarbeitszeit für die Arbeitnehmer der DB AG (JazTV) mit einer Jahresarbeitszeit von 1.984 Stunden und vergütet sie nach dem “Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB Konzerns (KonzernETV)”. Zur Sicherung der durch den Teilbetriebsübergang entstandenen Entgeltdifferenzen ermittelte die Beklagte das von der Klägerin im Referenzzeitraum vom 1. Oktober 2001 bis zum 30. September 2002 auf Basis einer Jahresarbeitszeit von 2.040 Stunden erzielte Entgelt in Höhe von 28.207,59 Euro brutto. Die Beklagte brachte von diesem Betrag das Urlaubsgeld von 511,29 Euro, das Weihnachtsgeld von 1.160,49 Euro und die vermögenswirksamen Leistungen von 478,56 Euro in Abzug, rechnete den Betrag auf 1.984 Stunden um und addierte zu diesem Betrag von 25.342,08 Euro brutto wiederum das Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie die vermögenswirksamen Leistungen. In einem letzten Schritt stellte sie das vor dem Teilbetriebsübergang auf Basis von 1.984 Stunden erzielbare Entgelt in Höhe 27.492,42 Euro brutto dem bei der Beklagten erzielbaren Entgelt in Höhe von 24.664,28 Euro brutto gegenüber und teilte die Differenz von 2.828,14 Euro durch 13. Den sich daraus ergebenden Betrag in Höhe von 217,55 Euro brutto zahlte sie beginnend ab Januar 2003 monatlich an die Klägerin aus.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe Anspruch auf Zahlung einer höheren Zulage. Bei der Ermittlung der Überleitungszulage hätte die Beklagte das Entgelt im Referenzzeitraum vom 1. Oktober 2001 bis zum 30. September 2002 auf der Basis der bei der MITROPA AG geltenden Jahresarbeitszeit von 2.040 Stunden zugrunde legen müssen. Durch § 2 Abs. 5 der Überleitungsvereinbarung solle die Differenz des Einkommens, welche der Klägerin durch den Betriebsübergang und die Integration bei der Beklagten entstanden sei, ausgeglichen werden. Damit sollten auch die durch die Arbeitszeitverkürzung entstandenen Einkommensverluste ausgeglichen werden. Auch wenn man von einer Jahresarbeitszeit von 1.984 Stunden ausgehen müsse, habe die Beklagte das für den betreffenden Zeitraum anzusetzende Einkommen mit 27.492,42 Euro brutto fehlerhaft ermittelt und demzufolge eine zu geringe Zulage ausgezahlt. Aus § 2 Abs. 2 Buchst. b KonzernZÜTV ergebe sich, dass alle tariflichen Zulagen als Einkommensbestandteile anzurechnen seien, weshalb die gesamte Bruttojahresvergütung im Referenzzeitraum in Ansatz zu bringen sei. Insgesamt sei unter Zugrundelegung der Jahresarbeitszeit von 2.040 Stunden und der Einbeziehung aller Einkommensbestandteile für die Vergleichsberechnung von einem Einkommen in Höhe von 31.075,82 Euro brutto auszugehen.

Darüber hinaus sei eine reduzierte Jahresarbeitszeit von 1.984 Stunden nicht wirksam vereinbart worden und auch nicht aus anderen Gründen verbindlich. Die Klägerin meint, sie habe nach wie vor einen Anspruch auf Beschäftigung im Umfang von 2.040 Stunden im Jahr. Daher ergebe sich ein Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs. Sollte die Berechnung der Beklagten zutreffen, komme ein Schadenersatzanspruch wegen der Verletzung der Pflichten nach § 613a Abs. 5 BGB in Betracht. Die Beklagte habe sie nicht darüber aufgeklärt, wie sich die Zulage bemesse.

Die Klägerin hat in der Berufung zuletzt beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an sie 300,00 Euro brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 8 %-Punkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2003 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an sie 300,00 Euro brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 8 %-Punkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 1. März 2003 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an sie 300,00 Euro brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 8 %-Punkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 1. April 2003 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an sie 300,00 Euro brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 8 %-Punkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2003 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an sie 300,00 Euro brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 8 %-Punkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2003 zu zahlen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an sie 300,00 Euro brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 8 %-Punkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2003 zu zahlen.

7. Die Beklagte wird verurteilt, an sie 300,00 Euro brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 8 %-Punkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 1. August 2003 zu zahlen.

8. Die Beklagte wird verurteilt, an sie 300,00 Euro brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 8 %-Punkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 1. September 2003 zu zahlen.

9. Die Beklagte wird verurteilt, an sie 300,00 Euro brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 8 %-Punkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2003 zu zahlen.

10. Die Beklagte wird verurteilt, an sie 300,00 Euro brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 8 %-Punkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 1. November 2003 zu zahlen.

11. Die Beklagte wird verurteilt, an sie 300,00 Euro brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 8 %-Punkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2003 zu zahlen.

12. Die Beklagte wird verurteilt, an sie 300,00 Euro brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 8 %-Punkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2004 zu zahlen.

13. Die Beklagte wird verurteilt, an sie weitere 5.796,00 Euro brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 8 %-Punkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2003 zu zahlen.

14. Hilfsweise zu 13.:

Die Beklagte wird verurteilt, an sie weitere 5.023,80 Euro brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 8 %-Punkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2003 zu zahlen.

15. Äußerst hilfsweise zu 13.:

Die Beklagte wird verurteilt, an sie weitere 696,17 Euro brutto nebst einer Verzinsung in Höhe von 8 %-Punkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2004 zu zahlen.

16. Die Beklagte wird verurteilt, an sie Schadenersatz nebst einer Verzinsung in Höhe von 8 %-Punkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2004 wegen der Verletzung der Aufklärungspflicht aus § 613a Abs. 5 BGB zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Zulage gemäß der Überleitungsvereinbarung iVm. dem KonzernZÜTV zutreffend ermittelt und gezahlt zu haben. Ein darüber hinausgehender Anspruch stehe der Klägerin nicht zu.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin auf Grund einer Neuberechnung bzw. einer Korrektur von Rechenfehlern die Zahlungsanträge (Ziff. 1 bis 12) abweichend von den Anträgen der Berufung für die Zeit von Januar bis Juni 2003 in Höhe von monatlich 82,45 Euro brutto, für die Zeit von Juli bis Dezember 2003 in Höhe von monatlich 102,98 Euro brutto und im ersten Hilfsantrag (Ziff. 14) in Höhe von 3.963,60 Euro brutto sowie im Übrigen die Anträge (Ziff. 13, 15, 16) unverändert weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.